Beethovenfest: Das Jerusalem Quartet beginnt seinen Schostakowitsch-Zyklus

Beethovenfest: Jerusalem Quartet/Schostakowitsch-Streichquartette  Volksbank-Haus, Bonn, 18. September 2025 


Im Volksbank-Haus erklingen zwei frühe und zwei späte Werke.

 Dmitri Schostakowitsch (1906-1975)Streichquartette Nr. 1 C-Dur op. 49; Nr. 5 B-Dur op. 92; Nr. 11 f-Moll op. 122; Nr. 12 Des-Dur op. 133

Jerusalem Quartet:

Alexander Pavlovsky, Violine
Sergei Bresler, Violine
Ori Kam, Viola
Kyril Zlotnikov, Violoncello

Volksbank-Haus, Bonn, 18. September 2025

von Brian Cooper, Bonn

Dieses Jahr begehen wir den 50. Todestag des großen Komponisten Dmitri Schostakowitsch, und auch abseits solcher Anlässe stellt ein Zyklus seiner 15 Streichquartette stets ein Highlight dar. Gehören die Quartette inzwischen längst zum Standardrepertoire, so ist es doch etwas eher Seltenes, Außergewöhnliches, sie gebündelt an mehreren Abenden zu erleben.

Das Bonner Beethovenfest hat für seinen Zyklus eine Formation von Weltrang gebucht, nämlich das Jerusalem Quartet. Zwei Besonderheiten betreffen die Spielorte: Einerseits gibt es eine Kooperation mit der Kölner Philharmonie, in der zwei der fünf Abende stattfinden, und andererseits sind die drei Bonner Abende auf drei verschiedene Spielstätten verteilt.

Die auf den ersten Blick problematischste ist das ein wenig seelenlose Volksbank-Haus in Plittersdorf. Nüchtern, wie der Name vermuten lässt, sehr gläsern, dennoch mit erstaunlich guter Akustik, wie der Herr hinter mir zu seiner Begleiterin anmerkt, als sie nach der Pause ihre Plätze einnehmen: „Hatte ich mir schlimmer vorgestellt.“

Die Wahl dieser Spielstätte ist vermutlich auch der Tatsache geschuldet, dass die Bank einer der Hauptsponsoren des Festivals ist. Einzig das Catering nach der Pause stört etwas: Wenn Sie ganz rechts sitzen, bekommen Sie Stimmen und Gläserklirren mit, während gespielt wird. Das lenkt vom subtilen Spiel des Quartetts auf der Bühne ab.

Dies sollte aber keineswegs einen sehr gelungenen Auftakt trüben. Die vier Herren pflegen einen eher kultivierten Schönklang, meilenweit entfernt vom kompromisslos-radikalen Ansatz des Quatuor Danel, das in diesem Jahr in Leipzig einen Zyklus gab (mit dem Oktett; in Köln spielen die Jerusalems kommende Woche das Quintett mit Elisabeth Leonskaja). Und beide Ansätze funktionieren ganz hervorragend.

Foto: Jerusalem Quartet (c) Nekame Klasohm Hires

Nun ist es mitnichten so, dass das Jerusalem Quartet nicht das Bissige, den Humor, das Ironische, das Schroffe in Schostakowitschs Musik vernachlässigte. Ganz im Gegenteil. Ist das erste Quartett, mit dem der Zyklus-Auftakt begann, noch recht lyrisch, zeigt sich schon im fünften ein bedrohlicherer Gestus. Im 11. Quartett ist die Stimmung schon ziemlich düster, bevor das 12., mit dem der Abend endete, mit etlichen Schroffheiten – Schostakowitsch flirtet hier unter anderem mit Schönberg und der Dodekaphonie – aufwartet und durchaus als schwere Kost betrachtet werden kann.

Dennoch war das Publikum durchweg aufmerksam. Diese Quartettformation lebt von intensivem und überaus schönem Zusammenspiel. Die Soli – etwa von Primarius Alexander Pavlovsky im 11. Quartett, Cellist Kyril Zlotnikov im zweiten Satz des 5. Quartetts und Bratschist Ori Kam im 1. Quartett – waren von höchster Beseeltheit.

Ganz besonders beeindruckte das 11. Quartett gleich nach der Pause: Hier wurde im zweiten Satz das insistierende Thema der ersten Violine zu einer kinderliedartigen Fuge. Und was ist eine Fuge Anderes als musikalisches Fangenspielen… Die Dissonanzen im dritten Satz klangen wie pure Verzweiflung. Da gibt es wenig Lyrisches, wenig Harmonisches, der Charakter des Werks ist ganz weit entfernt vom anfangs gehörten Frühwerk. Und die Elegie war schlichtweg ergreifend.

Foto: Jerusalem Quartet (c) Nekame Klasohm Hires

Es ist die letzte Möglichkeit, Ori Kam mit dem Quartett zu hören, den sehr expressiv spielenden Bratschisten der Formation. Er hört kommenden Monat nach 15 Jahren auf. Seine warmen Worte nach dem Schlussapplaus eines dankbaren, faszinierten Bonner Publikums wurden freundlich aufgenommen. Das Auftaktkonzert war leider nicht ausverkauft. Man hoffe, die Menschen bei den verbleibenden vier Konzerten zu sehen, so Kam, die Reise habe gerade erst begonnen…

Dr. Brian Cooper, 19. September 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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