Madama Butterfly in Zürich – großes Leid ist vorprogrammiert

Giacomo Puccini, Madama Butterfly   Opernhaus Zürich, 29. Dezember 2024

Zürich/Madama Butterfly © Toni Suter

Was für eine Tragödie! Was für eine Intensität! Was für ein Abend! 

Diese Geschichte ist eine furchtbar traurige und furchtbar aktuelle und furchtbar vermeidbare und, in Kombination mit der großartigen Musik, eine zu Herzen gehende.

Madama Butterfly
von Giacomo Puccini

Musikalische Leitung:  Marco Armiliato

Inszenierung:  Ted Huffman
Bühnenbild:  Michael Levine
Kostüme:  Annemarie Woods
Choreinstudierung:  Ernst Raffelsberger

Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich

Statistenverein am Opernhaus Zürich

 Opernhaus Zürich, 29. Dezember 2024

von Kathrin Beyer

Es ist tragisch, wenn eine beständig und aufrichtig liebende Frau auf einen oberflächlichen, triebgesteuerten Mann trifft, der die Hochzeit mit dieser 15-jährigen Japanerin nur als vorübergehende Ehe betrachtet, bis er eine Amerikanerin „richtig“ heiratet. Leider vergisst er, diesen Umstand mit seiner „nur vorübergehenden Ehefrau“ zu kommunizieren. Großes Leid ist vorprogrammiert. Diese Geschichte ist eine unendlich traurige und schrecklich aktuelle und furchtbar vermeidbare und, in Kombination mit der großartigen Musik, eine zu Herzen gehende.

Es ist ein beeindruckender Abend, der so besonders ist, wie es nur wenige davon gibt.

Viel Raum für die Sänger

Madama Butterfly ist die erste Inszenierung Ted Huffmans in Zürich und er hat seine Sache ausgezeichnet gemacht. Das Bühnenbild ist übersichtlich, dennoch (vielleicht auch gerade deshalb) sehr wirkungsvoll. Zunächst ist die Bühne ein großer, leerer, weißer Raum. Während der Ouvertüre kommt der Amerikaner Pinkerton in Japan an, bezieht „sein“ Haus, füllt es mit seinen wenigen Möbeln. Alles ist amerikanisch, bis auf eine kleine Truhe, die Butterfly ihr Eigen nennt. So muss es gewesen sein, früher, in der Zeit der Kolonialisierung.

Zürich/Madama Butterfly © Toni Suter

Es ist wohltuend, dass sich die Bühne ab jetzt nicht mehr verändert; Butterflys Leben spielt sich in diesem Haus ab.

Bühne und Kostüme sind so konzipiert, dass sie nicht vom Wesentlichen ablenken und den Darstellenden sehr viel Raum geben, sich und ihre Rolle zu entfalten. Ich denke, dass dies den Sängern und Sängerinnen sicher so einiges abverlangt, da der Zuschauende seinen Fokus ausschließlich auf sie legt. Gibt ja sonst nichts zu gucken! Ted Huffmans Inszenierung ist kein Kostümfest!

„Mit überwältigend schönen, ruhig abstrahierenden Bildern und großer erzählerischer Spannung überzeugte…“ (der Regisseur), las ich im Programm. Mich hat er damit definitiv überzeugt.

Zürich/Madama Butterfly © Toni Suter
Was für ein geniales Sängerensemble!

Allen voran Marina Rebeka als Cio-Cio-San. Wie kann jemand nur so göttlich singen, dass es mitten in die Seele trifft? Beim Einzug der Freundinnen überstrahlt ihre frische, unschuldige Stimme mit Leichtigkeit den Gesang der Frauen. Der 2. Akt ist atemberaubend, im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr langes, hoffnungsvolles Warten bringt sie in ihrer Arie so zuversichtlich und intensiv zum Ausdruck, dass das Publikum vollständig in ihren Bann gezogen wird.

Zürich/Madama Butterfly © Toni Suter

Als sie singt, dass sie lieber sterben würde, als wieder zu tanzen, konnte man eine Stecknadel fallen hören. Wenn es dem Ende zugeht und auch sie langsam den Gedanken zulässt, dass Pinkerton möglicherweise nicht zurückkommt oder als ihr klar wird, dass er da ist, aber mit seiner
„richtigen“ Frau, verdichtet sich die Atmosphäre so sehr, dass man im Publikum nicht einmal mehr ein Atmen hört.

Es ist eine bewegende und betroffene Stille, fast schon ein quälender Moment, da einem das schreckliche Unrecht, welches dieser sehr jungen Frau angetan wurde, sehr eindrücklich bewusst gemacht wird. Frau Rebekas Ausstrahlung ist sehr intensiv, ihre Bühnenpräsenz unglaublich und ihre Stimme glockenhell mit einer großen Strahlkraft. Ihr Sopran klingt wunderbar ausdrucksstark und zieht die Zuhörenden in ihren Bann.

