Foto: Georges Delnon (c) Hamburgische Staatsoper
You don’t know what you’ve got until it’s gone, sagt der Engländer. Auch die deutsche Sprache hat dieses psychologische Muster in eine Lebensweisheit verpackt. Man weiß erst, was man hat, wenn man es verliert…Die Ära von Georges Delon als Generalmusikdirektor der Staatsoper Hamburg ist so ein Fall.
Richard Strauss / Ariadne auf Naxos
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Johannes Debus / Dirigent
Hamburgische Staatsoper, 16., 21. & 28. November, 4. Dezember 2025
von Jörn Schmidt
Das jetzt in Hamburgische Staatsoper umfirmierte Haus hat seit Jahren mit einer sinkenden Auslastung zu kämpfen. Da musste natürlich ein Sündenbock her. Der war schnell gefunden: Georges Delnon. Auch hier beim herrlich pluralistischen Blog klassik-begeistert wurde Delnons Amtszeit (2015-2025) mitunter ziemlich kritisch eingewertet.
Wenn man sich das mal nicht zu leicht gemacht hat. Bereits nach der Pressekonferenz der Hamburgischen Staatsoper für die Spielzeit 2025/2026 haben Andres Schmidt, der Herausgeber von klassik-begeistert, und ich Delnons Nachfolger Tobias Kratzer eine Wette angeboten [wurde nicht angenommen].
Meine seinerzeitige These: In der Spielzeit 2025/2026 wird sich die Auslastung der Staatsoper Hamburg unterm Strich wenig bessern. Nicht, weil Herr Kratzer sein Handwerk nicht verstünde. Sondern weil die Ursachen viel komplexer sein dürften, als sie einem Menschen anzulasten.
Nach Schumann (Das Paradies und die Peri) und Glinka (Ruslan und Ljudmila) ist es zu früh für eine erste Kratzer-Bilanz. Aber höchste Zeit, Delnons Erbe zu würdigen. Zum Beispiel anlässlich der Wiederaufnahme von Richard Strauss` großartiger Oper Ariadne auf Naxos im November / Dezember 2025.
Die intelligente Inszenierung von Dmitri Tcherniakov hatte am 26. Januar 2025 Premiere. Seinerzeit stand Kent Nagano am Pult, die Partitur lag ihm außerordentlich. Auch die Sänger hatte Delnon klug ausgewählt.

Anja Kampe als Ariadne, Nadezhda Pavlova als Zerbinetta und Jamez McCorkle der Bacchus. Als Theseus der Frankfurter Tatort-Kommissar a.D. Wolfram Koch. Den Musiklehrer gab Martin Gantner. Trotzdem spendete das Hamburger Publikum zur Premiere in der Summe eher verhalten Applaus.

Zur jetzigen Wiederaufnahme waren die vorgenannten Künstler erneut gesetzt. Lediglich das Dirigat lag dieses Mal in den Händen von Johannes Debus, dem 51 Jahre alten Musikalischen Direktor der Canadian Opera Company.
Die Wiederaufnahme rief in Erinnerung, wie glanzvoll die Premiere war. Anja Kampe ist immer noch eine grandiose Ariadne. Unangestrengt kraftvoll. Textverständlich phrasierend. Eine Paraderolle.
Ebenso Nadezhda Pavlova. Hochgemut Späße treibend. Kinderleicht die Koloraturen genießend. Zerbinetta, ihr wie auf dem Leib geschnitten. Die Männer hatten es da nicht leicht…

…mit Ausnahme von Johannes Debus. Der hatte sichtlich Spaß daran, dass er seine beiden Damen nicht hauptberuflich auf Händen tragen musste. Sondern sich orchestral austoben konnte. Ohne jemals die Selbstbeherrschung zu verlieren.
Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg klang so vielseitig wie die Partitur – lebendig, feierlich, romantisch, lukullisch, transparent, pfiffig, eigensinnig, wagneresk…you name it.
Georges Delnons Fußstapfen sind größer, als mancher denkt. Auch daran wird sich Tobias Kratzer messen lassen müssen. Nächster Prüfstein: Die Premiere von Olga Neuwirths Monster’s Paradise am 1. Februar 2026. klassik-begeistert hält Sie informiert.
Jörn Schmidt, 5. Dezember 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Strauss, Ariadne auf Naxos Staatsoper Hamburg, 26. Januar 2025 PREMIERE
Richard Strauss, Ariadne auf Naxos Staatsoper Hamburg, 26. Januar 2025 PREMIERE
Die Hamburgische Staatsoper: Aufbruch zu neuen Ufern, Spielzeit 2025/26 Hamburg, 5. März 2025