Alexander Köpeczi (Der König), Elīna Garanča (Amneris), Francesco Ivan Ciampa (musikalische Leitung), Elena Stikhina (Aida), Amartuvshin Enkhbat (Amonasro), Arsen Soghomonyan (Radamès), Erwin Schrott (Ramfis) (Foto: RW)
Wenn ein totes Kind in die Mitte des Raumes getragen und in einen weißen Kindersarg gelegt werden muss, übersteigt das die Zumutbarkeitsgrenze. Wenn am Ende des Aktes auch noch Ascheregen wie Schnee zu Weihnachten durch die Deckenschäden zu Boden rieselt, streift die Inszenierung den Bereich des Betroffenheitskitsches.
Aida, Oper in vier Akten
Musik von Giuseppe Verdi
Inszenierung: Damiano Michieletto, Bühne: Paolo Fantin
Bayerisches Staatsorchester
Francesco Ivan Ciampa musikalische Leitung
Bayerische Staatsoper, 5. Dezember 2024
von Dr. Ralf Wegner
Der Anfang irritierte. Eine heruntergekommene Turnhalle mit Granateneinschlägen in der Decke dient als Aufenthaltsort für offenbar Vertriebene wie Aida oder Ausgebombte, aber auch als Machtzentrale der Staatsführung. Wir verstehen, es ist Krieg, und wir sehen Kriegsschäden und Kriegsfolgen.
Der erste Akt grenzt an Betroffenheitskitsch
Wenn aber ein totes Kind in die Mitte des Raumes getragen und in einen weißen Kindersarg gelegt werden muss, mit trauernder Mutter daneben, übersteigt das die Zumutbarkeitsgrenze. Wenn am Ende des ersten Aktes auch noch Ascheregen wie Schnee zu Weihnachten durch die Deckenschäden zu Boden rieselt, streift die Inszenierung den Bereich des Betroffenheitskitsches.
Nach der Pause wurde es besser. Ein riesiger Ascheberg erhebt sich, nach rechts ansteigend, auf der Bühne. Die Turnhalle ist nur noch rudimentär erkennbar und verschwindet im letzten, fast apotheotisch wirkenden Bild ganz. Radamès und Aida besteigen den blau angestrahlten Ascheberg, der schlussendlich von oben und unten durch Hebung der Bühne und Senkung eines Vorhangs schwarz eingegrenzt wird. Es entsteht ein eindrucksvoller, in Erinnerung bleibenden Breitwandeffekt. Junge Paare, Luftballons tragend, folgen Aida und Radamès: Beide sind mit anderen unglücklich Verliebten im Tode vereint.
Gesanglich gute bis sehr gute Leistungen
Musikalisch ist Verdis Aida bis zum ersten Auftreten Amonasros kompositorisch oft vordergründig und langweilt. Aida hat mit Ritorna vincitor! zwar eine schöne kurze Arie zu singen und Radamès darf die von ihm Angebetete zum Thron hin erhöhen (Se quel guerrier io fossi!). Der armenische Tenor Arsen Soghomonyan sang diesen Part mit verhangener, leicht baritonal eingefärbter Stimme und beeindruckte weniger mit stilistisch reinem Schöngesang als forciert vorgetragener, lang angehaltenen und weit in den Raum gestemmten Höhen. Dynamische Abstufungen oder vokale Schattierungen lagen ihm weniger.
Elena Stikhina klang als Aida wie eine Liù, also noch sehr lyrisch. Ihr runder, warmer Sopran vermochte vom Piano bis zum Forte zu überzeugen, auch gelang ihr eine stimmlich berührende Darstellung der äthiopischen Königstochter. Was ihr als Aida allerdings fehlte, war eine breitere Basis mit dunkleren Stimmfärbungen für den dramatischen Ausbruch, den Aida zum Beispiel für die große Arie zu Beginn des dritten Aktes Qui Radamès verrà! braucht. Sie stieg beim no, mai più zwar bis zum hohen C auf, aber ohne unter die Haut gehenden Glanz zu verbreiten. Der Zwischenbeifall war auch entsprechend verhalten.
Mit ihrem farbreichen, wohlklingenden und zu großer dramatischer Form auflaufenden Mezzo zeigte Elīna Garanča (Amneris), dass sie als Sängerin zu den Besten ihres Fachs gehört. Ihrem gesanglichen Vortrag fehlte es allerdings an innerer Beteiligung, um die seelischen Qualen dieser Partie überzeugend zum Ausdruck zu bringen. Amartuvshin Enkhbat erwies sich wie schon vor zwei Jahren in Hamburg als herausragender Amonasro, der sowohl schönstimmig seine Tochter Aida umwerben als auch mit dramatischer Kraft und weit in den Raum tragender Stimme seinen Willen zum Kampf gegen den Feind ausdrücken konnte.
Die weiteren Rollen waren mit Erwin Schrott als Ramfis und Alexander Köpeczi als König adäquat besetzt. Schrott hatte sich als gesundheitlich eingeschränkt ansagen lassen. Davon war allerdings wenig zu merken. Die musikalische Leitung hatte Francesco Ivan Ciampa inne. Der Schlussbeifall des Publikums erwies sich als endlich.
Dr. Ralf Wegner, 6. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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