Stefan Vladar © Jan Philip Welchering
„Hör mal, wer da hämmert“ ist der deutsche Titel einer US-amerikanischen Sitcom („Home Improvement“) der 1990er-Jahre. Ich habe mir keine einzige der insgesamt 204 Episoden angesehen. Fragen Sie mich also bitte nicht, woher ich diese Serie kenne. Keine Ahnung… Ich weiß indes, dass Stefan Vladar viel für das Theater Lübeck getan hat.
Johannes Brahms / Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15
Johannes Brahms / Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 83
Stefan Vladar / Klavier
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Roberto Paternostro / Dirigent
Musik- und Kongresshalle Lübeck, Konzertsaal, 23. November 2025
von Jörn Schmidt
Allein schon seine Verdienste um die deutsche Spätromantik. In der Hansestadt Lübeck hat der österreichische Dirigent und Pianist in seiner Amtszeit eine fulminante Salome und eine brillante Elektra verantwortet.
Überhaupt, die Oper Lübeck. Das Lübecker Theater zählt zu den bedeutenden, noch erhaltenen Jugendstil-Theatern Europas. Die Liste der prägenden Dirigenten ist ein Who’s Who der deutschen Kapellmeistertradition. Unter anderem wirkten dort:
Hermann Abendroth (1905–1911), Wilhelm Furtwängler (1911–1915), Eugen Jochum (1928/29), Christoph von Dohnányi (1957–1963), Gerd Albrecht (1963–1966) oder Bernhard Klee (1966–1973).
Zu seinem 60. Geburtstag hatte der amtierende Generalmusikdirektor Stefan Vladar offenbar und hochverdient einen Wunsch frei. Nicht weniger als beide Klavierkonzerte von Johannes Brahms wollte er in einer Matinee aufführen.
Als Pianist, wohlgemerkt. Das erfordert einiges an Stehvermögen. Dass es dem Österreicher daran nicht mangelt, hat er 2022 eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Indem er Pfingstsonntag alle 5 Klavierkonzerte von Beethoven auf die Bühne gebracht hat.
Seinerzeit als Pianist und Dirigent in Personalunion. Für den Brahms-Marathon am heutigen Totensonntag hatte Vladar indes Verstärkung einbestellt. Am Pult stand Landsmann Roberto Paternostro. Der 68-Jährige Wiener war erst 2024 nach schwerer Krebserkrankung auf die Bühne zurückgekehrt.
Endete der hanseatische Marathon mit einem Rekord? Geschmackssache – das hängt immer auch an den eigenen Erwartungen. Für mich sind beide Klavierkonzerte ein Füllhorn der Kontraste:
Mal stürmisch und rebellisch, dann trauernd, unvermittelt aufgeladen mit romantischer Glückseligkeit. Die Interpretation erfordert Besonnenheit ebenso wie sprunghafte Wechsel in Dynamik, Rhythmik und Tempo.
Moll und Dur müssen wie die Wendungen des Lebens überraschen. Damit Verzweiflung, Hoffnung und Glück ihre volle Wirkung entfalten. Paternostro dagegen nahm Brahms Emotionen gelassen, legte den Orchestersatz insgesamt lyrisch-zart an.
Bloß keine vulgär herausfahrende Instrumentengruppe bitte. Selbst den Kontrabässen schien es bei Strafe verboten, Brahms-typisch tief zu knurren.
Vladar dagegen hatte keine Skrupel, die Tasten seines Flügels durchweg recht hart anzuschlagen. Als kraftvoller, nie ruhender Gegenpol im kammermusikalischen Austausch mit seinem gezähmten Orchester?
Gut möglich. Allein, auch der Solist verschliff dadurch in seinem Part den Kontrast zwischen Kraft und Lyrik. Hier wegpoliert, dort weggehämmert…
Jörn Schmidt, 24. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Salome, Oper von Richard Strauss Theater Lübeck, Musiktheater, 18. November 2022 Premiere
Elektra, Musikdrama von Richard Strauss Theater Lübeck, Premiere am 27. Januar 2024