Riccardo Minasi © Sophie Wolter
Ein Orchester ist dann ganz oben angekommen, wenn nicht die ganze Kraft dabei draufgeht, richtig zu spielen und seinem Dirigenten zu folgen. Sondern den ganzen Abend lang noch genug Körner hat, um jeder Note tief gefühlten Ausdruck abzuringen. Das macht jeden Klangkörper regelrecht zu einer Waffe.
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Riccardo Minasi // Dirigent
Beatrice Rana // Klavier
Carl Maria von Weber // Ouvertüre zu „Der Freischütz“ op. 77
Ludwig van Beethoven // Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll op. 37
Johannes Brahms // Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98
Elbphilharmonie, Großer Saal, 29. September 2025
von Jörn Schmidt
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ist so eine Waffe. Und setzt die Waffen eines Orchesters höchst unterschiedlich ein, von zerstörerisch bis bezaubernd. Oder auch karrierefördernd. Der finnische Dirigent Tarmo Peltokoski zum Beispiel ist seit 2022 Principal Guest Conductor der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen.
Tarmo ist gerade mal 25 Jahre alt. Aber wenn er die Kammerphilharmonie Bremen dirigiert, klingt das so gar nicht juvenil. Eher so, als ob ein alter Hase am Pult steht. Wenn da mal nicht die alten Recken der Kammerphilharmonie regelmäßig wohlwollend nachhelfen…
Heute gab Local Hero Riccardo Minasi sein Debüt als Dirigent der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Der Italiener ist seit 2022 Erster Gastdirigent beim Hamburger Ensemble Resonanz. Man kennt sich dort seit 2014.
Zusammen hat man in der Elbphilharmonie jetzt erst mal Beethoven zerstört. Schon bei Webers Freischütz-Ouvertüre stand kein Baum mehr im deutschen Wald. Das Unterholz: Verdorrt Das raue Klangbild und die rasanten Tempi haben eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.
Beethoven stand Minasis musikwissenschaftlich fundierte Herangehensweise ebensowenig, klang seelenlos und wie schon 100mal gehört. Ließ einen unmittelbar Karajans polierten Schönklang vermissen.
Bei Brahms zunächst der gleiche Stiefel. Schnelle, unerbittlich vorwärtsdrängende Tempi. Aber was bei Beethovens 3. Klavierkonzert noch uninspiriert-belanglos daherkam, geriet bei Brahms 4. Sinfonie mitreißend. Historische Erkenntnisse und Leidenschaft gingen beim Hauptwerk des Abends Hand in Hand.
Drama und Gefühl, plötzlich alles da. Jede Note hatte jetzt ihren eigenen Sound, eine spezielle Klangfarbe. Hamburger Kolorit von zärtlich bis revolutionär. Ein frischer, singender Brahms. Wie konnte das gelingen?
Nun, ich würde meinen: Brahms litt lange darunter, im musikalischen Erbe Ludwig van Beethovens gehört zu werden. Minasi hat diesen übergroßen Schatten für einen kostbaren Moment zerschlagen, um Brahms auf ein ganz eigenes Podest zu heben. Auch Minasis Beethoven wirkte rückblickend minder dröge. Nicht zuletzt dank Beatrice Rana, die technisch bravourös ein Füllhorn von Klangfarben und Gefühligkeit beisteuerte. Nur der Weber, der hatte tatsächlich ernstlich Schaden genommen…
Jörn Schmidt, 30. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Beatrice Rana, Klavier Riccardo Minasi, Dirigent Elbphilharmonie Hamburg, 29. September 2025
Ensemble Resonanz, Donatienne Michel-Dansac, Riccardo Minasi, Elbphilharmonie Hamburg