Frauenklang 4: Maria Szymanowska: emanzipierte Klaviervirtuosin und Goethes Muse – Teil 2

Frauenklang 4: Maria Szymanowska: emanzipierte Klaviervirtuosin und Goethes Muse – Teil 2

Eine der Hauptfiguren des Buches „Musik und Geschlecht“ von Danuta Gwizdalanka ist die polnische Pianistin und Komponistin Maria Szymanowska (1798-1831), die in für die weibliche Emanzipation ungünstigen Zeiten weitreichende Eigenständigkeit zeigte. Frau Gwizdalanka arbeitet derzeit an ihrer umfangreichen Biografie.

Fortsetzung des Gesprächs zwischen Jolanta Łada-Zielke und Danuta Gwizdalanka

In welcher Arbeitsphase an dem Buch über Szymanowska befinden Sie sich jetzt?

Im Moment organisiere ich die gesammelten Materialien und suche nach Antworten auf gründliche Fragen, die während der Arbeit entstanden sind. Eine davon: was hat Maria Szymanowska wirklich dazu bewogen, als Klaviervirtuosin in die Welt zu gehen? Sie selbst sagte und schrieb immer wieder – weshalb ich mir später erlaubt habe, ihre Worte vorsichtig zu zitieren – dass sie sich nach der Scheidung von ihrem Mann zu diesem Schritt entschlossen habe, um den Lebensunterhalt für die Kinder zu verdienen. Sie hatte zwei Töchter und einen Sohn. Mittlerweile glaube ich nicht mehr, dass dies wirklich ihre Hauptmotivation war. Das bezweifelt auch Doris Bischler, die Autorin einer exzellenten Dissertation über Szymanowska, die vor einigen Jahren in Berlin erschienen ist. Warum? Weil es scheint, dass Szymanowska nur versuchen wollte, ein „Star“ zu sein und die Welt zu sehen. Mit 30 Jahren hoffte sie ein außergewöhnliches Abenteuer zu erleben und als Pianistin europäische Hauptstädte zu erobern, natürlich im Vergleich zu den größten Stars der Zeit – den Männern. In diesen Zeiten war das ein äußerst extravaganter Wunsch.

Im frühen 19. Jahrhundert waren Frauen – mit Ausnahme von Sängerinnen – keine Berufsmusikerinnen. Sie sollten zu Hause bleiben und sich um die Kinder und ihren Mann kümmern. Auf der anderen Seite sprach Szymanowska von der Notwendigkeit, Geld für die Kinder zu verdienen, und deutete an, dass sie beschlossen hätte, sie selbst zu erziehen, fast ohne die Unterstützung oder Hilfe ihres Mannes. Heute, wenn wir Briefe von ihr und an sie lesen, entdecken wir, dass die Kinder, als die Mutter in die Welt aufbrach, auf dem Gut ihres Vaters in der Nähe von Warschau geblieben waren. Der Vorwand war also klug und gewann für sie eine Sympathie, sonst wäre es wahrscheinlich zu außergewöhnlich und skandalös gewesen.

Sie war in der Tat selbstständig und erfolgreich. Ist denn in ihrem Leben irgendeine musikalische Autorität aufgetaucht, die ihr den richtigen Weg gezeigt hat?

Nicht in dem Sinne, wie wir es heute verstehen würden. In Warschau gab es Ende des 18. Jahrhunderts praktisch keine herausragenden Musikerpersönlichkeiten, denn die Zeiten der Teilungen und Aufstände waren für die Kunst nicht günstig. Szymanowska hatte keine Chance, bei einem bedeutenden Musiker zu studieren – was sie damals wahrscheinlich in Wien hätte finden können. Also lernte sie bei lokalen Klaviermeistern und nutzte jede Gelegenheit, herausragende Virtuosen zu belauschen, die auf ihrem Weg nach Russland durch Warschau reisten. Erst 1819 trat ein hervorragender Pianist, Franz Xaver Mozart, der Sohn von Wolfgang, in Warschau auf, der seit vielen Jahren in Lemberg tätig war und  eine Konzertreise unternahm. Er hatte schon früher von der ausgezeichneten Warschauer Pianistin gehört, also achtete er natürlich darauf, sich mit ihr anzufreunden. Und er entschied, dass sie ein großes Talent hatte, aber… – und anscheinend gab er ihr dieses „aber“ zu verstehen. Einige Monate später ging Szymanowska nach Dresden, um ein paar Klavierstunden bei ihm zu nehmen. Heute würden wir sagen, dass sie eine „Meisterklasse“ besuchte. Offenbar war sie vernünftig genug, Mozarts kritische Meinung ernst zu nehmen und beschloss, ihre Fähigkeiten zu verbessern. Ihr Verhalten deutet darauf hin, dass sie nicht nur große Fantasie hatte, sondern auch eine Gabe der Voraussicht und vernünftiger Planung.  (Nicht nur) für einen Künstler ist das eine Traumkombination.

