(Anne-Sophie Mutter, Manfred Honeck, Pittsburgh SO; Foto PK)
Unter der Leitung von Manfred Honeck spielen die Gäste aus Pennsylvania mit einer der prominentesten Geigerinnen der Konzertszene das Violinkonzert des Hamburger Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy und die fünfte Sinfonie des ebenfalls in Hamburg für sieben Jahre schaffenden Komponisten Gustav Mahler – und das atemberaubend!
von Patrik Klein
Als gut informierter Hamburger weiß man ja, dass Felix Mendelssohn Bartholdy in Hamburg geboren wurde und dass man viel über sein Leben, seine Werke und seine sozialen Randbedingungen im Komponistenquartier in der Peterstrasse betrachten und bewundern kann. Die ganze jüdische Familie litt unter den antisemitischen Auswüchsen des 19. Jahrhunderts und auch kompositorisch lief nicht alles optimal. Sechs Jahre trug der emsige Komponist das Werk in seinem Kopf und seinem Herzen, bis es aus seiner Feder Form annahm. Mit dem Anfang tat er sich so besonders schwer, der kurz und prägnant in den Geist der Wiener Klassik flieht.
Anne-Sophie Mutter gab dann die perfekte Mischung aus geadelter virtuoser Technik und charmanter poetischer Linienführung von überragender geigerischer Schönheit, die direkt in die Herzen der Zuhörer traf. Attacca wurden die drei Sätze gegeben, um dem Elphi Publikum jede Chance des Dazwischengrätschen zu nehmen. Die berauschende Klangpracht der Geigerin war dann auch geprägt durch ein wahnwitziges Tempo, bei dem selbst das aufmerksame Spitzenorchester gelegentlich ein paar Millisekunden zu spät ankam. Maestro Honeck brachte die beiden Klangkörper aber schnellstmöglich wieder in Phase.
Unglaublicher Jubel machte sich bereits nach 30 Minuten breit. Die Solistin wies dann darauf hin, dass derzeit rund 200 bewaffnete Konflikte auf dieser Welt herrschen, und so mit dem Thema aus dem Film Schindlers Liste, komponiert von John Williams, ein Zeichen gesetzt werden muss. Tief berührt ging man in die Pause.
(Pittsburgh Symphony Orchestra, Manfred Honeck; Foto PK)
Als die fünfte Sinfonie Gustav Mahler im Jahre 1901 vollendet wurde, er bereits Hamburg mit seiner Oper und seinen Konzertsälen in Richtung Wien verlassen hatte, kam es schließlich erst 1904 in Köln zur Uraufführung seines „verfluchten Werkes“, welches „niemand capiert“. Trotz konventioneller Form mit klarem Instrumentalcharakter und Verzicht auf die Verarbeitung bestehender Liedvorlagen, blieb Erfolg und Beliebtheit zunächst aus. Er hatte in seinem Werk Erfahrungen zwischen Leid und Tod, Verzweiflung und Optimismus, Albtraum und Euphorie, ausbrechender Kraftentwicklung und seliger Ekstase in Noten gegossen.
Das fünfsätzige Werk wurde dann auch von den amerikanischen Musikern auf dem Podium der Elbphilharmonie mit allergrößter Leidenschaft dargeboten. Mir persönlich ging mal wieder das Herz zerreißend berührende Adagietto unter die Haut, welches ich selten so traurig, innig und trotz der riesigen Orchesterbesetzung so intim empfand. Die Sinfonie begann mit einem glasklaren Trompetensolo, was jedem Zuhörer in Mark und Bein auf dem kürzesten Weg zu strömen schien. Es entwickelte sich dann ein Sturm aus gekonnten Rhythmen, wuchtigen Konversationen mit Echos einzelner Instrumentengruppen, eruptiven Ergüssen wilder Dynamik, beim Scherzo tänzelten die Noten wie Perlen eines edlen Champagners auf der Zunge, wurden Anklänge Richard Strauss’ hörbar und gaben dem Werk eine tiefe satte Fülle. Atemberaubend.
Als kleiner Rausschmeißer fungierte dann noch ein kurzer Spot auf Richard Strauss’ Rosenkavalier Suite. Tief durchatmen war angesagt.
Großer Jubel nach 70 aufregenden Minuten – Morgen folgt der zweite Streich.
Pittsburgh Symphony Orchestra
Anne-Sophie Mutter, Violine
Dirigent: Manfred Honeck
Felix Mendelssohn Bartholdy
Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64
Zugabe: John Williams, Theme of Schindlers List
Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 5 cis-Moll
Zugabe: Richard Strauss, Rosenkavalier Suite
Der klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Meist lauscht und schaut er privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei klassik-begeistert – voller Leidenschaft, ohne Anspruch auf Vollständigkeit… aber immer mit großem Herzen!