Des Pianisten Pilsans flinke Finger tanzen in atemberaubenden Tempi über die Klaviatur

Aaron Pilsan, Klavier   Sendesaal Bremen, 8. Januar 2025

Photo © Rolf Schoellkopf 

Auf schwarzen und weißen Tasten: „The dancing Piano“

Carl Maria von Weber: „Aufforderung zum Tanz“ op.65
Frédéric Chopin: „Barcarolle“ op. 60
Alfred Grünfeld: „Soirée de Vienne“ op. 56
Franz Liszt: „Rigoletto-Paraphrase“
George Enescu: „Rumänische Rhapsodie Nr. 1
Robert Schumann: „Arabeske“ op. 18 / „Carnaval“ op 9

Aaron Pilsan  Klavier

Sendesaal Bremen, 8. Januar 2025

von Dr. Gerd Klingeberg

Die „Aufforderung zum Tanz“ mag eingangs noch etwas schüchtern, zurückhaltend wirken. Ganz lebensnah eben. Doch schon bald überwiegt Eleganz und forsche Unbeschwertheit der mal weniger, mal weiter ausgreifenden Bewegungen bei zunehmend gesteigertem Metrum.
Der österreichische Pianist Aaron Pilsan hat von Webers populäre Komposition nicht von ungefähr an den Beginn seines programmatischen Klavierabends gesetzt: Er möchte, wie er in seiner lockeren Moderation betont, das Klavier als eng mit dem Tanz verbundenes Instrument präsentieren, gewiss auch ganz besonders im Hinblick auf die über die Tastatur tanzenden Hände.

Dergleichen kommt auch bei Chopins entspannt wiegender „Barcarolle“ gut zum Ausdruck, wenngleich man sich hier noch etwas mehr an emotional gefärbtem Klangrausch gewünscht hätte. War halt eher der Auftakt zu Größerem, nämlich Liszts „Rigoletto-Paraphrase“ und Grünfelds „Soirée de Vienne“. Letzterer, ein Freund des Walzerkönigs Johann Strauß, hat ein gleichermaßen anspruchsvolles wie unterhaltsames Edel-Potpourri aus diversen Walzermotiven zusammengestellt. Und ähnlich wie bei Liszts Rigoletto, dem das typisch opernhafte Gefühlschaos zugrunde liegt, sollen dabei die spieltechnischen Möglichkeiten des Klaviers ausgelotet werden.

Alpenländische Nonchalance und zigane Volksfeststimmung

Pilsan präsentiert beide Werke mit alpenländischer Nonchalance, dazu mit größtmöglicher Bravour und in plastischer Bildhaftigkeit, die die Zuhörer unmittelbar mit hineinnimmt in die pianistisch kunstvoll erstellten Szenerien.

Photo © Rolf Schoellkopf

Spätestens jetzt sind seine Fingergelenke auf optimaler Betriebstemperatur, so dass er mit Enescus „Rumänischer Rhapsodie Nr.1“ ein weiteres, dereinst gar als unspielbar bezeichnetes Werk folgen lassen kann. Ganz harmlos, mit einer simplen folkloristischen Melodie geht es los. Bleibt zunächst auch noch recht ruhig, mit charmant salonesker Färbung; dann kommt der längst erwartete Drive stampfender, unbändig wirbelnder Ringelreihen, ausgelassene zigane Volksfeststimmung und gute Laune pur, bei der nicht etwa die Beine, sondern in diesem Fall die Pianistenhände in atemberaubendem Tempo spritzig über die Tasten tanzen.

Bei seiner hochkonzentrierten Aktion wirft Pilsan bisweilen auch noch humorvoll kokette Blicke ins Publikum, ganz so als wolle er sagen: „Seht her, derart locker und unterhaltsam kann selbst ein hochkarätiges pianistisches Recital sein!“

Schumann in ausgeprägter Klangfarbigkeit

Nach der Pause ist Schumann angesagt. Seine „Arabeske“, an der sich vermutlich viele halbwegs fortgeschrittene Klavierschüler irgendwann einmal abgearbeitet haben dürften, geht Pilsan einigermaßen sportlich flott an, lässt aber auch feinsinnige, verträumt nachdenkliche Passagen anklingen. Der lange Schlusston schwebt noch im Raum, als Pilsan unmittelbar einsteigt in die breiten „Carnaval“-Eröffnungsfanfaren.

Die insgesamt 21 Charakterstücke, die Schumann hier in einem berauschenden kaleidoskopischen Tanzzyklus zusammengestellt hat, sprengen nahezu alle pianistischen Grenzen. Und so zieht der Solist, der das Werk passend in en-bloc-Abfolge vorträgt, sämtliche gestalterischen Register, spielt faszinierend kontrastintensiv, dialogisch, fragend, antwortend, in stark wechselnden Tempi dynamische Limits von flüsterleise bis unwettertosend wuchtig anstrebendoder überraschenderweise einfach nur ein paar Klaviersaiten zupfend.

Photo © Rolf Schoellkopf

Es ist eine durchgängig packende Performance, die mit dem „Marsch der Davidsbündler“ als trubeliges, in unzähligen Klangfarben schillerndes Feuerwerk ihren alles überstrahlenden Höhepunkt erreicht.

Noch längst nicht erschöpft, erfreut der sympathische Pianist das begeistert jubelnde Publikum mit Chopins selbstverständlich in rekordverdächtigem Tempo vorgetragenen „Minutenwalzer“ sowie, in memoriam der vor gut zwei Jahren völlig überraschend verstorbenen Sendesaal-Tonmeisterin Renate Wolter-Seevers, abschließend mit dem feierlich-gefühlvoll intonierten Thema aus Schumanns „Geistervariationen“.

Dr. Gerd Klingeberg, 9. Januar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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