Macbeth 2025 © SF Ruth Walz
Diese Verdi-Macbeth zur feierlichen Abschiedsrunde der Salzburger Festspiele 2025 gehörte eigenhändig der sopranistischen Heldin des Abends, Asmik Grigorian. Nicht weniger eindrucksvoll geriet Krzysztof Warlikowskis packende Regie, und auch Philippe Jordan erhob das Orchester in wolkige Verdi-Höhen!
Macbeth
Musik von Giuseppe Verdi
Libretto von Francesco Maria Piave und Andrea Maffei nach William Shakespeare
Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 29. August 2025
von Johannes Karl Fischer
Im Publikum war von der „größten Opernsensation seit Maria Callas“ die Rede, das war auf jeden Fall ein Abend für die musikalischen Geschichtsbücher! Keine Ahnung, wie viele der heute Anwesenden die wahrscheinlich berühmteste Gesangslegende des Jahrhunderts noch gehört haben werden, ein paar bestimmt, egal. Frau Grigorian jedenfalls stürzte sich mit Eifer und Inbrunst in die Partie der Strippenzieherin und riss das Publikum mit ihrem thronenden Sopran in die stürmischen Emotionen ihrer Rolle.
Schon von der ersten Note an fegte sie die volle Macht ihrer Melodien atemberaubend in den Saal. Man spürte das kaltblütige Herz der Lady Macbeth in die musikalische Seele einstechen, die Sopranistin ließ nicht den Hauch eines Zweifels an der ruchlosen Machtgier ihrer Rolle bestehen. Selbst in der mittlerweile einsamen Asmik-Grigorian-Liga war das eine absolute Sensationsleistung, da muss sich nicht nur die Verdi-Konkurrenz sehr warm anziehen!

Nicht weniger eindrucksvoll geriet allerdings Krzysztof Warlikowskis sensationell mitreißende Inszenierung, welche das Werk an allen Enden und Ecken gänzlich im 21. Jahrhundert ankommen ließ. Wie bereits in seiner Elektra und Salome setzte der Regisseur alle Mittel des regietechnischen Gesamtkunstwerks ein, vor allem mit wohldosierter Verwendung der Videokunst und packender Personenregie ließ er einen in die Dramatik dieser hochaktuellen Handlung eintauchen. Das hätten hier glatt auch Putin oder Trump anstatt Macbeth sein können… Zum inszenatorischen Highlight wurden wohl die kleinen Bancos, die meisterhaft wie kleine Geister Macbeth sehr bildlich in sein Schicksal verfolgten.

In der Titelpartie glänzte Vladislav Sulimsky mit einer emotional durchdachten wie souveränen Bariton-Leistung. Sein Macbeth sang die Verdi-Melodien auf ganzer Linie melodisch rund doch emotional aus… und stolperte ganz wie aus der Handlung hervorgehend stets seinem Ende entgegen. Stimmlich bot er seiner Frau ordentlich die Stirn, charakterlich warf sich der Möchte-gern-Titelheld ihr zu Füßen und konnte sich am Ende kaum noch vom Boden erheben. Das ist eben Macbeth. Charles Castronovo sang einen kämpferischen Macduff, eindrucksvoll und mühelos stemmte er seine Melodien aus der Partitur. Jede Verdi-Oper braucht einen souveränen Tenor, der war mit Herrn Castronovo stimmlich wie szenisch klar am Ort!

Bärenstark meisterte auch Tareq Nazmi den Banco, seine Stimme resonierte ordentlich im Saal und ließ die Furcht vor der herrschenden Lady Macbeth durch die Ränge fegen. Natalia Gavrilan sang eine sehr passionierte Kammerfrau und konnte mit ihrer stimmlich thronenden Vorgesetzten ordentlich mithalten. Auch die restlichen Nebenrollen waren gewohnt stark besetzt, vor allem Trevor Haumschilt-Rocha hinterließ einen bleibenden und stimmlich starken Eindruck in der Mini-Rolle des Dieners Macbeth. Als würde er sich hier für seinen nächsten Macbeth warm singen…
Nicht zuletzt setzte Philippe Jordan an der Spitze der Wiener Philharmoniker die Krone auf diesen atemberaubenden musikalischen Festspielabend. Makellos präzise und kraftvoll spielten die Musiker unter seiner Leitung alle Feinheiten des frühen Verdis aus, mit einem magischen Gespür für diese Musik erhob er die Partitur in die wolkigen Höhen der deutlich reiferen Klänge eines Falstaffs oder Don Carlos.