Eine unglaubliche Leistung haben Sie vollbracht, Frau Rebeka! Sie haben mich zu Tränen gerührt. Die Standing Ovations für Sie sind durchaus angemessen.

Zürich/Madama Butterfly © Toni Suter

Judith Schmid gibt eine den japanischen Traditionen verbundene, zurückhaltende, mitfühlende und Unheil vorausahnende Suzuki. Ihre Versuche, ihre Herrin auf das drohende Unglück vorzubereiten, scheitern. Ihr Mezzosopran klingt in ihrem Gebet für ihre Herrin sehr dunkel und warm. Das Blütenduett gelingt wunderbar und in Anbetracht dessen, was sehr bald geschehen wird, erzeugt es tiefes Mitgefühl. Ihre Stimme ist sehr ausdrucksstark und hat ein angenehm dunkles Timbre.

Benjamin Franklin Pinkerton wird von Tomislav Mužek gesungen. Pinkerton ist kein Sympathieträger, aber hier in Zürich kommt er  sympathischer rüber, eher sehr unbedacht, gedankenlos, leichtsinnig und feige. Und übergriffig; keine Frage.

Er hat eine klare, leidenschaftliche und kraftvolle Tenorstimme. Pinkertons und Butterflys Duette sind ein Genuss. Ihrer beider Liebesarie Vogliatemi bene, un bene piccolino gelingt so grandios, die Szene gestaltet sich so sinnlich, dass es direkt ins Herz geht und ich für mehrere Momente die Luft anhalte. Empfindet Pinkerton tatsächlich nichts für Butterfly? Schwer vorstellbar. Singt er zu Beginn noch jovial und heiter alle Warnungen weg, hört man am Ende die Verzweiflung, die ihn befällt. Sehr wandlungsfähig!

Ausgesprochen gut gefällt mir Massimo Cavalletti als Sharpless. Von Beginn an tritt er in Haltung und Gesang als Mahner auf, sozusagen als Gewissen.

Duette mit Pinkerton sind herrlich anzuhören, sein dunkler, voluminöser Bariton klingt kraftvoll, warm und stark, erfüllt das ganze Opernhaus. Sehr beeindruckend ist die Szene, als er Butterfly den Brief vorlesen möchte, in dem steht, dass Pinkerton verheiratet ist. Ein gesanglicher Hochgenuss!

Nathan Haller hat Goro absolut rollendeckend verkörpert. Er hat eine wunderbare, warme und raumgreifende Tenorstimme.

Tatsächlich waren alle Rollen hervorragend besetzt.

Die Philharmonia Zürich zeigt einmal mehr ihre Klasse. Die großartige Leistung des Orchesters rundet diesen außergewöhnlichen Opernabend ab.

Nachdem sich im 2.Akt, insbesondere zum Ende hin, eine beklommene Stille im Publikum ausbreitet, die ich in dieser Intensität noch nie erlebte, erhebt sich nach Butterflys Selbsttötung, mit dem letzten Ton der Musik, frenetischer Beifall. Es fühlt sich an, als müssten die Zuschauenden ihre lang angestaute Betroffenheit mit Heftigkeit loswerden und natürlich ihrer Begeisterung Ausdruck verleihen. Das altehrwürdige Opernhaus bebt!

Es werden alle Mitwirkenden begeistert gefeiert.

Zürich/Madama Butterfly © Toni Suter

Für ihre Madama Butterfly bekommt Marina Rebeka Standing Ovations.

Schon auf dem Heimweg überlege ich, wie ich meine Empfindungen so beschreiben kann, dass Sie, liebe Leser und Leserinnen, das Besondere des Abends herauslesen können.

Ich komme zu dem Schluss, dass manches schlicht nicht zu beschreiben ist.

Sie kennen das sicher auch.

Ich wünsche Ihnen ein friedvolles neues Jahr mit vielen unbeschreiblich schönen Momenten!

Kathrin Beyer, 30. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Giuseppe Verdi, Un ballo in maschera Opernhaus Zürich, 28. Dezember 2024

CD-Blu-ray-Rezension: Giacomo Puccini Madama Butterfly klassik-begeistert.de, 21. Dezember 2024

Giacomo Puccini, Madama Butterfly, Tragedia giapponese in drei Akten Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 1. Mai 2024

Giacomo Puccini (1858 – 1924), Madama Butterfly Staatsoper  Unter den Linden,  Berlin, 21. Februar 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert