Auf den Punkt 25: Calixto Bieito zahlt die chemische Reinigung

Auf den Punkt 25: Calixto Bieito zahlt die chemische Reinigung  klassik-begeistert.de, 6. Oktober 2024

In der Staatsoper Hamburg sitze ich gerne im Parkett, Reihe 1. Man kann dort gut in den Orchestergraben gucken, was zuweilen sehr interessant ist. Da gäbe es einiges zu berichten, aber soweit ich weiß, habe ich hier bei klassik-begeistert nur freundliche Beobachtungen geteilt.

Carl Orff (1895 – 1982) / Trionfi

Chor der Hamburgischen Staatsoper
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg

Kent Nagano / Musikalische Leitung

Calixto Bieito / Inszenierung

Staatsoper Hamburg, 5. Oktober 2024

von Jörn Schmidt

Gestern hätte man aber denken können, man hätte mir etwas heimzahlen wollen. Auch wenn das nicht mehr  zum guten Ton gehört, wenn ich in die Oper gehe, binde ich mir eine Krawatte um. Das Hemd ist frisch gebügelt und ein Jackett ist Pflicht. Gerne auch mal ein dunkler Anzug. Ich finde, das erfordert der Respekt vor den Musikern. Aber der Reihe nach:

In ihrer letzten Saison haben Kent Nagano und Georges Delnon als erste Premiere Trionfi von Carl Orff angesetzt, die Inszenierung stammt von Calixto Bieito. Also nicht nur Carmina Burana, sondern das komplette Triptychon inklusive Catulli Carmina und Trionfo di Afrodite. Catulli Carmina und Trionfo di Afrodite gab es vor der Pause, danach Carmina Burana mit den oft gehörten, aber immer noch mächtigen O Fortuna-Chören.

Nach der Rückkehr aus der Pause fanden sich auf den Sitzen in Reihe 1 preisgünstige, stark nach PVC riechende Gratis-Plastik-Folien. Sie können sowas auf Open-Air-Konzerten kaufen, der Preis hängt vermutlich vom Wetterbericht ab. Also wenn es regnet, dann wird es teuer. Dann zahlt man für solche Wegwerf-Artikel gerne mal  5 EUR.

Nun war gestern kein Regen angesagt, und mir ist nicht bekannt, dass das Dach der Staatsoper sanierungsbedürftig wäre. Warum dann also diese Regencapes? Nun, Carmina Burana besteht unter anderem aus Minneliedern, Satiren und eben aus aus  einem Trinklied. Calixto Bieito war es wohl wichtig, dass das jeder versteht. Jedenfalls ließ er jede Menge Rote-Bete-Saft anrühren und in Holzfässern auf die Bühne fahren. Diese Brühe sollte wie Wein aussehen und wurde mit wachsender Begeisterung auf der Bühne verteilt. Und eben im Publikum.

Dazu muss man wissen, dass die Bühne sich ausnahmsweise über dem Orchestergraben befand. Das Orchester befand sich dagegen auf der eigentlichen Bühne. Aus diesem Grund musste das Orchester leicht verstärkt werden mittels Mikrofonen und Lautsprechern.  In Reihe 1 konnte man dagegen den Mitgliedern des Chors tief in die Augen gucken und hätte sich die Hände reichen können. Auch sonst war ziemlich viel zu sehen…

Kurzum, obwohl ich das Regencape vermeintlich ordnungsgemäß angelegt hatte, sah ich nach wenigen Minuten aus wie das Sams. Ich war voller Wunschpunkte. Was eigentlich eine gute Sache ist, mir waren sogleich jede Menge Wünsche eingefallen. Allein, die Wunschpunkte funktionieren nicht. Wie schade.

Möglicherweise habe ich das kommen gesehen und entsprechend unglücklich geguckt. Jedenfalls hatte mir ein Offizieller bereits während der Pause versichert:  Sollte meine Garderobe Schaden nehmen, dann zahlt die Staatsoper die Reinigung. Können die ja vielleicht weiterbelasten.

Rote-Bete-Fleckenentfernung ist eine Wissenschaft für sich. Entweder bleiben die Flecken, oder aber das Cashmere-Sakko verliert Glanz und Farbe. Calixto Bieito  war das egal, Hauptsache, die rote Brühe spritzt. Aber wissen Sie was, Kent Naganos Dirigat und die Leistung der insgesamt vier Chöre waren es wert. Was sind dagegen schon ein paar Flecken auf den Klamotten, möchte ich meinen. Lesen Sie dazu mal Erich Fromm, Haben oder Sein.

Jörn Schmidt, 6. Oktober 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Carl Orff, Trionfi Staatsoper Hamburg, 21. September 2024 Premiere

Carl Orff, Trionfi, Trittico teatrale (1953) Staatsoper Hamburg, Premiere B, 25. September 2024

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