Zwei junge Traumpaare begeistern in John Neumeiers Sommernachtstraum

Ballett von John Neumeier nach William Shakespeare, Ein Sommernachtstraum  Staatsoper Hamburg, Hamburg Ballett, 20. April 2023

Lizhong Wang (Demetrius) überreicht Ida Stempelmann (Helena) den ihr zugeworfenen Blumenstrauß (Foto: RW)

Ida Stempelmann saß die Rolle der unglücklich Liebenden, aber ihr Ziel nicht aus den Augen verlierenden Helena wie auf den Leib geschrieben. Wie sie den zeitweiligen Triumph, von zwei Liebhabern begehrt zu sein, gegenüber ihrer sonst eher von den Männern bewunderten, nun aber allein dastehenden Freundin Hermia ausspielt und genießt, ist herrlich anzuschauen.


Ein Sommernachtstraum

Ballett von John Neumeier nach William Shakespeare

Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, György Ligeti sowie traditionelle mechanische Musik

Bühnenbild und Kostüme von Jürgen Rose

Staatsoper Hamburg, Hamburg Ballett, 20. April 2023

von Dr. Ralf Wegner

Neumeiers ewig junges, 1977 uraufgeführtes Ballett Ein Sommernachtstraum wird derzeit in zwei Besetzungen gegeben, am kommenden Sonntag sogar nachmittags und abends. Während  in der Nachmittagsvorstellung mit Anna Laudere und Edvin Revazov als Titania und Oberon sowie Madoka Sugai als Hermia, Karen Azatyan als Demetrius sowie Jacopo Bellussi als Lysander Protagonisten der auf DVD erhältlichen Verfilmung auftreten, ist es abends bei den Hauptrollen nur Alexandr Trusch, der als Puck besetzt ist.

Gestern Abend tanzte die zweite Besetzung mit einem großartigen Alexandr Trusch als Philostrat und Puck. Er beeindruckte nicht nur technisch-tänzerisch, sondern überzeugte als Puck mit seiner intensiven Darstellung von Lust und Lebensfreude, die sich unmittelbar auf das Publikum übertrug. Die Paare Hermia/Lysander sowie Helena/Demetrius waren mit zwei Tänzerinnen der Gruppe, die beiden männlichen Rollen mit Solisten besetzt. Charlotte Larzelere zeigte als Hermia wie schon bei ihrem Auftritt als Natalia im Schwanensee, dass sie tänzerisch durchaus mit den Ersten Solistinnen mithalten kann. Mit ihrem Partner Matias Oberlin gelangen furiose Pas de deux, auch optisch passten beide gut zusammen.

Die immer fröhliche, bisher in klassischen Partien eher weniger besetzte Ida Stempelmann erwies sich als gute Nachfolgerin von Hélène Bouchet, die für die leicht komisch angelegte Rolle der Helena die darstellerische Latte hoch gehängt hatte. Stempelmann saß die Rolle der unglücklich  Liebenden, aber ihr Ziel nicht aus den Augen verlierenden Helena wie auf den Leib geschrieben. Wie sie den zeitweiligen Triumph, von zwei Liebhabern begehrt zu sein, gegenüber ihrer sonst eher von den Männern bewunderten, nun aber allein dastehenden Freundin Hermia ausspielt und genießt, ist herrlich anzuschauen. Auch ihr klassisch tänzerisches Können ist beeindruckend, desgleich jenes ihres Partners Lizhong Wang, der die Rolle etwas weniger streng soldatisch anlegte als Karen Azatyan auf der DVD.

Matias Oberlin (Lysander) überreicht Charlotte Larzelere (Hermia) den ihr zugeworfenen Blumenstrauß (Foto: RW)

Das Handwerkerseptett wurde von Alexandre Riabko als Zettel angeführt, der nicht nur mit seiner großen tänzerisch und darstellerischen Erfahrung überzeugte, sondern auch Alina Cojocaru wunderbar partnerte; er in einen Esel verwandelt, sie als Titania ihm in Liebe ergeben. Wie sie sich gegenseitig becircen, umschlingen, wieder voneinander lösen, langsam in den Hintergrund des Geschehens rollen und sich dort wieder einander zuwenden, ist höchste Tanzkunst, wie man sie nicht oft sieht. Artem Prokopchuk nahm als Thisbe für sich ein, Ricardo Urbina ging in der Rolle des Löwen auf, Borja Bermudez hielt den Mond, Louis Haslac bediente den Musikautomaten und Nicolas Gläsmann sowie Eliot Worrell fungierten als Wand.

Christopher Evans glänzte als Theseus/Oberon solistisch und darstellerisch mit einer noblen, aber auch zur Rolle passenden stiff upper lip Attitüde, zeigte beim Partnern aber nicht ganz die Vollendung, mit der sich ein Paar im Pas de deux zu einer tänzerischen Einheit verbindet, wie vorher für Alexandre Riabko beschrieben und wie es auch von Florian Pohl als Titanias Lieblingself beim Heraustragen seiner Herrin auf dem nach oben gestreckten Arm gezeigt wurde.

Das Sommernachtstraum-Ensemble: Borja Bermudez (Schlucker als Mondschein), Lizhong Wang (Demetrius), Ida Stempelmann (Helena), Alexandr Trusch (Philostrat), Alina Cojocaru (Titania), Christopher Evans (Oberon), Charlotte Larzelere (Hermia), Matias Oberlin (Lysander), Alexandre Riabko (Zettel als Pyramus), Artem Prokopchuk (Flaut als Thisbe), Louis Haslach (Klaus, ein Musiker) (Foto: RW)

Neumeiers Sommernachtstraum altert nicht, und mit jeder neuen Besetzung werden weitere oder andere Facetten der Choreographie deutlich, fast immer etwas, was man bisher nicht oder zumindest nicht so gesehen oder beachtet hat.

Während der Vorstellung war der Beifall eher verhalten, nach Ende hielt er lange an; Jubel galt vor allem den Handwerkern und Alexandr Trusch, aber auch den beiden neuen Traumpaaren. Blumen wurden für die Tänzerinnen Stempelmann, Larzelere und Cojocaru geworfen. Die musikalische Leitung hatte Markus Lehtinen inne. Die beiden Sonntagsvorstellungen sind bereits ausverkauft. Einen Tag vor oder am Tag der Vorstellung gelangen aber oft noch zurückgegebene Karten an die Kasse.

Dr. Ralf Wegner, 21. April 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

46. Hamburger Ballett-Tage: „Ein Sommernachtstraum“, Ballett von John Neumeier Hamburg Ballett, 25. Juni 20121

Hamburg Ballett, John Neumeier, „Ein Sommernachtstraum“, Staatsoper Hamburg, 8. September 2019

John Neumeier und das Hamburg Ballett

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