Dame am Cembalo, Gemälde eines unbekannten Künstlers aus dem 18. Jahrhundert © öffentliche Domain
Die Autorin betont, dass diese talentierte Schriftstellerin und brillante Musikerin, von C.P.E. Bach gewürdigt, von Johann Bernoulli respektiert und von ihrem dankbaren Schüler Ludwig-Wilhelm Tepper de Ferguson geliebt, verdient es, in Erinnerung zu bleiben. Es lohnt sich daher, die Forschungen über diese hervorragende Frau fortzusetzen.
Besprechung eines Artikels von Olga Baird (Yatsenko) „Madame Zernitz, geb. Deeling, in Warschau, mit besonderem Respekt und Freundschaft…“
von Jolanta Łada-Zielke
Carl Philipp Emanuel Bachs erste Sammlung von „Sonaten für Kenner und Liebhaber“ (1779) trägt die Widmung: „Madam Zernitz, Geborne Deeling, in Warschau, aus besonderer Hochachtung und Freundschaft“.
Biografen des Komponisten zitieren diese Worte, doch erst Olga Baird (Yatsenko), eine in Großbritannien lebende Kunst- und Kulturhistorikerin russischer Herkunft, hat sich mit dieser Dame sorgfältig auseinandergesetzt. Daraus entstand ein umfangreicher, in Englisch verfasster Artikel mit der genannten Widmung im Titel.
Die Autorin zitiert den britischen Dirigenten und Musikwissenschaftler Christopher Hogwood, der merkt, dass Bach in seinem Brief vom 2. Dezember 1778 die Umstände dieser Widmung an Madame Zernitz als Folge eines „unerwarteten Ereignisses“ beschrieb. Über dieses Ereignis und die Art von Eleonoras Beziehung zu Carl Philipp ist nichts Weiteres bekannt. Aus der Widmung weiß man ihren Geburts- und Ehenahmen, sowie die Zeit ihres Aufenthalts in Warschau in den 1770er Jahren. Man kann auch schließen, dass sie als Cembalistin hochbegabt war, da sie vom Komponisten solch lobende Worte erhielt. Er widmete ihr ebenfalls eine seiner Sonatinen und vermerkte auf dem Titelblatt: „Nur Madame Zernitz hat diese Sonatine“.
Olga Bairds Artikel ist die bisher umfassendste Informationsquelle zu Christiana Eleonora Deeling-Zernitz. Sie fand viele Details über diese Frau in Tagebüchern und Journalen aus dieser Zeit, die jedoch nichts mit der Musik zu tun haben. Baird hat festgestellt, dass Eleonora in den frühen 1740er Jahren geboren wurde und vermutlich die Enkelin des englischen Kaufmanns James Deeling war, der sich in Dresden niedergelassen hatte. Eleonoras Mutter war Irin und trug den Nachnamen O’Feral. Die Familie Deeling war wohlhabend, gebildet und angesehen. Gottlieb Wilhelm Rabener (1714–1771), ein Steuereintreiber, Satiriker und Journalist, der 1753 nach Dresden kam, wurde ihr Freund.
Rabeners 1777 veröffentlichte Werksammlung enthält die „Freundschaftlichen Briefe“, die den Briefwechsel zwischen ihm und Eleonora Deeling unter dem Pseudonym „Charitas“ umfassen. Damals war Eleonora etwa 17 bis 19 Jahre alt und, wie Olga Baird schreibt, reif genug, sich eloquent auszudrücken und sich ungezwungen mit dem vierzigjährigen Schriftsteller auszutauschen. Dank dieses Briefwechsels zwischen 1757 und 1758 wurde diese junge Frau in dem damaligen internationalen Literaturkreis bekannt.
In der „Journal encyclopedique ou universel“ gibt es eine Meinung von Eleonora als Cembalistin, dass sie sogar Johann Adolf Hasse beeindruckte: „Tatsächlich ist es unmöglich, sich besser mit Musik und Komposition auseinanderzusetzen, das Cembalo besser zu nutzen und der Darbietung mehr Ausdruck, Energie, Kraft, Leichtigkeit und Brillanz zu verleihen. Der berühmte Hasse lobte sie in höchsten Tönen; sie stand in Briefwechsel mit den bekanntesten Komponisten und tut dies noch heute mit vielen von ihnen.“ Die junge Dame lernte C.P.E. Bach wahrscheinlich Ende der 1760er Jahre, noch vor ihrer Heirat kennen, da der Komponist sie noch als Eleonora Deeling kannte und es fiel ihm schwierig, ihren Ehenamen bei der Widmung zu schreiben.
Eleonora heiratete Friedrich Cyriak Zernitz, vermutlich 1772, woraufhin beide nach Warschau zogen. Sie verließen das im Siebenjährigen Krieg zerstörte Dresden, wo das kulturelle Leben nach dem Tod Friedrich Augusts II. (1763) stark zurückging. Friedrich Cyriak Zernitz verfügte über beachtliche wissenschaftliche und sprachliche Kenntnisse, übersetzte Graf Mniszechs Biografie des polnischen Königs Johann Kasimir (1609–1672) ins Französische und diente als Sekretär und engster Vertrauter Graf August Fryderyk Moszyńskis (1731–1786), eines Mitglieds des königlichen Rates und Direktor der königlichen Theater und Kunstsammlungen. Die Ehe der Zernitz war zunächst glücklich, scheiterte jedoch an Friedrichs finanziellen Schwierigkeiten.
