Kein Kirchenkonzert – sondern ein wunderbares Konzert in der Kirche begeistert

Kammerorchester Ettenheim, Sebastian Breuninger/Stefan Krattenmacher   Stiftskirche Lahr, 6. Juli 2025

Ich möchte Ihnen wieder einmal aus der Provinz erzählen.

Wer mich ab und zu liest, weiß, dass ich gern bei Konzerten weile, die von nicht professionellen Orchestern gespielt werden. So auch dieser Tage. Das Programm war ambitioniert.

Peter Iljitsch Tschaikowski
Violinkonzert D Dur Op. 35

Franz Schubert
Symphonie Nr. 3 in D Dur

Kammerorchester Ettenheim

Violine: Sebastian Breuninger
Dirigent: Stefan Krattenmacher

Stiftskirche Lahr, 6. Juli 2025

von Kathrin Beyer

Es ist kein lauer Sommerabend, als ich mich aufmache, dieses Konzert zu besuchen. Kühl ist es und regnerisch, eine Erholung nach der Gluthitze, die hier in der Ortenau herrschte.

Ein Sommerkonzert ohne Sommerwetter, was bin ich erleichtert, soweit ist es schon.

Ich mag dieses Orchester, habe es schon oft gehört, es musizieren Berufs- als auch Amateurmusiker, letztere deutlich in der Überzahl. Sie spielen in der Regel ein bis zwei Konzerte jährlich und finden sich auch „nur“ für die Proben zu den Konzerten und die Konzerte zusammen. Ein Projektorchester, wenn man so will, eines, das auf hohem Niveau Musik macht.

Stefan Krattenmacher hat durch seine Arbeit als Instrumentenbauer, im Speziellen Kontrabässe, Kontakte zu Musikern europaweit. So spielen seit Jahren drei Künstler aus Norwegen und Großbritannien mit, auf  Bässen, die S. Krattenmacher baute. Ein bisschen große, weite Welt in unserem kleinen Lahr.

Und ebenfalls so, findet man Solisten hier, für die man andernorts viel Geld bezahlen würde.

Solist Sebastian Breuninger mit Dirigent Stefan Krattenmacherer © kammerorchester -ettenheim.de

Aktuell ist es Sebastian Breuninger, welcher seit 2001 erster Konzertmeister des Gewandhausorchesters Leipzig ist und der das Violinkonzert von Tschaikowski spielt. Er ist ein Publikumsmagnet, ich habe die Kirche noch nie so voll erlebt. Außer an Weihnachten vielleicht.

Und es liegt eine Vorfreude in der Luft, die ich an großen Häusern so offensichtlich und spürbar nicht erlebe. Da ist alles etwas gediegener. Außerdem kennt man sich hier in Lahr, tauscht sich aus, freut sich gemeinsam. Welch schöne Atmosphäre! Hier hat keiner Sorge, dass die eigenen Benimmregeln nicht ausreichen.

Bei der Uraufführung des Violinkonzertes, am 4. Dezember 1881 in Wien, gab es Tumulte, so liest man und dies nicht nur vor Begeisterung. Der Komponist widmete sein Werk ursprünglich Leopold Auer, der es als zu radikal und schwer ablehnte, denn die Schwierigkeiten in der Musik erfordern vom Solisten ein immenses technisches Können. Sebastian Breuninger plagen keine Versagensängste, er lehnte nicht ab und spielt furios. Er war eins mit sich, seiner Geige und der Musik. Ich bin verzaubert und bekenne, dass ich bisher kein großer Anhänger von Violinmusik war. Möglicherweise ändert sich dies ab jetzt. In der Kirche herrscht atemlose Stille und nach dem Ende durchaus eine (minimalistische) Form des Tumultes, definitiv aus Entzücken. Das Zusammenspiel mit dem Orchester gelang hervorragend, trotz nur einer gemeinsamen Probe.

In der Pause sagt eine Bekannte zu mir, dass sie während des Spiels das Atmen vergessen hätte, nein, nicht vergessen. Sie hätte einfach nicht geatmet, um ja jeden Ton, auch den höchsten und leisesten, zu hören. So kann man es sehr kurz und treffend zusammenfassen.

© kammerorchester-ettenheim.de

Nach der Pause geht es leichter weiter.

Die Symphonie Nr. 3 in D Dur von Franz Schubert komponierte dieser im Alter von zwanzig Jahren, jugendlich frisch und heiter. Die Leichtigkeit dieser Musik ist, nach der vorangegangenen Schwere, ein deutlich spürbarer Kontrast, auf den ich mich sehr gern einlasse.

Das Orchester ist nun auf sich gestellt, keine Ablenkung durch ein „Zugpferd“ auf der Bühne.

© kammerorchester-ettenheim.de

Die Musiker bringen die jugendliche Unbekümmertheit und Kraft, die in der Musik steckt, mit hohem technischen Können zum Ausdruck. Das ist höchst erfreulich, wenn auch nicht selbstverständlich, nimmt man nur einmal die Tatsache, dass für das Konzert etwa sechs Mal gemeinsam geprobt wurde. Wie viel Zeit jeder individuell in das Üben gesteckt hat, vermag ich nicht zu sagen. Was ich sagen kann, ist, dass es private Zeit ist.

Der größte Teil der Künstler geht einem Beruf nach, der nichts mit Musik zu tun hat.

Alle Proben finden in der Freizeit statt, nach einem langen Arbeitstag.

Ich habe allerhöchsten Respekt vor dieser Leistung. Und selbst wenn ich hier und da einen falschen Einsatz gehört hätte, würde ich es nicht petzen, denn darum geht es mir heute nicht.

Ich möchte dieses Orchester stellvertretend für all jene feiern, die uns Klassik liebende Menschen viel Genuss bereiten, in dem sie ihre Liebe zur Musik mit uns teilen und dafür ihre Freizeit nutzen.

Es war mir ein Vergnügen!

Kathrin Beyer, 8. Juli 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Erich Wolfgang Korngold, Die tote Stadt Opernhaus Zürich, 29. Mai 2025

Friedrich von Flotow, Martha Salzburger Landestheater, 3. Mai 2025

Giacomo Puccini, Madama Butterfly  Opernhaus Zürich, 29. Dezember 2024

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