Foto: © Herwig Prammer
Wiener Kammeroper, 28. November 2018
Giuseppe Verdi, Don Carlos
Auch wenn manche Kritiker nicht allzu positiv mit der Neuproduktion von „Don Carlos“ an der Wiener Kammeroper umgehen: klassik-begeistert hat die Premiere im Haus am Fleischmarkt verfolgt und war im Großen und Ganzen begeistert. Klare Empfehlung deshalb: Besuchen Sie eine der folgenden neun Aufführungen bis zum 27. Dezember 2018!
Das Publikum war nach der Premiere fast ausschließlich sehr zufrieden mit der Kammermusikfassung von Verdis Meisterwerk. Die Musik des Italieners ist göttlich! Jahrtausendmusik!!! Die schlanke Fassung in französischer Sprache für Kammerorchester von Panos Iliopoulos und Florian C. Reithner überzeugt in der anmutigen Wiener Kammeroper mit ihrer superben Akustik. Das Dirigat von Matteo Pais ist stringent und einfühlsam, die Musiker des Wiener KammerOrchesters spielen auf sehr hohem, fast fehlerfreiem Niveau – „passt!“, wie der Wiener sagt.
An der wertigen Inszenierung, am Bühnenbild und an den Kostümen ist nichts zu bemängeln – alles ist stimmig und angenehm: Lob deshalb an Sébastian Dutrieux (Inszenierung, Bühne und Licht), Agnes Hasun (Bühne) und Constanza Meza-Lopehandia (Kostüme).
Die große Bank des Abends aber sind die jungen, phantastischen Sängerinnen und Sänger – die meisten stammen aus dem Jungen Ensemble des Theaters an der Wien. Diese jungen Sangesperlen haben allesamt eine große Zukunft vor sich – viele von ihnen werden schon bald an großen Häusern zu hören sein. Für das Theater an der Wien sind sie schon heute allesamt wunderbare Optionen…
Der Beste unter den sehr guten Sängern ist an diesem Abend der junge rumänische Bass Dimitru Madarasan als Philippe II. In der Kammeroper war er zuletzt als Trincalo in Purcells „Die Zauberinsel“ zu erleben; am Theater an der Wien ist Purcells „King Arthur“ geplant. Was für ein toller, viriler, männlicher Bass. Hammer! Wie wird der erst in fünf Jahren klingen…. Ein bärenstarker, oft unter die Haut gehender Auftritt des Rumänen. Bravo!
Phantastisch auch der in Philadelphia geborene Tenor Andrew Owens als Don Carlos! Auch wenn er im ersten Teil, vor allem zum Schluss, etwas schwächelte: Nachdem er sich vor dem zweiten Teil als etwas indisponiert entschuldigen lässt, singt er befreit und unverkrampft auf und überzeugt mit einer brillanten Höhe und einer warmen, schönen Präsenz in allen Lagen. Bravo!
Toll auch die Sopranistin Jenna Seladie, US-Amerikanerin mit Abschluss an der Yale University. In der Kammeroper war sie zuletzt als Miranda in Purcells „Die Zauberinsel“ zu hören. Am Theater an der Wien ist das Meermädchen in Webers „Oberon“ geplant. Saladie als Elisabeth de Valois: Das sind strahlende Höhen, eine wunderbare, cremige Mittellage und eine erdige Tiefe. Brava!
Sehr gut auch der isländische Bariton Kristján Jóhannesson als Rodrigue, Marquis de Posa. Ein wirklich hervorragender Sänger mit großen Perspektiven – an diesem Abend sehr einnehmend und überzeugend in der mittleren und in der tiefen Lage. Die hohe Lage beherrscht er auch wunderbar, an diesem Abend allerdings mit ein paar Ungenauigkeiten und manchmal etwas zu gepresst und angestrengt. Im Theater an der Wien war er bereits in Richard Wagners „Ring-Trilogie“ und in Brittens „A Midsummer Night’s Dream“ zu erleben; geplant ist Lionel in Tschaikowskis „Die Jungfrau von Orleans“. In der Kammeroper verkörperte er zuletzt Prospero in Purcells „Die Zauberinsel“.
