Aida Verona 2025 (Foto privat): María José Siri und kb-Autor
Dr. Charles E. Ritterband in Verona.
Als 2023 die aufsehenerregende Jubiläums-Neuinszenierung der „Aida“ in der römischen Arena von Verona von Stefano Poda mit allen nur erdenklichen Effekten, reichlich Laserstrahlen in allen Farben und in alle Himmelsrichtungen, metallisch silberglitzernden Kostümen, einer beweglichen Riesenhand (siehe „Rigoletto“, Bregenz 2019), einem Heer von unerklärlichen Händen auf Stöcken und einem gigantischen silbernen Luftballon, der über der Bühne auf und ab schwebt, in Szene gesetzt wurde, war ich skeptisch.
Giuseppe Verdi, Aida
Musikalische Leitung: Daniel Oren
Inszenierung: Stefano Poda
Chor und Orchester der Fondazione Arena di Verona
Festival dell’Arena di Verona, 10. August 2025
von Dr. Charles E. Ritterband
Ich fand wenig Gefallen an diesem überwältigenden Spektakel und sehnte mich nach der nostalgischen „Aida“ mit bunten Tempelsäulen à la Luxor und pharaonischen Fantasiekostümen zurück, so wie dies vor genau einem Jahrhundert, am 10. August 1913 in der Arena inszeniert worden war und seither dem Publikumsgeschmack Hunderttausender von Touristen aus aller Welt Genüge tat.
Doch diesmal war es anders – vielleicht lag es am optimalen Sitzplatz, leicht erhöht über den teuren Parkettplätzen, erste Reihe der Stufen und vor allem genau in der Mitte. Diesmal empfand ich das Aida-Spektakel, das zwei Jahre zuvor das Rampenlicht der Arena erblickt hatte, als visuell großartig und höchst kreativ. Natürlich, das atemberaubende Spektakel dominierte, aber der musikalische Aspekt – vor allem das präzise, großartig triumphal und dann wieder subtil intonierende Orchester unter dem bewährten israelischen Verdi-Spezialisten Daniel Oren war dem visuellen gleichwertig.
Solistinnen und Sänger brillierten – allen voran die glänzende Aida der Uruguayerin María José Siri. Im persönlichen Gespräch in der nahen Trattoria, in welche jeweils gemäß einem alten Ritual die Stars nach der Vorstellung unter dem Applaus der Gäste wie in einem kleinen Triumphmarsch Einzug halten, fragte ich Frau Siri nach der legendären Nil-Arie – und erhielt folgende Antwort: Sie bejahte, dass diese eine der anspruchsvollsten Sopran-Arien des gesamten Repertoires sei. Wenn man die Nil-Arie bewältigt habe, könne man alles, gab die uruguayische Sopranistin zu Protokoll: dies sei gewissermaßen die hohe Schwelle, die man passieren müsse.
Yusif Eyvazov, den ich bereits in früheren Jahren als Radamès gehört hatte und von dessen Interpretation wenig begeistert war, hat sich merklich verbessert – das Publikum spendet ihm jedenfalls für seine tenorale Interpretation des so verhängnisvoll verliebten Helden warmen, ja begeisterten Applaus. Tenoraler Schmelz war reichlich vorhanden, auch Stimmstärke, welche die gigantische Arena mit ihren rund 15 000 Sitzplätzen problemlos und in bester akustischer Qualität (in Verona kommen – im Gegensatz zu Bregenz und Sankt Margarethen im Burgenland – keine Mikrophone und Lautsprecher zum Einsatz) wiedergibt.

Die Amneris der polnischen Mezzosopranistin Agnieszka Rehlis war mit ihrer herrlich timbrierten Stimme eine kongeniale Partnerin (oder besser: Rivalin) für die Aida der Sopranistin María José Siri. Den musikalischen Höhepunkt erreichte die Aufführung im letzten Akt, beim Terzett der drei Protagonisten. Verdienten Applaus erhielt der vollendete koreanische Bariton Youngjun Park als Amonasro mit seiner warmen, tragenden Stimme.

Das Problem dieser an sich großartigen, wenngleich zahlreiche unbeantwortete Fragen aufwerfenden Inszenierung des italienischen Regisseurs Poda ist die Konzentration auf eine Vielzahl von Massenszenen, technischen Effekten, Farben und vor allem Gigantismus.
Was dabei völlig untergeht ist die Interaktion der Hauptfiguren, die man in der unglaublichen Masse von Statisten und Choristen regelrecht suchen muss – was zumeist nicht gelingt. Ob es eine Interaktion zwischen den zentralen Akteuren gibt bleibt schleierhaft, und was sie bedeutet ebenfalls.
Ich mache jede Wette: Wer im Publikum mit der Handlung der „Aida“ nicht völlig vertraut ist oder sich zumindest diese im Programmheft vergegenwärtigt hat, wird aus dieser Inszenierung nicht schlau werden. Immerhin hält sie jedermann von der ersten bis zur letzte Note in Atem.
Dr. Charles E. Ritterband, 10. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Aida: María José Siri
Amneris: Agnieszka Rehlis
Radamès: Yusif Eyvazov
Pharao: Ramaz Chikviladze
Ramfis: Simon Lim
Amonasro: Youngjun Park
CD-Besprechung: Giacomo Puccini, Tosca, Arena di Verona 11. November 2024
Giuseppe Verdi, Aida Arena di Verona Opera Festival, 2. August 2023
Nachbericht: AIDA, Giuseppe Verdi Arena di Verona, NI vom 8. September 2023