Letzteren hat Herr Jordan übrigens mit ebenso thronendem Erfolg erst in Wien dirigiert, vielleicht sollte man ihm mal ein wenig mehr italienisches Repertoire überlassen? Eine Prise Wagner-Wotan scheint dem Verdi nicht zu schaden…
Auch der Chor erledigte seine Rolle mehr denn souverän und stand dem insgesamt haushohen gesanglichen Niveau der Soli um nichts nach! Ein besonderes Lob verdiente an diesem Abend der Kinderchor und die Kinderstatisterie, welche beide einen außergewöhnlich großen Anteil des Werks auf ihren Schulten trugen und an dem künstlerischen Erfolg dieser Regie maßgeblich beteiligt waren.
Zurecht gab es für sie einen fulminanten Applaus, vielleicht sieht man ja den einen oder die andere in ein paar Jahrzehnten als Herr oder Lady Macbeth auf der Bühne…
Mit dieser sensationellen Verdi-Macbeth neigt sich das Opernprogramm der diesjährigen Salzburger Festspiele krönend dem Ende zu… und um die Jahrhundert-Sopran-Sensation namens Asmik Grigorian werden sich wohl alle Häuser buhlen müssen! Abgesehen davon: Bitte mehr Warlikowski auf die Bühnen bringen. Dann werden auch die zukünftigen Generationen weiter oder besser gesagt wieder die Opernhäuser füllen!
Johannes Karl Fischer, 29. August 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD/Blu-ray Besprechung: Giuseppe Verdi, Macbeth Klassik-begeistert.de, 25. Juli 2024
Richard Strauss, Elektra Staatsoper Hamburg, 13. November 2024
Salome, Oper von Richard Strauss Staatsoper Hamburg, 15. November 2023
„Bitte mehr Warlikowski auf die
Bühnen bringen!“
Was für ein Wunsch! Bitte nicht!
Vielmehr sollten mehr Opern konzertant angeboten werden,ohne störende Regie.
Ob Warlikowski und andere Regisseure
solchen Kalibers die junge Generation in die Oper bringen werden, sei dahingestellt. Ich persönlich glaube es nicht. Denn werden die jungen Leute von zu Hause oder in der Schule mit dieser Musik nicht schon vertraut gemacht und können mit den Namen der Komponisten rein gar nichts anfangen, wird auch die modernste Inszenierung ihre Liebe dazu nicht entfachen. Noch viel schlimmer ist aber, dass diese junge Generation die Opern nie so kennenlernen werden, wie sie ursprünglich vom Komponisten gedacht und erzählt werden sollten.
Die Geschichte nie so sehen werden, wie sie dem Komponisten als Vorlage diente und zu diesen wundervollen Melodien inspirierte. Es wird stattdessen eine neue Geschichte erzählt, die der Komponist so nicht sah. Unterhalten sich zwei Generationen über eine Oper, wird sich der eine über die Inhaltsangabe des anderen wundern und sich fragen, ob es sich wohl um das gleiche Stück handelte oder sie in unterschiedlichen Opern gewesen wären. Müssten dann folgerichtig die alten Meister im Museum nicht auch übermalt werden, weil das Dargestellte heute nicht mehr so vorzufinden ist!
Nicht auszudenken. Keiner würde die Kunstwerke mehr im Original zu Gesicht bekommen. In der Oper scheint das aber legitim zu sein. Ja sogar lobenswert.
Ich kann die Worte der Intendanten nicht mehr hören: „Wir haben die besten Regisseure dazu gewinnen können.“ Was da als „beste“ deklariert wird, ist mir schleierhaft.
Leider leiden auch die Musik und der Gesang unter diesen Inszenierungen. Beides kann nicht mehr berühren oder erschüttern. Auch dadurch,dass so viel auf der Bühne zu passieren hat, dass es von der Musik und dem Gesang und deren Aussage viel zu sehr ablenkt.
Letztere ist in der Musik eindeutig festgelegt und ausgedrückt und muss nicht visualisiert werden. Gesetzt den Fall, man hört richtig hin. Man kann sich nicht mehr auf das Wesentliche konzentrieren, weil das Auge zwangsläufig dorthin folgt, wo sich etwas bewegt. Und sei es noch so unsinnig. Doch die heutige Regisseure sind der Meinung „Viel hilft viel“, was natürlich völliger Blödsinn ist. Außerdem wollen sie sich selbst verwirklichen, statt dem Werk und der Musik zu dienen.
