Enrico Marabelli, Chor des Theater Bonn, Giorgos Kanaris © Regina Stöß
Oper als Cartoon! Diese Idee bringen Regisseurin Maren Schäfer und ihr Produktionsteam in wunderbarer Art und Weise mit dem Liebestrank von Gaetano Donizetti auf die Bühne des Theater Bonn. Zeichner des Comicfilms ist der Italiener Joshua Held. Gepaart mit einer sehr guten musikalischen Darbietung ergibt diese Produktion einen sehr unterhaltsamen Opernabend.
Gaetano Donizetti (1797-1848)
L’ELISIR D’AMORE
Melodramma in zwei Akten (Libretto von Felice Romani)
Musikalische Leitung: Hermes Helfricht
Regie: Maren Schäfer
Cartoon: Joshua Held
Bühne und Kostüme: Sebastian Ellrich
Beethoven Orchester Bonn
Theater Bonn, 15. Mai 2025
Ich gehe nie in eine Oper wegen der Inszenierung. Im Gegenteil, oft gehe ich nicht hin, weil ein Regisseur meiner “persönlichen schwarzen Liste” verantwortlich zeichnet. An diesem Abend ist es anders. Eigentlich hatte ich den Bonner Liebestrank nicht direkt auf meinem Programm. Als ich jedoch den Trailer des Theaters Bonn auf Internet sah, wollte ich unbedingt mir diese Produktion vor Ort live ansehen. Ich habe es nicht bereut: Schon lange nicht mehr habe ich mich so sehr in einer Oper amüsiert!
Die Idee von Maren Schäfer, das Melodram von Gaetano Donizetti in Form von einem Cartoon zu erzählen, ist hervorragend, wenn auch nicht total neu. Schon Barrie Kosky hat diese Herangehensweise vor einiger Zeit an der Komischen Oper Berlin mit seiner Inszenierung von Mozarts “Zauberflöte” gehabt. Der Bonner Liebestrank ist aber nicht einfach eine Kopie einer tollen Idee!
Die Regisseurin “modernisiert” die Charaktere und deren Liebesabenteuer. Die zentrale Frage bei ihr ist: Wie funktioniert Liebe heute? Adina ist eine belesene junge Frau, die ihre Freiheit liebt, auch wenn sie tief in ihrem Inneren sich nach Geborgenheit sehnt. Dieses Gefühl lässt sie aber erst gegen Ende der Oper aufkommen, wenn sie die Ehrlichkeit von Nemorinos Liebe erkennt. Dieser ist ein totaler Romantiker, verträumt, teilweise sogar ein wenig weltfremd. Belcore, sein Kontrahent um die Gunst von Adina, steht dagegen mit beiden Füßen im Leben. Er sucht (und findet normalerweise) schnelle Dates, die nicht unbedingt lange währen müssen. Er verkörpert den von Errungenschaft zu Errungenschaft gehetzten modernen Mann.
Der Doktor und Gaukler Dulcamara wird in dieser Produktion zum Helfer von Amor oder Cupido, dem Gott der Liebe, den das Inszenierungsteam in einem kurzen lustigen Vorspann der Oper hinzugefügt hat. Die Liebesgeschichte wird dann von Amor erzählt und gezeichnet.

Natürlich bedarf es dabei eines so genialen Zeichners wie dem Italiener Joshua Held, dessen Cartoons die Handlung nicht nur illustrieren, sondern sich voll in die Handlung einfügen. Bühnenbild und Kostüme von Sebastian Ellrich sind in Weiss und Schwarz gehalten und bilden so das szenische Pendant zu den Cartoons. Die wenigen Farbkleckser in roter Farbe sind den Zeichen der Liebe vorbehalten: Herzen, Lippen, Rosen.
Ioan Hotea singt an diesem Abend den Nemorino, den er schon auf vielen großen Opernbühnen erfolgreich vorgetragen hat. Seine ausgeglichene Tenorstimme passt hervorragend ebenso zu dem verträumten Romantiker Nemorino als auch zu dessen Verzweiflungsmomenten.
Das Ziel seiner Begierde wird von Amelia Scicolone verkörpert. Deren klare Stimme zeichnet sehr gut die anfangs kaltherzige Adina, die erst im Laufe der Geschichte ihrer inneren Sehnsucht nach Liebe nachgibt. Dies drückt die Sopranistin aus in einer bewegenden Interpretation der Arie “Prendi, per me sei libero”.

Nemorinos Gegenspieler beim Kampfe um Adinas Herz wird von Giorgos Kanaris mit gepflegtem Bariton gesungen, der perfekt zum blasierten Belcore passt. Auch seine szenische Darstellung verkörpert den in Liebesabenteuer erfahrenen und normalerweise auch erfolgreichen Offizier perfekt.
Dulcamara wird interpretiert von Enrico Marabelli. Dessen Stimme erscheint leichter als diejenige von sonstigen Interpreten des Gauklers, passt aber hier sehr gut zum quirligen “Deus ex Machina”, der szenisch und gesanglich wie ein Wirbel über die Bühne fegt. Die Besetzung wird kompetent komplettiert von Carolyn Holt als Gianetta.
Der Chor des Theater Bonn, einstudiert von André Kellinghaus, singt gewohnt sicher und fügt sich auch szenisch vollkommen in die Inszenierung ein. Das Beethoven Orchester Bonn unter der Leitung von Hermes Helfricht spielt leicht und beschwingt. Einige wenige kleine Unsicherheiten zwischen Graben und Bühnen werden schnell geregelt und überspielt.
Beim Hinausgehen aus dem Saal sehe ich nur zufriedene und fröhliche Zuschauergesichter. Dieser Abend zeigt wieder einmal, dass Oper eigentlich der Unterhaltung der Zuschauer dient und nicht der Befriedigung des Egos mancher Regisseure. Das Produktionsteam dieses Abends hat dies perfekt verstanden und dafür gebührt ihm Applaus und Dank.
Jean-Nico Schambourg, 18. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Bertolt Brecht/Kurt Weill, Die Dreigroschenoper Theater Bonn, Opernhaus, 6. April 2025
Gaetano Donizetti, L’Elisir d’Amore, Valentina Nafornita, Benjamin Bernheim, Wiener Staatsoper.