Auf den Punkt 56: Der Hamburger Ja-aber-Parsifal

Auf den Punkt 56: Richard Wagner, Parsifal  Hamburgische Staatsoper, 4. Mai 2025

Benjamin Bruns © Sara Schöngen

Andreas Schmidt, der Herausgeber von klassik-begeistert, denkt Tag und Nacht an seine Leser.  Ja, das ist gut für Sie, liebe Leser. Aber für uns Autoren ist das zuweilen recht anstrengend. Vor dem Hamburger Parsifal erreichte mich mal wieder eine SMS von Andreas:

Denk’ dran, die Oper müsste eigentlich Gurnemanz heißen. Denn der hat deutlich  mehr Text zu singen als Parsifal… Andreas hat ja recht. Aber bei der Rollenbesetzung, da hatte Parsifal Priorität. Denn der war mit dem angehenden Hannoveraner Weltklasse-Parsifal-Tenor Benjamin Bruns besetzt.

Richard Wagner,  Parsifal

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Chor der Hamburgischen Staatsoper

Patrick Hahn, Dirigent

Hamburgische Staatsoper, 4. Mai 2025

 von Jörn Schmidt

Die anderen Sänger, die hatten es schwer, in seinem langen Schatten zu glänzen. Aber der Hannoveraner  Bariton Christoph Pohl (Amfortas), Bass Kwangchul Youn (Gurnemanz) und Bariton Mark Stone (Klingsor), die waren auch nicht gerade ein Totalausfall.

Wenn Sie mich nun aber fragen, wie war denn Kundry mit der Sopranistin Iréne Theorin  besetzt? Da würde ich Sie gerne auf die großartige Lebensleistung der Schwedin verweisen wollen. Nicht nur Daniel Barenboim, Sir Simon Rattle, Marek Janwoski haben ja mit ihr zusammengearbeitet. Sicher nicht ohne Grund.

Iréne Theorin © Chris Gloag

Als treuer Leser meiner Kolumne werden Sie möglicherweise sagen: Aber Patrick Hahn, der Dirigent des Abends, der ist noch nicht mal 30 Jahre alt. Trauen Sie einem so jungen Mann überhaupt zu, Wagners Alters- und Meisterwerk auf die Bühne zu bringen?

Nun ja. Anfänglich drohte Sekundenschlaf. Solche Müdigkeitsattacken können tödlich sein, jedenfalls im Straßenverkehr. Dann aber, je länger die Oper dauerte, je besser kamen die Dinge in Fluss, und Hahn verhinderte seine persönliche Parsifal-Karambolage.

Und dann waren da ja noch Inszenierung, Bühne, Kostüme und Licht von Achim Freyer. Ich konnte mit seiner Musical-Ästhetik wenig anfangen. Und ob seine Inszenierung hilfreich war, die Vorgeschichte zu verstehen? Wohl kaum. Aber das kann man auch anders sehen.

Ja, aber wie hat es Ihnen denn nun gefallen, möchten Sie wissen? Gut, ohne Wenn und Aber. Wagner kriegt man eben nie ganz kaputt.

Jörn Schmidt, 4. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Wagner, Parsifal Hamburgische Staatsoper, 27. April 2025

Richard Wagner, Parsifal Tiroler Festspiele Erl, 17. April 2025

Richard Wagner, Parsifal Staatsoper Unter den Linden, 12. April 2025

5 Gedanken zu „Auf den Punkt 56: Richard Wagner, Parsifal
Hamburgische Staatsoper, 4. Mai 2025“

    1. Also bitte! Weder „Gurnemanz“ noch „Kundry“. Parsifal ist die zentrale Figur, um die es geht. Ohne Parsifal kein Sagenkreis, ohne Parsifal keine Oper. Da Wagner nur drei essentielle Episoden wählt, benötigt er dramaturgisch einen Erzähler (umständlich und lang), der singt halt am meisten, aber wesentlich für die Aussage ist er nicht. Wie immer: Nicht die Masse macht’s, sondern die Gewichtung. Und die bestimmt hier immer noch die Literatur.

      Dr. Eva Arts

      1. Danke für Ihren Einspruch. Ich hab damit gerechnet. Sie sind nicht die erste. Klar, Parsifal ist die zentrale Figur der Geschichte. Tausende Weisheiten kann man aufziehen, was der Sinn dieser Oper sein mag. Durch Mitleid wissend, der reine Thor, ist wohl die geläufigste. Im Grunde kann man sich aber einiges zusammenspinnen, so wie jeder mag.

        Musikalisch, von der Dramaturgie, ist für MICH aber die Kundry alles! Ohne sie wäre die Oper nur halb so viel wert. Ihretwegen nur gibt es die Generalpause, die allen das Blut in den Adern stocken lässt, als sie Jesus am Kreuz auslacht. Das ist mein Highlight der Oper. Samt des Schreis, der diesem Stillstand vorausgeht. Nicht zu vergessen: Ihre Rolle ist entscheidend für die Entwicklung der Handlung und die Transformation Parsifals. Ohne Kundry gäbe es keine Versuchungsszene, keinen Erkenntnismoment für Parsifal und letztlich keine Erlösung. Gepaart mit dem Orchester ist die Kundry alles! Danach Gurnemanz und Parsifal. Das ist rein subjekiv, meine persönliche Beziehung zu dieser Oper. Kann sich jederzeit ändern.

        Jürgen Pathy

  1. Die Oper heißt zurecht vor allem nicht „Gurnemanz“, da dieser eine rein passive und nicht handlungstreibende Rolle spielt.

    Eher noch „Klingsor und die Gralsritter“ oder — wie Jürgen Pathy bereits vorgeschlagen hat — „Kundry.“

    Johannes Fischer

    1. ??? Klingsors Zauberreich geht dank Parsifal unter, die Gralsritter würden ohne Parsifal krepieren und Kundry ist eine Einzelfigur zwischen den Welten und würde heute noch unerlöst herumirren… Und ohne Parsifal gäb’s keinen Lohengrin.

      Dr. Eva Arts

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