Unterm Strich sehr gut war die mit außerordentlicher Begabung und Stimmenanlage ausgestatte Mezzosopranistin Tatiana Kuryatnikova aus Russland. Was für ein Volumen, was für Höhen, was für eine tolle, erdige Tiefe! Allein an ihrem Vibrato sollte diese mit Talent und Ausstrahlung gesegnete Sängerin noch arbeiten: Es erklang an diesem Abend immer wieder zu angestrengt, zu betont, zu wenig schlank. Wenn die Russin dieses kleine Manko abstellen könnte, gehört ihr die Zukunft. In der aktuellen Spielzeit wird sie im Theater an der Wien noch als Kind in Ravels „L’enfant et le sortilèges“ sowie als Niklausse in Offenbachs „Les contes d’Hoffmann“ und Old Lady in Bernsteins „Candide“ zu hören sein. In der Kammeroper sang sie zuletzt Ariel in Purcells „Die Zauberinsel“.
Wow, und noch ein junger Super-Bass: Ivan Zinoviev, geboren in Krasnojarsk im russischen Sibirien, an diesem Abend Le Grand Inquisiteur und Die Stimme des Kaisers. Tolle, mächtige Tiefen und auch in den höheren Region sehr angenehm und voll. Im Frühjahr 2019 wird er im Theater an der Wien in Tschaikowskis „Die Jungfrau von Orleans“ zu hören sein.
Wirklich toll auch die Russin Ilona Revolskaya als Thibault. Sie hat eine sehr angenehme, wohlklingende Sopranstimme mit warmem Timbre und wird an der Kammeroper in dieser Spielzeit noch als Feuer/Prinzessin/Nachtigall in Ravels „L’enfant et les sortilèges, als Olympia in Offenbachs „Les contes d’Hoffmann“ , als Cunegonde in Bernsteins „Candide“ sowie als Minette in Webers „Peters Schmoll“ im Theater an der Wien zu erleben sein.
Andreas Schmidt, 30. November 2018, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Pressestimmen
Wien/ Kammeroper
Don Carlos in der Schuhschachtel“
Die Wiener Kammeroper spielt jetzt Giuseppe Verdis „Don Carlos“. Man hat die Chöre gestrichen, das ganze Autodafé-Bild dazu, spielt eine Kammermusikfassung und jagt junge Sängerinnen und Sänger in Partien, für die schon große Häuser nur schwer eine adäquate Besetzung finden. Wenn dann noch die Regie versagt, ist das Scheitern vorprogrammiert.
http://www.operinwien.at/werkverz/verdi/acarlos18.htm
Karger „Don Carlos“
Nur die Sänger glänzen in dieser Schrumpf-Fassung.
Wiener Zeitung
Sébastien Dutrieux inszeniert „Don Carlos“ an der Kammeroper: Salon als Seelenkerker
Die Mitglieder des Jungen Ensembles des Theaters an der Wien leiden in geschmackvoll-elegant-zeitloser Kleidung
Der Standard
https://onlinemerker.com/wien-kammeroper-don-carlos-premiere/
Die Wiener Kammeroper spielt jetzt Giuseppe Verdis „Don Carlos“. Man hat die Chöre gestrichen, das ganze Autodafé-Bild dazu, spielt eine Kammermusikfassung und jagt junge Sängerinnen und Sänger in Partien, für die schon große Häuser nur schwer eine adäquate Besetzung finden. Wenn dann noch die Regie versagt, ist das Scheitern vorprogrammiert.
https://onlinemerker.com/wien-kammeroper-don-carlos/
Wann werden Regisseure endlich begreifen, dass sie nicht große Werke eindampfen, in ein Zimmer stellen können – und das zu einer gültigen Interpretation erklären? Leider zählt die „Verkleinerung“ von Klassikern der Opernliteratur zum festen Bestandteil der Kammeroper des Theaters an der Wien, ungeachtet der Tatsache, dass solche Unternehmungen noch nie gut ausgegangen sind – auch diesmal nicht. Schon gar nicht mit Verdis „Don Carlos“.
Grand Opéra in fünf Akten (1867)
Musik von Giuseppe Verdi
Libretto von Joseph Méry e Camille du Locle
In einer neuen Orchesterbearbeitung in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Neuproduktion des Theaters an der Wien in der Kammeroper
Premiere: 28. November 2018, 19:00 Uhr
Aufführungen: 30. November 2018, 19:00 Uhr
2. / 5. / 7. / 11. / 14. / 18. / 21. / 27. Dezember 2018, 19:00 Uhr bis ca. 22:10 Uhr (Pause ca. 20:25 Uhr)