Kultur-Presse-Konflikt: Markus Hinterhäuser ./. Axel Brüggemann, eine  ungute Entwicklung...?

Report: Konflikt Markus Hinterhäuser ./. Axel Brüggemann  Salzburger Festspiele, 19. Dezember 2024

Salzburger Festspiele © Luigi Caputo

Der Intendant der Salzburger Festspiele Markus Hinterhäuser geht gegen zwei Artikel des deutschen Kulturjournalisten Axel Brüggemann vor.  Zur Durchsetzung eines äußerungsrechtlichen Anspruchs auf Unterlassung fährt Hinterhäuser relativ schweres juristisches Geschütz auf. Den  Streitwert der beiden Abmahnungen haben seine Anwälte auf 30.000 Euro und 70.000 Euro beziffert. Insgesamt zehn Punkte  der auf BackstageClassical.com veröffentlichten Texte werden angegriffen. Wobei Brüggemann sich bereits in drei Punkten zur Unterlassung verpflichtet habe, nun aber nicht weiter nachgeben möchte. Der Journalist sieht anderenfalls kritischen Journalismus in Gefahr. Um welche Äußerungen es konkret geht, ist nicht bekannt. Einstweilen verbietet sich damit jede Parteinahme. Aber was ist allgemein davon zu halten, wenn Kulturschaffende gegen Journalisten vorgehen. Ein Pro & Contra.

von Jörn Schmidt 

PRO – Ja, das ist eine ungute Entwicklung für kritischen Journalismus

Intendanten und Journalisten brauchen sich gegenseitig. So wie Künstler und Publikum. Es ist gar nicht lange her, da gab es von heute auf  morgen kein Publikum mehr. Das war keine gute Zeit. Und ein Intendant ohne Presse? Keine Premierenkritik mehr, die polarisiert und Aufmerksamkeit auf sein Haus lenkt? Das kann sich keiner wünschen. 

Umgekehrt wären Kulturjournalisten ohne Kulturschaffende arbeitslos. Wenn man so will sind alle Beteiligten Stakeholder des Kulturbetriebs. Wenn sich Stakeholder einer Aktiengesellschaft mit Klagen überziehen, schadet das in der Regel dem Unternehmen. In der Musikbranche ist das nicht anders. Aber das ist längst nicht das größte Problem.

Man muss sich da nichts vormachen. Die meisten Journalisten können gut von ihrer Arbeit leben, reich wird man damit aber nicht unbedingt. Bei Streitwerten wie im Fall Brüggemann fallen allein für die außergerichtliche Vertretung nach  RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) Anwaltskosten in Höhe von insgesamt rund  3.800 Euro an. Das kann einem schon mal den Konzertabend verderben. Und wenn man die erste Instanz verliert, bleibt man gerne mal auf  bis zu 20.000 Euro Anwalts- und Gerichtskosten sitzen. Das kann einen ziemlich  nervös machen.

Da überlegt man es sich künftig zweimal, ob die eigene unbeugsame Gesinnung das wert ist. Genau hier liegt das eigentliche Problem. Guter Journalismus braucht Haltung, keine Schulterklopfer. Wenn eine finanziell leistungsfähige Institution einen investigativ tätigen Journalisten juristisch angeht, kann schnell der Eindruck entstehen: Hier soll ein kritischer Journalist mundtot gemacht werden. Das ginge mittelbar zu Lasten der Pressefreiheit und wäre keine gute Entwicklung.

CONTRA – Nein, in einer Demokratie muss jedem der Rechtsweg offen stehen  

Also wenn Sie mich als Anwalt und klassik-begeistert-Autor fragen: Sollte jemals einem Kulturschaffenden die Hutschnur platzen, wenn er meine  Kolumne liest… dann möge er mich gerne abmahnen und gegebenenfalls verklagen. Das ist allemal besser, als wenn mich jemand mit den stinkenden Exkrementen seines Dackels bewirft. Sie erinnern das vielleicht. Der Basler Ballettchef Marco Goecke hat während seiner Zeit als Hannoveraner Ballettdirektor  genau das einer Kollegin angetan. Aus einem einzigen Grund. Er mochte  ihre Kritiken nicht.

Ich bin mir sicher, in einem Gerichtssaal wäre es nicht so weit gekommen. Dort sitzt ein Richter, der weiß: Die Pressefreiheit ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Der Richter weiß auch, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht jeden Menschen vor unzulässiger Berichterstattung durch die Presse schützt. Und wird beide Rechtsgüter wohlwollend gegeneinander abwägen. In der Regel führt das zu sachgerechten Ergebnissen beziehungsweise  Urteilen.

