Michael Spyres’ doppelte Spitzenkarriere nimmt Fahrt auf 

Symphoniker Hamburg, Sylvain Cambreling, Dirigent, Michael Spyres  Laeiszhalle Hamburg, 6. November 2025

Jacquelyn Wagner, Diana Haller, Michael Spyres, Sylvain Cambreling, Hans Jürgen Schatz © Daniel Dittus

Selten war die Laeiszhalle so aus dem Häuschen wie bei dieser glanzvollen Symbiose von Manns Zauberberg und Verdis Zauberwelt. Michael Spyres sang gleich mehrere Schlager-Arien aus dem Tenor- und Bariton-Repertoire, sensationell jonglierte er Stimmfächer und Stile auf der Bühne!

Symphoniker Hamburg
Sylvain Cambreling, Dirigent

Hans-Jürgen Schatz, Rezitator, Einrichtung

Jacquelyn Wagner, Sopran
Diana Haller, Mezzosopran
Michael Spyres, Tenor und Bariton

Werke von Giuseppe Verdi, Jacques Offenbach, Gioachino Rossini, Richard Wagner, Claude Debussy, Charles Gounod, Georges Bizet und Franz Schubert

Laeiszhalle Hamburg, 6. November 2025

von Johannes Karl Fischer

Operngalas gehören meistens nicht zu den Sternstunden der Klassik-Szene, zu viele abgespielte Schlager-Arien und sinnfrei aneinander gereihte Kassenknaller. Ganz anders fiel das Urteil bei dieser wunderbar konzipierten, durchdachten und von Thomas Mann begleiteten Reise durch alle Ecken der Opernwelt: Zwischen Zauberberg und Verdis Zauberwelt glänzte diese Symbiose von Literatur und Tonkunst. Selten war die Laeiszhalle so aus dem Häuschen, das anfängliche Gelächter über die fließenden Übergänge von Manns unendlicher Literatur und Verdis fast unendliche Melodien wich einem Meer an begeisterten Bravi-Rufen!  

Die äußert kunstvoll gestaltete Mann-Lektüre erzählte Hans-Jürgen Schatz lebhaft und locker, als wäre es ihm und dem wohl bedeutendsten Schriftsteller der jüngeren deutschen Literaturgeschichte gerade als Konzertnarration eingefallen. Hans Castrop stellte seine Lieblingsplatten vor, der Grammophon durfte natürlich nicht fehlen. Man fühlte sich wie in Manns südkalifornischer Pazifik-Villa zu Hause, solch einen kreativen und inspirierenden roten Konzertfaden hat die Klassik-Welt schon lange nicht mehr gesehen!

Sylvain Cambreling, Hans Jürgen Schatz © Daniel Dittus

Michael Spyres springt von Wagner zu Figaro

Die Musikalische Goldmedaille des Abends ging an den Tenor und Bariton des Abends Michael Spyres. „Niemand kann alles“ urteilte einst Peter Sommeregger über Jonas Kaufmann… oh doch, da hat der Kollege wohl Michael Spyres noch nicht auf dem Schirm gehabt! Mit seiner beispiellos wandelbaren, vielseitigen Stimme sprang er mühelos zwischen Stimmlagen und Stilen umher, wie ein gesanglicher Zehnkämpfer, der in fünf Disziplinen gleich noch Einzelweltrekorde holt. Die kraftvollen Höhen des Rodolfos, den kampfeslustigen Radamès und die lyrischen Tiefen des Eschenbachs meisterte er souverän und brachte jede Rolle höchst individuell über die Bühne.

Michael Spyres, Sylvain Cambreling © Daniel Dittus

Der von Wagner ewig gehasste Rossini – heute in Form von Figaros Schlager-Arie vertreten – wurde für den prädisponierten Tristan-Helden zu einem regelrechten Triumphzug. Spyres’ Stimme spielte mindestens vier kecke Facetten des glücklichsten Menschen Sevillas und seiner Figaro-Rufe. Fortunatissimi per verità waren wir alle, diese vielleicht größte Opernentdeckung des Jahrhunderts hier in der Laeiszhalle zu hören!

Ergreifendes Aida-Duett mit Jacquelyn Wagner      

Ein wenig im Schatten des Baritons und Tenors stand vor allem die Sopranistin des Abends, Jacquelyn Wagner. Zwar sang sie ihre Partien weitgehend korrekt und mit viel eifrigem Einsatz, leider ein wenig zu viel. Insbesondere im Traviata-Schlager „Sempre libera“ startete sie ein wenig zu dramatisch und klang eng gesungen. Ordentlich, ja, aber etwas mehr gesangliche Freiheit und Lebensfreude hätte dieser Nummer sicherlich nicht geschadet. Allerdings steigerte sie sich im Laufe des Abends spürbar und ließ die volle Verliebtheit des Aida-Schlussduetts die Herzen des Publikums höher schlagen.

Diana Haller sang die hier sehr präsent vertretenen Mezzo-Partien sehr gut. Mit eifersüchtigem Amüsement tanzte sie durch das Carmen-Duett, auch die brennende Intensität einer auf gänzlich andere, viel intensivere Art eifersüchtigen Amneris schmetterte sie kämpferisch in den Saal. Frau Hallers schlagkräftiger Mezzo stand Herrn Spyres’ strahlend schwebender Tenor-Stimme um nichts nach.

Jacquelyn Wagner, Michael Spyres, Sylvain Cambreling © Daniel Dittus

Laeiszhallen-Akustik hinkt der Elbphilharmonie hinterher

Dem insgesamt souveränen gesanglichen und literarischen Geschehen lieferten die Hamburger Symphoniker unter Sylvain Cambreling eine mindestens solide Begleitung. Leider schien mir die Laeiszhallen-Akustik den Sängern nicht gerade in die Hände zu spielen, so klangen einige tupfend komponierte Verdi-Akkorde etwas trocken und auch Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune hätte sich in der Elbphilharmonie einen Hauch zauberhafter gemischt…

Mit diesem sensationellen literarisch-musikalischen Opernabend beleben die Hamburger Symphoniker die Operngala neu… und Michael Spyres’ doppelte Spitzenkarriere nimmt ordentlich Fahrt auf!   

Johannes Karl Fischer, 7. November 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

CD Rezension: Michael Spyres, Baritenor, klassik-begeistert.de

CD-Rezension: Michael Spyres, Contra-Tenor, Il Pomo d’Oro klassik-begeistert.de, 14. April 2023

CD-Rezension: Rossini – Amici e Rivali, Lawrence Brownlee, Michael Spyres, I Virtuosi Italiani, Corrado Rovaris

Charles Richard-Hamelin, Klavier Laeiszhalle Hamburg, 12. Juni 2025

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