Das Benefizkonzert für die Ukraine im Hamburger Michel hat 8.153,13 Euro an Barspenden gebracht. Die Michel-Konzerthelfer verzichteten auf ihre Gage von 600 Euro. Dazu kommen noch etliche Überweisungen.
St. Michaelis, 19. März 2022
Benefizkonzert für die Ukraine im Michel
Die Hochschule für Musik und Theater Hamburg (HfMT) und die Hauptkirche St. Michaelis veranstalten ein gemeinsames Spendenkonzert für die Ukraine.
Foto: St. Michaelis, Hamburg, (c) Andreas Schmidt
von Harald N. Stazol
Die des 1937 geborenen, gerade dem Krieg entflohenen, Komponisten Valentin Sylvestrow, der eine einzige Geige fordert, fast flüsternd, gespielt von Tanja Becker-Bender, man könnte nicht die Spitze einer Nähnadel fallen hören, so hauchend wird es, und den Michel dennoch wundersam erfüllend, diesen Abend in unserer protestantischen Kathedrale, mit dessen “Postlude Nr. 2 für Violine solo”, das man so gespielt nie wieder hören wird, so, wie das gesamte Programm. Dass der russisch-orthodoxe Kammerchor des Heiligen Prokopkij hier unter kundiger Leitung der Irina Gerassimez ebenso, das “Otsche Latsch” des M. Leontowytsch singt, der “1921 im Alter von nur 43 Jahren vom Sowjetischen Geheimdienst erschossen wird” – nun, davon möge sich jeder sein eigenes Bild machen. Musik kennt keine Fronten.
Der junge, langmähnige Block-Flötist Tilman Clasen beweist bei aller Meisterschaft seines Instrumentes auch, dass in unserer protestantischen Hauptkirche auch die leisesten Töne überragend sein können, so ganz, ganz allein, was wohl äussersten Mut erfordert, ein fragiles Werk des Niederländers Kees Boeke, hingehaucht, und dem, der aus einer Familie von Flötisten kommt, ganz besonders tiefe Freude bereitet, im “Lacrime für Altblockflöte in g”, eben den Tränen, die wir, ob des Krieges, alle vergiessen dürften.
Die Nationalhymne vorweg, gesungen von den den Sopranistinnen Anastasiia Shevchuk und Tamara Smyrnova, wir alle erheben uns, und danach geben die beiden, in feinster Abgestimmtheit, wie man sie selten erleben darf, vier ukrainische Volkslieder, deren letztes, “Oj u vyschnewowu sadu”, “Im Kirschgarten”, auf unvergleichliche Weise den Reichtum der ukrainischen Melodien dokumentieren. Ausdrückliche Bewunderung ihnen!
Voll ist er nicht, der Michel, das muss man sagen, aber wer heute Abend nicht da ist, der hat etwas verpasst.
Die drei Orgeln des Michel etwa, unter Anleitung des Matthias Neumann, “Da erhob ich meine Stimme zum Himmel, um zu fragen, wie das Schicksal uns durch die Finsternis führen könne. Und der Himmel gab zur Antwort: Folge deinem blinden Instinkt”, die Worte des Omar Khayyam – nun zuerst strebt das Publikum gegen Gott, denn er, der Einende, überwölbt uns alle, Russen, Ukrainer und Deutsche.
Der Trompeter Matthias Höfs mit Giuseppe Tartinis Concerto in D zur Orgel lässt einen tief beeindruckt zurück, da stimmt jeder Triller – denn falsche Töne sucht man hier und heute umsonst. Allegro – Andante – Allegro Grazioso, dies könnte dem ganzen Konzerte gelten.
Dass solche Schönheit möglich, ist dem Abend zu danken, aber eben auch einer, der Initiatorin des Ganzen, Silke Möhl. Nun führt sie durch das ganze Programm. Innerhalb kürzester Zeit waren sehr viele exzellente Musikerinnen und Musiker am Start und haben mit Bedacht zum Anlass passende Stücke ausgewählt. Diese verfehlten ihre Wirkung nicht. Vom hoffnungsvollen Trompetenschmettern bis zu vielen leisen, nachdenklichen Tönen war alles dabei. Die Konzerthelfer des Michels berichteten, dass viele der 500 Besucher mit Tränen in den Augen und sehr bewegt das Konzert verließen.
Musik kennt keinen Krieg. Musik kennt keine Feinde. Musik erkennt nur Frieden.
Und so beschwört man das Touristenpaar, doch nur hineinzukommen, mit den Worten, “you´ll never hear that again”, und wahrlich, so wird es man nicht mehr hören: Weder das “Gedanke unser, noch das “Dostoino jestj” – “Du stilles Licht heiligen Glanzes”.
Und wieder wird man sich gewahr, dass sogar die Kassetten an den Emporen von St. Michaelis gehalten sind, in Himmelblau, und Gold.
Harald N. Stazol, 19. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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