Ich werd’ zu Gollum: Das Archiv der Salzburger Festspiele ist ein Schatz, den ich behalten will

Salzburger Festspiele Archiv  Archiv der Salzburger Festspiele, Salzburg, 8. August 2025
Salzburger Festspiele Archiv © Frank Heublein


Ich erfahre das Archiv der Salzburger Festspiele als ein Speicher voller Geschichten, Kunst und Anregung. Zudem als Motor erschaffender neuer Kunst. Ein Ort der Begegnung. Eine Reise wert!

Archiv der Salzburger Festspiele, Salzburg, 8. August 2025

von Frank Heublein

Margarethe Lasinger, die Leiterin des Archivs der Salzburger Festspiele, öffnet das Schloss und lässt einen der großflächigen Ablagen hervorgleiten. Sanft entfaltet sie das Seidenpapier und mich bitzelt’s. Das originale Textbuch der Inszenierung von Max Reinhardts Jedermann liegt vor mir.
Die Ursuppe der Salzburger Festspiele. Ich bin so und sehr nah dran. Es umfängt mich ein künstlerisch-kreativer Hauch, von dem ich wünschte erfasst zu werden.

Margarethe Lasinger © Salzburger Festspiele / Foto: Neumayr/Leo

Im Raum nebenan der noch nicht aufbereitete Nachlass Gusti Adlers, der engsten Mitarbeiterin Max Reinhardts in Salzburg. Fotografische Glasplatten des Fotostudios Carl Ellinger, die die ersten gut fünfzig Jahre der Festspiele dokumentieren. Dahinter steht Betty Steinhart, das Phantom der Festspiele. Bedauerlicherweise ist die sechsteilige – toll gemachte – Serie derzeit nirgends abrufbar.

links Gruberovas Kostüm der Königin der Nacht aus der Zauberflöte 1979, rechts Pavarottis 1983er Idomeneo Kostüm © Salzburger Festspiele / Foto: Neumayr/Leo

Das Kostüm, das Luciano Pavarotti als Idomeneo 1983 trug, daneben das Kostüm der Gruberova als Königin der Nacht. Netrebko, Eidinger, der Thronstuhl in dem Simonischek saß. Das Fahrrad der die Buhlschaft spielenden Hobmeier. Die großen Namen ballen sich in mir zusammen. Nur noch einen Moment, meine ich, bin ich entfernt, dann sehe ich die Menschen singend, spielend vor mir.

Die Distanz des Zuschauers zur Bühne, hier wird sie aufgehoben, ist anfassbar. Das ist die eine Aufgabe des Archivs. Die Salzburger Festspiele noch näher an sein Publikum zu bringen. Die Geschichte dieser für die Kunst weltweite bedeutsame Institution zu präsentieren. War das Archiv früher in den Räumen zu finden, die dem neuen Festspielzentrum am Herbert-von-Karajan-Platz wichen, ist das Archiv seitdem in der ersten Biedermeier Villa der Stadt, der sogenannten Kommandantenvilla in der Neutorstraße 25 untergebracht.

Seit der Eröffnung 2024 ist es öffentlich zugänglich. In der Geschichte der Salzburger Festspiele können Sie auch digital stöbern. Ausgangspunkt der Neuaufstellung des Archivs, so die Leiterin Margarethe Lasinger, war die Landesausstellung zum hundertjährigen Jubiläum der Festspiele 2020.

Das Team des Archivs der © Salzburger Festspiele / Foto: Andreas Kolarik

Der Zugriff auf die Geschichte der Salzburger Festspiele hat neben der öffentlichen physischen Zugänglichkeit eine digitale Komponente. Die zweite Aufgabe, die durch das Team des Archivs vorangetrieben wird. Die digitale Bereitstellung von allen Programmen, Publikationen und Plakaten. Letztere werden gerade aufbereitet. Genauso wie Kostümskizzen. Ein besonderes Teilprojekt ist die 3D-Digitalisierung von Kostümen aus vier außergewöhnlichen Produktionen: Der Rosenkavalier von 1960 von Hartmann unter Karajan. Ponnelles Zauberflöte aus den 1970er Jahren und auch die Inszenierung desselben Stücks von Achim Freyer 1987. Die Ausstattung von The Rake’s Progress durch Jörg Immendorff 1996 ist die vierte ausgewählte.

Eine dritte Aufgabe ist eine wissenschaftliche. Das Symposion Aura – Mythos – Zuschreibung reflektiert die österreichischen Schlüsseljahre 1945, 1955 und 1995. 1945 wurden auf amerikanische Anweisung „sofort nach Kriegsende“ wieder Festspiele aufgeführt. Schon allein, da die sowjetische Siegermacht in Wien ebenfalls das kulturelle Leben förderte. 1955 die Staatsgründung der Republik Österreich und 1995 der Beitritt Österreichs zur europäischen Union. Das Symposion wird flankiert durch eine Fotoschau Ausstellung.

Die vierte Aufgabe ist die edelste. Aus der Kunst der Vergangenheit, mit dieser Kunst neue zu schaffen. Kunst, die aus früherer entsteht. Zugleich Rückblick, Fortsetzung, Antwort und Neuerung. Die Re-Produktion, das Wiedererstehen Max Reinhardts letzter Produktion in Salzburg, Goethes Faust. Gleichzeitig die erste in der Felsenreitschule. Das ist das Projekt „Faust 2023“. Eine Zusammenarbeit mit der Linzer Ars Electronica. Die Erfahrung im virtuellen Raum (Virtual Reality / VR) kombiniert mit dem physischen Raum der Bühne der Felsenreitschule. Die Besucher sind von Ausstattungsstücken umfangen und werden in einer zehnminütigen VR-Performance zum Teil des Stücks. 2026 wird die in 2023 entwickelte Führung wieder aufgenommen.

Ein Tisch aus einer Jedermann Produktion, an dem jedermann im Archiv sitzen darf © Salzburger Festspiele / Foto: Neumayr/Leo

Daneben gibt es Artist-in-Residence Programme. Iz Paehr wird, ebenfalls in Kooperation mit Ars Electronica, Kostüme für einen non-visuell-audio-Zugang rekonstruieren.

Ein zweites Residency-Programm trägt den Titel „Urban Digital Twins for the Salzburg Festival“. Die in Wien lebende Künstlerin und Architektin Merve Sahin entwickelt „Merging Visions“, eine architektonische Auseinandersetzung von Stadt und Natur. Der Schweizer Künstler Mats Staub produziert ein Erinnerungsbüro. Festspielbesucherinnen und Festspielbesucher der Jahrgänge 1975 bis 2005, die Interesse haben, sich an dem Projekt zu beteiligen, können sich hier anmelden. Werden Sie Künstler und Künstlerin. Denn Sie werden als Publikum auf die Bühne gebracht. Aus Ihrer Kunsterinnerung entsteht neue Kunst.

Dann mal los. Entdecken Sie die Salzburger Festspiele und sich selbst gleich ein bisschen mit.

Frank Heublein, 17. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Peter Eötvös, Drei Schwestern Felsenreitschule, Salzburg, 8. August 2025 PREMIERE

Festakt zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 2025 Felsenreitschule, 26. Juli 2025

Georg Friedrich Händel, Giulio Cesare in Egitto Haus für Mozart, Salzburg, 26. Juli 2025

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