Auf den Punkt 37: Störe meine Noten nicht, Marek muss arbeiten

Auf den Punkt 37: Störe meine Noten nicht  Elbphilharmonie, 12. Dezember 2024

Marek Janowski © Felix Broede

Marek Janowski ist 85 Jahre alt. Bestes Dirigentenalter. Und obwohl er dirigiert wie ein Weltstar, steht er in bester deutscher Kapellmeistertradition. Unprätentiös, aber es irgendwie auch faustdick hinter den Ohren habend. 

NDR Elbphilharmonie Orchester

Marek Janowski / Dirigent
Jean-Yves Thibaudet / Klavier

Maurice Ravel / Le tombeau de Couperin (Fassung für Orchester)

Camille Saint-Saëns / Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 F-Dur op. 103 „Ägyptisches“

Robert Schumann / Sinfonie Nr. 4 d-Moll op. 120


Elbphilharmonie, Großer Saal, 12. Dezember 2024

 von Jörn Schmidt

Nicht nur mich macht dieser Dirigentenschlag überglücklich, auch die Musiker des NDR Elbphilharmonie Orchester spielen einfach besser, wenn altersweise Dirigenten am Pult stehen. Das war schon immer so.

Hans Schmidt-Isserstedt, Günter Wand, Herbert Blomstedt und Christoph von Dohnányi waren legendäre Chefdirigenten, die jeweils eine goldene Ära des NDR-Klangkörpers geprägt haben. Allein die Bruckner-Kompetenz, die Wand und Blomstedt dem Orchester eingetrichtert haben. Das dauert fort.

Was wird dagegen von Thomas Hengelbrock in Erinnerung bleiben? Bruckners Sinfonien schon mal  nicht. Auch John Eliot Gardiner war in Hamburg glücklos. Alan Gilberts Vertrag läuft, da ist noch Luft nach oben.

Marek Janowski, geboren am 18. Februar 1939 in Warschau, hat den Glanz vergangener Tage in die Elbphilharmonie zurückgebracht. Obwohl keine Überwältigungsmusik auf dem Programm stand, gelang ein magischer Abend. Wie bloß hat er das geschafft, das NDR Elbphilharmonie Orchester zu verzaubern?

Letzte Geheimnisse blieben gewahrt, aber drei Lektionen hat Janowski erteilt.

Lektion 1 – Bei Ravel ist eine intensive Beschäftigung mit dem Notentext ausreichend

Le Tombeau de Couperin ist Ravels Ehrerbietung an François Couperin und das Zeitalter der französischen Barockmusik. Das muss nicht klingen, als ob man gerade in einem Bistro  französischen Landwein gegen den Durst getrunken hat und dann in der Partitur  plötzlich ganz neue Tempi und Klangfarben entdeckt. Es reicht, flott vom Blatt zu spielen, nur so findet man den der Musik eigenen  Fluss.

Marek Janowski, NDR Elbphilharmonie Orchester © Daniel Dittus

Lektion 2 – Dem Solisten einfach mal die kalte Schulter zeigen

Saint-Saëns’ 5 Klavierkonzert ist ein ziemliches Effektstück für jedes Orchester. Allein schon die orientalischen Anklänge und die eigenwillige Instrumentierung tragen zu dieser Einordnung bei. Zirpende Grillen und quakende Frösche gibt es oben drauf.

Das Konzert ist ebenso ein Bravourstück für jeden Solisten. Jean-Yves Thibaudet liegt das Konzert außerordentlich. Er braucht keinen Dirigenten, der ihm seinen Part erklärt. Ebensowenig möchte er vom Orchester auf den Händen getragen werden. Aus einem solchen hochprofessionellen Nebeneinander entsteht feinste, spannende Harmonie.

Marek Janowski © Markenfotografie

Lektion 3 – Schumann darf klingen wie Beethoven

Julius Heile hat im Programmheft extra noch mal hervorgehoben, dass Robert Schumann von thematischen Kontrasten und ausgetragenen Konflikten à la Beethoven nichts wissen wollte. Fließen soll Schumanns Musik, so wie der Rhein. Das ist prima, lullt die Beteiligten dann aber gerne mal ein. Janowski weiß, wie mal alle wach hält. Bei ihm darf Schumann 4 ganz unverkrampft wie Beethoven klingen. Von revolutionär bis überschwänglich.

Aber vielleicht ist es noch einfacher. Gut möglich, dass Janowski den NDR-Musikern während der Proben frei nach Archimedes von Syrakus zugerufen hat: Stört meine Noten nicht. So einfach geht magisch.

Jörn Schmidt, 13. Dezember 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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