Schnelle Füße und zerbrechliche Traumbilder

LA SYLPHIDE Ballett in zwei Akten  Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, 23. November 2024  PREMIERE

Sylphide/Probe Corps © Katja Lotter

Das Münchner Ballett auf höchstem Niveau kreiert eine Zauberwelt

LA SYLPHIDE
Ballett in zwei Akten

Choreographie    Pierre Lacotte nach Filippo Taglioni
Musik   Jean-Madeleine Schneitzhoeffer, Ludwig Wilhelm Maurer

Bühne nach Pierre Ciceri
Kostüme nach Eugène Lami
Licht   Christian Kass
Einstudierung   Laurent Hilaire Anne Salmon

Musikalische Leitung:  Myron Romanul

Ensemble des Bayerischen Staatsballetts
Bayerisches Staatsorchester

Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, München, 23. November 2024 PREMIERE


von Barbara Hauter

Romantischer geht’s nicht: Mit La Sylphide als erste Premiere der neuen Ballett-Saison entführt das Münchner Ballett technisch perfekt und mit emotionalem Tiefgang in die Welt des schottischen Hochlands und der Luftgeister.

La Sylphide gilt als der romantische Ballettklassiker schlechthin. Das Ballet Blanc mit weißen Tutus und Spitzentanz erlebte mit diesem Stück seinen Durchbruch. Zwei Versionen existieren von La Sylphide: Die ursprüngliche von Filippo Taglioni aus dem Jahr 1832 und die häufiger aufgeführte dänische Version. Das bayerische Staatsballett hat die fast verlorengegangene Version von Taglioni in der Rekonstruktion von Pierre Lacotte auf die Bühne gebracht.

La Sylphide, J. Feyferlik, Ensemble © Katja Lotter

Die zwei Akte von La Sylphide könnten unterschiedlicher nicht sein. Der erste zeigt uns das romantisierte schottische Leben im Hochland. Rustikal ausgestattet mit viel schottischem Karo, die Herren stilecht in Röcken.

James (Jakob Feyferlik) und Effie (Carolina Bastos) bereiten sich auf ihre Hochzeit vor. Getanzt wird technisch exakt mit schnellen Füßen, aber bodengebunden, mit Akzenten aus den schottischen Tänzen.

Herausstechend das Pas de deux des schottischen Paares mit Margarita Fernandes und Antonio Casalinho. Doch James erscheint immer wieder die Sylphide, eine fast körperlos schwebende Elfe mit Tutu und kleinen Flügelchen, die ihn immer mehr von der schottischen Gesellschaft abtreiben lässt. Zunächst im Traum, dann in der Realität. Die Fee tanzt magisch, scheinbar ohne Bodenhaftung durch die Reihen der karierten Schotten, verschwindet durch den Kamin oder wird unsichtbar und versinkt im Bühnenboden. James’ Verwirrung gipfelt in dem zauberhaften Pas de Trois mit Effie und Sylphide.

La Sylphide, M. Young, J. Zhang © Katja Lotter

Im zweiten Akt ist James in der Zauberwelt der Luftgeister gefangen. Nebel wabert über den Bühnenboden. Hexen (Robin Strona als Oberhexe) bestimmen den Fortgang der Geschichte. Waldgeister fliegen durchs Geäst. Das Corps de Ballet zaubert perfekte weiße Tutu-Formationen. Die Sylphide ist ganz in ihrem Element und entschwebt mit wunderbaren Arabesken und Pirouetten-drehend in den Ballett-Himmel. Ihre Sprünge sind schwerelos.

Man wundert sich fast, dass sie noch Bodenkontakt hat. Die perfekte Illusion von Schwerelosigkeit. Doch Ksenia Shevtsova gibt ihrer Sylphide zudem einen Hauch Erotik mit. Sie neckt und lockt. James hat dem nichts entgegen zu setzten. Als er schließlich versucht, die Sylphide für sich einzufangen, stirbt sie. Im Hintergrund erlebt man, dass die Braut Effie inzwischen einen anderen geheiratet hat.

Die Geschichte über die Unerreichbarkeit der absoluten perfekten Frau, verkörpert in der märchenhaften Sylphide im Gegensatz zu der realen, bodenständigen Effie, endet in der Katastrophe.

La Sylphide, M. Young, J. Zhang, E. Ibraimova © Katja Lotter

Der Version von Lacotte liegt musikalisch die Originalpartitur von Jean-Madeleine Schneitzhoeffer zugrunde. Schneitzhoeffer (1783–1852) war ein französischer Komponist, der vor allem für seine Ballettmusik bekannt ist.

Seine Musik spiegelt den Geschmack der Romantik wider, mit einer Betonung auf lyrischen Melodien, tänzerischen Rhythmen und einer klaren Struktur, die perfekt auf die choreografischen Anforderungen abgestimmt ist. Seine Kompositionen sind oft eher funktional als emotional tiefgründig, was typisch für Ballettmusik seiner Zeit war.

Das Bayerische Staatsorchester unter Myron Romanul aber steht beim Zaubern dem Ballett in nichts nach: Die Musik, vor allem die Soli von Cello und Harfe, machen den außerordentlichen Ballett-Genuss zudem zu einem Ohrenschmaus.

Barbara Hauter, 24. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Wagner, Das Rheingold Bayerische Staatsoper, Nationaltheater, 31. Oktober 2024

Giacomo Puccini, Tosca Bayerische Staatsoper, 24. Juli 2024

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