Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Omer Meir Wellber © Matthias Baus
Mit einem künstlerisch lebendigen Programm um Beethoven und Bruckner eröffnete Omer Meir Wellber seine Staatsorchester-Amtszeit und knüpfte geradewegs an die Ära Gustav Mahler an. Sichtlich eifrig und entfesselt stürzte er das Orchester in die Partituren, weiter so!
Elbphilharmonie, Hamburg, 15. September 2025
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Omer Meir Wellber, Dirigent
Stephen Hough, Klavier
Werke von Ludwig van Beethoven, Stephen Hough und Anton Bruckner
von Johannes Karl Fischer
Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so viel Spaß bei einem Konzert des Hamburger Staatsorchesters hatte. Schon die Einleitung zum dritten Beethoven’schen Klavierkonzert fegte frisch und fetzig durch den Saal, die Noten sprangen von den Saiten und weckten mit namenloser Freude brennende Begeisterung für die Musik. Auch die Musiker spielten auf einmal frei, freudig, wie entfesselt!
Allein die musikalische Darbietung des Abends war hier um ein Vielfaches lebhafter, spannender und musikalisch wegweisender als alle Nagano-Elektras und Salomes summiert. Am Pult rührte Herr Wellber mit seinen Händen eifrig um sich durch die Partitur, als würde er selbst bis in die zweite Fagottstimme jede Note persönlich aus dem Orchester zaubern. So lebendig hat man Beethoven in diesem Saal schon lange nicht mehr gehört!
Im vollen Geiste der musikalischen Aufbruch-Ära gab’s erstmal einen kleinen Schnack mit dem neuen Nachfolger Gustav Mahlers. Gestern Abend hat er noch auf St. Pauli Akkordeon gespielt. Auch im Fußball-Stadtderby hat er einen klaren Favoriten, St. Pauli natürlich. Großer Beifall folgte, die HSV-Fans waren deutlichst in der Unterzahl. Die Preisfrage: „Beethoven oder Bruckner?“ Letzteres natürlich! Zu neuen Taten, teurer Herr Wellber!
Am Pult stürzte der neue Chefdirigent das Staatsorchester sichtlich eifrig in die Partitur, saugte den ganzen Saal samt Stühlen und Programmheftzettel in den Strudel der Melodien. Vor diesem Hintergrund spielte der Solist die Klavierstimme erstaunlich zurückhaltend. Seine Läufe perlten makellos und technisch fein über die Tasten, doch schon die Eingangsläufe im Kopfsatz dämpften Wellbers Einleitungsfeuerwerk mindestens ein wenig ab. Auch gut, ein bisschen die glanzvolle, edle Seite dieser Partitur durch die Luft strahlen lassen. Oder einfach eine andere Art des Aufbruchs als Ausgleich…
Mit Spannung blickte der Saal nun auf Houghs Uraufführung zwischen Beethovens beiden Ecksätzen. Völlig schwerelos schwebte die Musik von dem klassischen Originalwerk in eine Hommage an den wohl größten Kompositionsgott aller Zeiten. Wer hier ein „ich stelle die Musik auf den Kopf“ befürchtete, nein. Die tiefsinnigen, ruhevollen Hornklänge riefen einen Hauch Wagner hervor, ein paar ungewohnte Dissonanzen schlichen hier und da durch die Streicher. Einmal quer durch die Welt der Beethoven-Verehrer, am Ende segelten immer wieder Schnipsel der Kopfsatzmotive ins Ohr.
Ob ich das nun jedes Mal so hören möchte? Das weiß ich nicht. Wohl aber gehörte dieser äußerst inspirierende, originelle Klang zu den wohl spannendsten Konzerterlebnissen der letzten Jahre. Weiter so, da habe ich auf einmal wieder Lust mir die ganzen Beethoven-Klassiker durchzuhören. So knüpft man geradewegs an die Ära Mahler an, großartig! Der ehemalige Hamburger GMD und zugleich erster Symphoniegott der Post-Beethoven-Zeit hatte es mit den Uraufführungen seiner Symphonien übrigens auch nicht immer leicht, so viel sei gesagt.
Nach der Pause gab es noch Bruckners 7. Symphonie, ganz aus der Feder des Komponisten. Auch hier sorgte der neue Hamburger Chefdirigent für Furore, ließ die himmlische Kraft dieser monumentalen Musik mit eifriger Freude durch den Saal rollen. Sonnenhell wärmten die strahlenden E-Dur-Klänge den eher trüben Hamburger Septemberabend auf, auch die ewigen Melodien der Wagnertuben im zweiten Satz atmeten mit Ruhe durch den Saal. Mühelos entschlüsselte Herr Wellber diese ohne domorganistische Ausbildung manchmal etwas schwer zugängliche Musik und führte das Publikum in die Tiefen des magischen Bruckner-Klangzaubers!
Entgegen jeglicher Skepsis gegenüber der Überschreibung eines Beethoven-Werks leuchtete an diesem Abend ein neues Musiklicht über dem Hamburger Opernhimmel! Einziges Manko: Um 22:30, zweieinhalb Stunden nach dem Eingangsapplaus, war das Publikum spürbar erschöpft und ready to go, entsprechend auch die Stimmung beim Schlussapplaus. Zu lang das Programm.
Nur Herr Wellber lief ohne Anzeichen von Müdigkeit über die Bühne, den Orchestersolisten gratulierte er persönlich. Weiter so!
Johannes Karl Fischer, 16. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Die Hamburgische Staatsoper: Aufbruch zu neuen Ufern, Spielzeit 2025/26 Hamburg, 5. März 2025