Nun ist Goeckes Dackel mittlerweile verstorben und Basel recht weit weg. Aber man weiß ja nie, welche Haustiere andere Kulturschaffende haben. Zumal das Beispiel Goecke zeigt: Manchmal kochen die Emotionen einfach hoch, da bleibt dann kein Raum für ein sachlich geführtes,  klärendes Gespräch. Wenngleich ich hier ohne Wenn und Aber signalisieren möchte, dass ich im Fall der Fälle jederzeit über Andreas Schmidt, den Herausgeber von klassik-begeistert, erreichbar bin. Fehler passieren, das muss man korrigieren. Da bricht einem schon kein Zacken aus der Krone.

Hinzu kommt ein weiteres Argument. Das Damoklesschwert der Abmahnung führt zu einer Art Selbstreinigung der Presse.  Wer weiß, dass Fehler einen teuer zu stehen kommen können, der recherchiert einfach besser. Und das ist gut so. Denn schlecht recherchierte Artikel können schneller als man denkt das Vertrauen in kritischen Journalismus untergraben. Darunter leiden wir dann alle.

Jörn Schmidt, 19. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

2 Gedanken zu „Report: Konflikt Markus Hinterhäuser ./. Axel Brüggemann
Salzburger Festspiele, 19. Dezember 2024“

  1. Mit Verlaub – Fehler in einem Artikel rechtfertigen doch keine Abmahnung und erst Recht keinen Rechtsstreit. Natürlich setzten diese voraus, dass man sie spätestens ab Bekanntgabe des Fehlers korrigiert – ich glaube, davon sind wir alle als berichterstattende Personen schon einmal auf die eine oder andere Weise betroffen gewesen.
    Worüber wir uns hier in unseren Kritiken oder Kolumnen unterhalten sind aber zumeist Meinungen und persönliche Wahrnehmungen. Laut David Hume gilt: „All sentiment is right; because sentiment has a reference to nothing beyond itself, and is always real, wherever a man is conscious of it.“

    Ohne zu wissen, was da bei Herrn Brüggemann moniert wird kann ich antizipieren, dass sich auch hier womöglich eine kulturschaffende Person durch eine Meinungsäußerung oder eine Erlebniswahrnehmung unvorteilhaft dargestellt sieht. Aber will mir eine kulturschaffende Person plötzlich meine eigene Wahrnehmung zensieren; werden wir als Berichterstattende plötzlich in unserer Selbstreflektion und unserer Erlebnisschilderung zensiert, dann ist Konzertjournalismus nutzlos. Wozu braucht es denn solche Berichte, wenn das Ergebnis schon feststehen und immer Perfektion sein soll? Dann haben wir doch nur noch Speichellecker und Lobjubeler, die nichts anderes mehr können, als Künstler und Kulturschaffende Heiligen gleich in übermenschliche Sphären zu hieven, egal, was auf den Bühnen stattfindet. Dann können sich die Künstler ihre Rezensionen auch gleich selbst schreiben.
    Dass wir von dieser Sorte „Journalisten“ nun wirklich schon viel zu viele haben, zeigt sich in meinen Augen dadurch, dass das Publikum sowohl der Klassischen Musik als Institution sowie auch der Berichterstattung (nicht erst seit Corona) immer mehr abhanden kommt! Wer das also auch noch forciert, dem geht es nicht um Kultur oder Qualität, sondern um Selbstbefriedigung des Egos.

    Daniel Janz

  2. Ich denke, der Grat zwischen einer spitzen Zunge und der Verunglimpfung ist schmal. Kurz Mal ne Finte raushauen, die knapp unter der Gürtellinie landet, muss ein Kulturschaffender vertragen. Ob Axel Brüggemann die bewusst und regelmäßig unterschreitet (besonders bei Markus Hinterhäuser), muss jeder für sich beurteilen. Leider ist der Beitrag bereits offline. Als zwischen den Stühlen sitzender enthalte ich bewusst meine Meinung.

    Nur so viel:
    Andreas Schmidt legt großen Wert auf Berichterstattung, die integer ist. „Hofberichterstattung“ ist nicht sein Ding. Beim Thema „Verunglimpfung“ ist aber Schluss. Da zieht er klar die Grenze. „Lustigerweise“ hatten wir das Thema erst vor kurzem.

    Jürgen Pathy

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