In einer Oper sollte die Musik im Mittelpunkt stehen, aber nicht das
Drumherum überbewertet werden.
Doch ist unsere heutigen Gesellschaft leider so, dass sie in erster Linie „sehen“
will, anstatt zu „hören“. Diese Sicht hat auch einer der größten Dirigenten
unserer Zeit, Riccardo Muti, und er betrauert es sehr. Das führte leider auch dazu, dass er keine szenischen Opern mehr auf die Bühne bringen will. Ein konservativer,rückschrittlicher Dirigent ist er aber deshalb in keinster Weise.
Ich besuchte am 20.08.25 die Oper
„Macbeth“, eine abs. Lieblingsoper von mir, obwohl ich mir schwor, sie in dieser Inszenierung nicht sehen zu wollen.
Ich wollte mir das Bild meiner 2011 erlebten absolut exemplarischen
Produktion und musikalischen Qualität in der Felsenreitschule unter Maestro Muti nicht kaputt machen lassen.
Doch da ich Verdi sehr liebe, ließ ich mich dann doch darauf ein. Auch wenn ich es nur als „Beiwerk“ zu meinen 3 Konzerten mit Muti betrachtete.
Aber es bestätigte mich wieder in meinem Grundsatz: Szenische Oper, ob in Salzburg oder anderswo, ist für mich inzwischen das absolute „No Go“.
Hier waren alle Punkte abgearbeitet, die
gegen ein überwältigendes und erfüllendes Opernerlebnis sprechen und zwar mehrfach und zu gleicher Zeit.
Die Musik musste untergehen.
Permanente Verdoppelung des Geschehens durch Filmprojektionen oder Sichtbarmachung von Geschehnissen, die man normalerweise nicht zu Gesicht bekommt. Wozu??
Es bringt, wie schon erwähnt, eine viel zu große Ablenkung vom Eigentlichen.
Zusätzlich noch quer über die riesige Bühne eine Art Brücke oder Übergang, auf der sich ebenso ständig etwas abspielt. Das Auge blickt dort hin statt sich auf den gerade singenden Protagonisten zu konzentrieren. Mit einem Wort: Viel zu viel Firlefanz,
der völlig unnötig ist und nicht zum Verständnis der Oper beiträgt.
Vielleicht sollte der Besucher sich im Vorfeld noch mit der Handlung vertraut machen, damit er das Stück eventuell noch erkennt. Das einzige Erkennungs-
merkmal ist ja oft nur noch die Musik
und man könnte ohne Witz sagen:
„Keine Einzelheiten, welches Stück“.
Natürlich kann man die Augen schließen,aber das ist für mich nicht Sinn der Sache, wenn ich in eine szenische Aufführung gehe. Es ist durchaus möglich mit weniger Mitteln und klugen Ideen zur Unterstützung der Handlung eine nicht gegen das Libretto
arbeitende Produktion zu schaffen, die das Ganze zu einem gelungenen und überzeugenden Ganzen führt.
Was der ach so tolle Regisseur in seinem Überschwang, mit Gewalt der Oper seine Interpretation aufzuzwingen, meist vergißt, ist, dass der Text zu dem Dargestellten gar nicht mehr paßt.(Vielleicht versteht mancher auch die Sprache des Librettos nicht – die Partitur kann er meist sowieso nicht lesen) Eigentlich müßte er ihn anpassen. Aber dann wäre es besser, gleich eine neue Oper zu schreiben. So ergab sich mehr oder weniger unfreiwillige Komik, als in letzten Akt die Nachricht an Macbeth überbracht wird: „È morta la Regina“, er aber genau neben der noch gar nicht toten Lady am Boden liegt.
Weiters als diese und ihr Mann auf zwei
Stühlen zur Hinrichtung gefesselt werden, die aber nicht zum folgerichtigen und sichtbaren Ergebnis führt. Zumindest Lady Macbeth scheint noch beim Absenken des Bühnenvorhangs recht munter zu sein.
Bin ich nun in einer Parodie oder Komödie gelandet? Erschüttert und berührt hat mich das Ganze schon gar nicht. Eher im Gegenteil.
Die Musik eines großen Komponisten zu nehmen und dazu eine andere Geschichte, als im Libretto steht, zu erzählen,ist einfach, aber nicht von allen gewollt. Schade um die schöne Musik und das Geld.
Verdi wünschte sich zwar eine Lady mit einer nicht schöne, hohlen Stimme, aber keine hohle Inszenierung!
Freundliche Grüße,
Sabine Jesch