Der Pianist wird zum wahren Genießer seiner eigenen Kunst

Andrei Gologan, Maurice Ravel, Frédéric Chopin, Robert Schumann,  Herkulessaal, München

Foto © http://www.andrei-gologan.at
Andrei Gologan
, Klavier
Maurice Ravel, „Tombeau de Couperin“
Frédéric Chopin, Barcarole Fis-Dur + Polonaise-Fantaisie As-Dur
Robert Schumann, Klaviersonate in g-Moll
Claude Debussy, Prelude Nr. 8

von Shari Berner

Andrei Gologan ist ein junger Pianist, der durch seine unaufgeregte und natürliche Art überzeugt. Alles an seinem Auftritt im Herkulessaal in München wirkt stimmig: Das leichte Lächeln, mit dem er sich verbeugt. Die innere Ruhe, die er ausstrahlt, als er seinen Platz am Flügel einnimmt und sich vor den ersten Tönen konzentriert. Die natürliche Gestik, mit der er diese Töne mit Maurice Ravels „Tombeau de Couperin“ anstimmt.

Ravel komponierte ein musikalisches Denkmal für einen großen französischen Komponisten des Barock, François Couperin. Mit „Tombeau“ bezeichneten französische Komponisten jener Epoche Trauerstücke für verstorbene Kollegen. Die sechssätzige Klaviersuite entstand während des Ersten Weltkriegs, und so wurde daraus bald eine Trauermusik ganz anderer Art: Jeden der sechs Sätze widmete Ravel einem gefallenen Freund.

Andrei Gologan schafft es, dieser Trauermusik, die sich so gar nicht traurig anhört, mit gebührendem Ernst zu begegnen. Seine natürlich ruhige Spielweise ist alles, was das Werk braucht, um sich zu entfalten. Passioniert, aber nicht übertrieben wirkt seine Körpersprache am Flügel.

Auch das beständige Husten, Schnäuzen und Bonbon-Auspacken des hörbar erkälteten Münchner Publikums bringt Gologan nicht aus der Ruhe. Er hält die Spannung zwischen den Sätzen allein durch seine Haltung. Als würde er jeden Ton auf Händen tragen, so präsentiert er die fließenden Melodien Ravels. Jeder musikalische Gedanke ist ihm wichtig, nichts lässt er unbedeutend verklingen.

Es folgen zwei Stücke von Frédéric Chopin. Die Barcarole Fis-Dur geht über gattungsspezifische Merkmale weit hinaus, die ursprünglich von venezianischen Gondelliedern übernommen worden waren.

Die weitläufige tonale Anlage bringt Gologan gut zur Geltung. Aber mehr noch: Töne sind nicht nur Töne, Harmonien nicht nur eine Verbindung von Akkorden. Feinste Nuancen verschiedenster Emotionen ruft er durch sein Spiel hervor. Gologans Stärke liegt besonders in den leisen Passagen, die er unendlich zart, aber mit der nötigen Brillanz wiedergibt.

Die Polonaise-Fantaisie As-Dur spielt er mit sehr viel Hingabe. Die unterschiedlichen Charakteristika von Polonaise und Fantasie unterscheidet er deutlich, ohne zu übertreiben. Man merkt, mit diesem Stück hat Gologan eine ganz besondere Verbindung. Er lässt die Musik zur Sprache seiner Empfindungen werden.

Zum Abschluss erklingt Robert Schumanns Klaviersonate in g-Moll. Das Vivacissimo beginnt mit der Angabe „So rasch wie möglich“, gefolgt von „Schneller“ und schließlich „Noch schneller“. Andrei Gologan schafft die Gratwanderung zwischen einem Tempo, das virtuos ist, aber immer noch genießbar für den Zuhörer. Jeder Ton ist klar wahrnehmbar, keine Linie bleibt ungehört. Im zweiten Satz, dem Andantino, wird der Pianist zum wahren Genießer seiner eigenen Kunst. Verträumt lauscht er einzelnen Akkorden nach, und auch auf die Lippen der meisten Konzertbesucher stiehlt sich ein leises Lächeln. Dieser langsame Satz schafft es endlich, den Saal zum Verstummen zu bringen. Der Hustenreiz ist vergessen, das Kratzen im Hals ebenfalls. Auch im Scherzo und im Finalsatz bleibt diese Ruhe über dem Saal liegen. Dann wird zu Recht begeistert und lange applaudiert.

Als Zugabe spielt Andrei Gologan Claude Debussys Prelude Nr. 8, das die Zuhörer noch ein Weilchen länger in seiner musikalischen Traumwelt wandeln lässt, aus der am Ende niemand so recht aufwachen möchte.

Shari Berner, 24. Oktober 2017, für
klassik-begeistert.de

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