Matthias Goerne und Michael Schønwandt verzücken mit Mahler und Tschaikowski in Brüssel

Belgisches Nationalorchester, Matthias Goerne und Michael Schønwandt  Palais des Beaux-Art, Brüssel, 22. Oktober 2022    

Foto: Matthias Goerne © Belgisches Nationalorchester    

Einen besseren Einspringer als Matthias Goerne kann es wohl kaum geben. Auch wenn Thomas Hampson seinen geplanten Auftritt krankheitsbedingt in der belgischen Hauptstadt absagen musste, sorgte der Ausnahmebariton gemeinsam mit dem dänischen Dirigenten Michael Schønwandt für Begeisterungsstürme.

Giuseppe Verdi, Divertimenti zu Nabucco  
Gustav Mahler, Des Knaben Wunderhorn (Auswahl)                     
Pjotr Tschaikowski, Sinfonie Nr. 4, op. 36  

Belgisches Nationalorchester
Michael Schønwandt, Dirigent          
Matthias Goerne, Bariton

Palais des Beaux-Art, Brüssel, 22. Oktober 2022

von Lukas Baake

Noch am Morgen vor dem Konzert bewarben Veranstalter, Plakate und hiesige Radiosender das Konzert des Belgischen Nationalorchester mit dem Auftritt des amerikanischen Bariton Thomas Hampson, zweifelsohne einer der großen Mahlerinterpreten unserer Zeit. Umso großer war die Überraschung, als Hampsons Name wenige Stunden vor dem Konzert ersetzt wurde. Krankheitsbedingt, so wurde vermeldet, könne der amerikanische Bariton den Auftritt nicht wahrnehmen.

Wie es gelang, Matthias Goerne  kurzfristig als Einspringer zu gewinnen, blieb Rätsel und nachhaltiges Glück für die Konzertbesucher zugleich. Der deutsche Bariton ist Dauergast auf den großen Bühnen der Welt und begeistert seit fast drei Jahrzehnten mit einem umfassenden Repertoire, das von Kurwenal und Wolfram über das romantische Liedrepertoire bis zu Reimanns Lear reicht.

Folglich war Goernes Interpretation von ausgewählten Liedern aus Mahlers „Des Knaben Wunderhorn“ der berückende Höhepunkte eines mehr als gelungen Konzertabends. Auch wenn Goerne von Beginn an mit voller Präsenz seinen samtig-warmen, kraftvollen Bariton durch den prachtvollen Art-Deco-Saal des Palais des Beaux-Art strömen ließ, war die fehlende Probenarbeit zwischen Orchester und Solist mehr als hörbar. Der Gesamtklang wirkte unausgeglichen, die Stimme wollte sich nicht in das Orchester einfügen und die Dynamiken griffen daneben. Die erste Ernüchterung ob der unerwarteten Schwierigkeiten waren im Anschluss jedoch schnell beiseite gekehrt. Balance und Proportionen kehrten schnell zurück, zur sichtlichen Freude von Michael Schønwandt, der das belgische Orchester mit großer Lust und Empathie führte. Goerne verstand den ihm gebotenen Raum meisterhaft für die Vielfalt seiner Stimme zu nutzen, die einen schwelgerisch-tänzelnden Gestus („Rheinlegendchen“) ebenso zu vermitteln verstand wie peinvolle Unruhe („Das irdische Leben“). Sichtbar bewegt erhob sich der Großteil des Publikums, nachdem die letzten Töne des „Urlichts“ verklungen waren.

Michael Schønwandts Dirigat verbindet Spielfreunde mit Empathie. Foto © Wigmore Hall

Umrahmt wurde Goernes Glanzstück von den Divertimenti zu Nabucco, die Verdi eigens für die Erstaufführung seiner Oper 1848 in Brüssel komponierte. Die tänzelnden Rhythmen der Divertimenti wurden durch den durchsichtigen Orchesterklang und die herausragenden Soloinstrumentalisten zu einem unerwarteten Hörgenuss. Abgerundet wurde der Konzertabend mit einer bewegten Interpretation von Tschaikowskis vierter Sinfonie. Auch hier bestachen  Schønwandts kraftvolles Dirigat, die große Freude an dem gemeinsamen Musizieren wie auch die herausragende Leistung der Orchestermusiker.

Der verdiente Applaus für Orchester und Dirigent ließ die Vorfreude auf weitere Konzertabende mit Schønwandt erahnen, der als neuer stellvertretender Dirigent des Orchesters von nun an fester Bestandteil des Brüsseler Konzertlebens sein wird.

Lukas Baake, 25. Oktober 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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