Berauschende Klangdichte und ein Hauch von Idylle kontrastieren bei Walton und Brahms

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Marie Jacquot Dirigentin  Bremer Konzerthaus Die Glocke, 14. März 2025

Jacquot Marie © Werner Kmetitsch

3. Premieren-Abo-Konzert: Von der Themse an den Wörthersee

Georg Friedrich Händel Ouvertüre, Bourrée und La Réjouissance aus der Feuerwerksmusik HWV 351

William Walton Violakonzert

Johannes Brahms  Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73

Antoine Tamestit  Viola                                                                                                 Marie Jacquot  Dirigentin
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Bremer Konzerthaus Die Glocke, 14. März 2025

von Dr. Gerd Klingeberg

„Von der Themse an den Wörthersee“ – da denkt man doch unwillkürlich an eine idyllische Sommerfrische. Doch derartige Beschaulichkeit passt nicht unbedingt zur Deutschen Kammerphilharmonie: Die Bremer bevorzugen eher eine kernig packende, kraftvolle Herangehensweise. Und haben diesmal mit Marie Jacquot eine Dirigentin, deren strahlendes Lächeln, genauer gesagt: ihr ganzer Habitus eine schier unbändige Lust am Musizieren zu versprühen scheint.
Das ist bereits eingangs spürbar bei Georg Friedrich Händels „Feuerwerksmusik“, aus der als unterhaltsames Warm-up die Teile Ouvertüre, Bourrée und La Réjouissance erklingen. Dass ganz vereinzelt kleine Ungenauigkeiten beim Zusammenspiel zu hören sind, wird durch lebhaften Vortrag und spürbare Spielfreude locker wettgemacht; die gleichermaßen berauschende wie unterhaltsame Atmosphäre opulenter imperialer Festivitäten kommt bestens nachvollziehbar zum Ausdruck.

Zwischen orchestralem Vollgas und Viola-Lied ohne Worte

Für William Waltons Violakonzert, ein technisch überaus anspruchsvolles Paradestück für dieses oftmals unterschätzte Instrument, steht mit Antoine Tamestit einer der weltweit renommiertesten Bratscher zur Verfügung. Wenn man üblicherweise die Bratschenstimmen eher als orchestralen Füllstoff wahrnimmt, kann man hier das füllig warme, ungemein klangvolle Timbre der Bratsche in Vollendung erleben. Tamestit betont zunächst mit sanftem Strich den spätromantisch lyrischen Charakter des Werkes, beweist dann aber gleichwohl seine ausgeprägte Virtuosität bei pointiert akzentuierten, rasant angegangenen Stakkato-Partien.

Antoine Tamestit © Philippe Matsas

Das Orchester geht gut mit, neigt aber vor allem dann, wenn sich der Solist bei seiner feinfühligen Gestaltung dynamisch zurücknimmt, gelegentlich mit etwas zu forscher Spielweise dazu, die eigentliche Dominanz der Solostimme zu egalisieren oder gar in den Hintergrund zu verdrängen.
Im schnellen Mittelsatz „Vivo, e molto preciso“ kann sich Tamestit im ungestüm pulsierenden Metrum mit Esprit und energischer Bogenführung indes bestens behaupten. Der wieder ruhigere Schlusssatz wird stellenweise zum wunderschönen Viola-Lied ohne Worte. Und mittendrin, in einer längeren Pause für den Solisten, darf das Orchester dynamisch mit Vollgas loslegen. Zumindest bis sich mit einer expressiven Solomelodie wieder die in feinstem Mattglanz erstrahlende Schlusspartie ankündigt, bei der Tamestit noch einmal seine Stradivari zutiefst beseelt, zum Dahinschmelzen schön und überaus klangvoll zum Singen bringt.

Antoine Tamestit © Julien Mignot

Für den dann einsetzenden, sehr begeisterten Beifall bedankt sich der Solist nicht etwa mit einer weiteren Kostprobe seines hochgradig virtuosen Spiels: In memoriam der just am Vortag im Alter von 94 Jahren verstorbenen Komponistin Sofia Gubaidulina intoniert Tamestit vielmehr gemeinsam mit der Harfenistin Gesine Dreyer elegisch zart und zu Herzen gehend einfühlsam John Dowlands Song „Flow my tears“. Was für eine anrührende Geste!

Hochgradige Kontraste und fetzige Schlussakkorde

Die Sinfonie Nr. 2 von Johannes Brahms lässt Jacquot zunächst pastoral-idyllisch angehen. Aber auf das Aufwühlende, gar Dramatische, auf kraftvolle Eruptionen muss man keinesfalls lange warten. Die Musik wirkt wie prall gefüllt mit Energie und Leben, so wie der schönste Frühling am Wörthersee. Unter dem ebenso engagierten wie motivierenden Dirigat von Jacquot macht es den Kammerphilharmonikern sichtlich Freude, diese Kontraste in extenso mit Nachdruck auszuführen.

Sogar im 2. Satz Adagio ist dieser treibende Impetus noch reichlich präsent. Das Allegretto grazioso des 3. Satzes bekommt dagegen seine luftige Leichtigkeit im fast wie gepixelt anmutenden Part der presto-schnellen Streicherfiguren. Geradezu hintergründig und geheimnisvoll leise startet das finale Allegro. Klar, dieses Orchesters kann auch allerfeinste Pianissimos. Zumal dann, wenn sich kontrastierend mit explosiv-gewaltigem Getöse ein besonders wirkungsvoller Effekt erzielen lässt.

Marie Jacquot © Werner Kmetitsch

Und ab jetzt scheint das Geschehen nahezu unablässig mit opulentem Klang voranzudrängen, wobei sich zwischenzeitlich durch kurze ruhevolle Momente immer wieder neue Energiereserven eröffnen. Die fetzig satten Schlussakkorde sind noch nicht ausgeklungen, da setzt auch schon der tosende Beifall ein.

Mit Brahms’ Ungarischem Tanz Nr. 4, ebenfalls in grandioser orchestraler Dichte dargeboten, legt die Kammerphilharmonie noch eine optimal passende Zugabe für den beschwingten Heimweg nach.

Dr. Gerd Klingeberg, 15. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

NDR Elbphilharmonie Orchester, Antoine Tamestit, Viola, Dirigent Alan Gilbert Elbphilharmonie, 22. September 2024

Interview: klassik-begeistert im Gespräch mit Marie Jacquot – Teil 1 klassik-begeistert.de, 23. Januar 2025

Interview: klassik-begeistert im Gespräch mit Marie Jacquot – Teil 2 klassik-begeistert.de, 25. Januar 2025

Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Paavo Järvi, Dirigent Bremer Konzerthaus Die Glocke, 30. November 2024

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