Das Thema der Freundschaft von Maria Szymanowska mit Johann Wolfgang Goethe hat sich mit vielen Mythen und Legenden verbreitet. Wie gehen Sie dieses Thema an?

Vorsichtig. Es war eine Episode im Leben von Szymanowska, die inzwischen aufgrund des Ruhms und der Popularität der Person Goethes und eines bestimmten Gedichts eine außergewöhnliche Bedeutung erlangte. Diese Bekanntschaft wurde vielleicht das am häufigsten berichtete Ereignis in ihrer Biografie. Es begann in Marienbad, wohin Maria Szymanowska am 8. August 1823 mit ihrer Schwester und ihrem Bruder kam. Eine Woche später trafen Szymanowska und ihre Schwester Goethe und der 74-jährige Dichter hatte dann die Gelegenheit, dem Spiel der 34-jährigen Pianistin zuzuhören. Er war entzückt und erinnerte an ihr Treffen in einem Gedicht, das er ins Stammbuch der Pianistin einschrieb. Szymanowska sammelte Autogramme – damals ein recht beliebter Brauch. Dieses Gedicht drückte die Bewunderung für die Musik aus, die das Leiden lindert. Der betagte Dichter hegte nämlich damals Gefühle für die 54 Jahre jüngere Ulrike von Levetzow. Daher kamen diese Worte:

 

Aussöhnung

– An Madame Maria Szymanowska –

Die Leidenschaft bringt Leiden! – Wer beschwichtigt

Beklommnes Herz, dich, das zu viel verloren?

Wo sind die Stunden, überschnell verflüchtigt?

Vergebens war das Schönste dir erkoren!

Trüb ist der Geist, verworren das Beginnen;

Die hehre Welt, wie schwindet sie den Sinnen!

 

Da schwebt hervor Musik mit Engelsschwingen,

Verflicht zu Millionen Tön um Töne,

Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen,

Zu überfüllen ihn mit ew’ger Schöne:

Das Auge netzt sich, fühlt im höhern Sehnen

Den Götterwert der Töne wie der Tränen.

 

Und so das Herz erleichtert merkt behende,

Daß es noch lebt und schlägt und möchte schlagen,

Zum reinsten Dank der überreichen Spende

Sich selbst erwidernd willig darzutragen.

Da fühlte sich – o daß es ewig bliebe! –

Das Doppelglück der Töne wie der Liebe.

 

Dieses Gedicht fand sich später in der „Trilogie der Leidenschaft“, die von vielen als einer der Höhepunkte der romantischen deutschen Dichtung angesehen wird. Auf diese Weise verewigte Goethe Szymanowska in der Poesie, indem er die Musik als Trösterin beschrieb. Vor einigen Jahren erschien Martin Walsers Roman „Ein liebender Mann“, der Goethes letzte Marienbad-Liebe thematisiert. Der Schriftsteller stellte Maria Szymanowska auf seinen Seiten gleich zweimal vor, zusammen mit der Frage: Beruhigt oder weckt die Musik Emotionen?

Wenn man den Aufenthalt in Marienbad aus der Sicht von Szymanowska betrachtet, fällt es auf, dass für sie wahrscheinlich wichtiger und interessanter war, den Komponisten und Pianisten Václav Tomášek zu treffen. Sie verlängerte nämlich ihren Aufenthalt an diesem Ort, um mit ihm zusammenspielen zu können. Nun, das hat nicht die gleiche mediale Kraft wie die Erfahrungen eines berühmten Dichters, der von ihrem Spiel bewegt wurde…

Vielen Dank für das Gespräch und ich freue mich auf die Veröffentlichung des Buches.

Jolanta Łada-Zielke, 12. Juni 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

Johann Wolfgang Goethe, Pojednanie

 – Do Madame Maria Szymanowska –

Namiętność męką! Któż da, by ucichło

To serce, które strat swych już nie zliczy?

Kędyż godziny, co zbiegły tak rychło?

Próżno czar kwitnął największej słodyczy!

Mrok w duszy, źródło natchnienia zmącono,

Świat wzruszeń świętych okrył się zasłoną.

 

Lecz oto skądeś powstaje muzyka,

Dźwięki splatając w tonów miliony;

Całą istotę ludzką wskroś przenika,

Aż duch jej wiecznym pięknem napełniony.

Łza wilży oko, a duszy żywiołem

Niebiańskie dobro dźwięków i łez społem.

 

I czuje serce z ulgą niespodzianą,

Że jeszcze bije, chce bić, by w ofierze

Za przeobfitą łaskę otrzymaną

Samo się oddać ochotnie i szczerze.

I w dziękczynieniu błogim się odsłania

Podwójne szczęście: dźwięków i kochania!

(polnische Übersetzung: Alina Świderska)

Frauenklang 4: Frauen in der Musik und Musikwissenschaft – Teil 1

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