Eine weitere Quelle für Erinnerungen an Eleonora ist „Meine Geschichte“ von Ludwig-Wilhelm Tepper de Ferguson (1768–1838). Der spätere Musiklehrer und Komponist polnisch-russischer Abstammung wurde 1778 Eleonoras Schüler. Hinzu kommt der Reisebericht des Schweizer Mathematikers Johann Bernoulli II. (1710–1790), der die Hauptstadt Polens im Oktober 1778 besuchte. Beide schildern Eleonora als brillante und unabhängige Frau voller Talent, Vitalität und Leidenschaft. Sie erlangte in Warschau schnell Bekanntheit als herausragende Cembalistin, trat aber – wie Bernoulli schreibt – selten in Warschau auf: „…nicht etwa aus Laune der großen Virtuosin, wozu sie mit ihrem Talent auch ein Anrecht hätte, da sie viele Male vom König und allen adligen Magnaten besucht wurde und ihr außergewöhnliches Talent ihr deren Beifall und Ruhm einbrachte; sondern weil das polnische Volk wenig von Musik versteht und leichte Tanzmelodien allen anspruchsvollen harmonischen Kompositionen vorzieht.“
Ludwig-Wilhelm Tepper de Ferguson schreibt über seine Lehrerin: „Sie nannte sich selbst als Schülerin von Emanuel Bach, und die Verbindungen zwischen ihnen belegten dies. Ihr Talent übertraf tatsächlich alles, was wir zu Hause gehört hatten. /… / Der Unterricht dieser Dame war anfangs rein unentgeltlich; meine Fortschritte waren jedoch so groß, dass ich nach wenigen Monaten Sonaten von Emanuel Bach spielte, der ihr Lieblingskomponist war. Kurz darauf spielte ich ein Konzert von Bach mit Orchester: Er komponierte zwei Konzerte für meine Schwester und mich; ich besitze noch immer eine Abschrift mit seiner handschriftlichen Widmung.“

Ludwig Wilhelms Unterricht bei Eleonora in Warschau fand zeitgleich mit Carl Philipps Vorbereitungen in Hamburg zur Veröffentlichung seiner ersten Sonatensammlung statt. Könnte es sein, dass sich seine Widmung auf Eleonora Zernitz als „Kennerin“ und ihren Schüler Ludwig Wilhelm als „Liebhaber“ bezieht? – fragt die Autorin des Artikels.
Nach der Trennung des Ehepaares nahm Teppers Vater Eleonora für ein Jahr bei sich auf. Sein Sohn war der Ansicht, dass er nach ihr nie wieder eine so gute Lehrerin gehabt hatte: „Ich schulde dieser Frau die Ehre, sagen zu müssen, dass sie es war, die mein Talent entwickelt und mich auf den Weg gebracht hat, der mir eines Tages einen Platz unter den erstklassigen Cembalospielern hätte sichern können.“
Eleonora Zernitz verließ 1780 Warschau und reiste in Begleitung von Jean-Baptiste Dubois de Jancigny (1752–1808), einem französischen Juristen, Wissenschaftler und Literaten, der an der Königlichen Kadettenschule Jura lehrte, nach Paris. In der französischen Hauptstadt begannen die beiden eine Zusammenarbeit im Bereich Theater und Musik. Eleonore lud Georges Benda (1722–1795) ein, sein Melodram „Ariadne auf Naxos“ in Paris aufzuführen, deren deutsches Libretto Jean-Baptiste Dubois ins Französische übersetzte. Die Premiere fand am 20. Juli 1781 im Théâtre de la Comédie Italienne statt, doch man erwähnte Eleonoras Name in diesem Zusammenhang nicht.
Madame Zernitz suchte eine Anstellung als Musiklehrerin im Pariser Hochadel. Sie bat den polnischen König Stanisław August Poniatowski um eine schriftliche Empfehlung für Madame Duvivier, Voltaires Nichte. Olga Baird zitiert Eleonoras vollständigen Brief an den polnischen Monarchen vom 12. Mai 1782, der sich im Zentralarchiv für historische Aufzeichnungen in Warschau befindet. Dieser Brief blieb leider unbeantwortet. König Stanisław August Poniatowski war als großzügiger Förderer von Künstlern bekannt. Es ist daher bedauerlich, dass er Eleonora nicht unterstützte, deren Talent er während ihres achtjährigen Aufenthalts in Warschau persönlich miterlebt hatte.
Seit den 1780er Jahren ist das Schicksal von Eleonora Zernitz weitgehend unbekannt geblieben. Daher bin ich Olga Baird für diesen Artikel, der zumindest ein wenig Licht auf sie wirft, zutiefst dankbar.
Die Autorin betont, dass diese talentierte Schriftstellerin und brillante Musikerin, von C.P.E. Bach gewürdigt, von Johann Bernoulli respektiert und von ihrem dankbaren Schüler Ludwig-Wilhelm Tepper de Ferguson geliebt, verdient es, in Erinnerung zu bleiben. Es lohnt sich daher, die Forschungen über diese hervorragende Frau fortzusetzen.
Jolanta Łada-Zielke, 22. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Frauenklang 4: Frauen in der Musik und Musikwissenschaft – Teil 1
Frauenklang 4: Maria Szymanowska: emanzipierte Klaviervirtuosin und Goethes Muse – Teil 2