Theater an der Wien: Maresi Riegner ist auch ohne Gesang der Star des Abends

Benjamin Britten, A midsummer night’s dream,  Theater an der Wien

Foto: Werner Kmettisch (c)
Theater an der Wien
, 17. April 2018
Benjamin Britten, A midsummer night’s dream

von Mirjana Plath

Benjamin Brittens Oper „A midsummer night’s dream“ von 1960 basiert auf der gleichnamigen Komödie von William Shakespeare. Es ist eine verwirrende Geschichte mit vielen Szenenwechseln über Elfen, Rüpel und Verliebte. Eine gehörige Portion Magie macht diesen „Sommernachtstraum“ mit seinen vielen Figuren zu einer abstrusen Verwechslungsgeschichte.

Derartige Feenmärchen und mystische Sagen können sehr kitschig inszeniert werden. Einen völlig anderen Ansatz zeigt der venezianische Regisseur Damiano Michieletto in seiner aktuellen Inszenierung von Brittens „Sommernachtstraum“ am Theater an der Wien. In seinem Konzept holt er die Oper in die Realität, macht ihre Geschichte nachvollziehbar. Die Inszenierung wählt Puck als Zentrum der Geschehnisse. Um ihn entspinnt sich die ganze Handlung, auf ihn läuft die Dramaturgie zu.

Das altehrwürdige Athen als ursprünglicher Handlungsort der Oper weicht einer Schule mit Turnhalle und Theaterbühne. Die Liebenden Lysander, Hermia, Demetrius und Helena sind Jugendliche, die die Nacht heimlich in ihrer Schule verbringen. Auch die schauspielernden Handwerker von Shakespeare macht Michieletto zu pubertierenden Jugendlichen, die für eine Schulaufführung ein Theaterstück proben. Puck ist das Bindeglied zwischen dieser menschlichen Welt und der magischen Sphäre der Elfen. Michieletto zeichnet ihn als traumatisiertes Kind, das in seiner Imagination Elfen zum Leben erweckt. Oberon und Tytania sind nur ein Fantasiebild im Kopf des Jungen. Durch Videoeinspielungen kann das Publikum im Laufe der Vorstellung nachvollziehen, dass Puck seine verunglückten Eltern in die Traumfiguren der Elfenkönige projiziert. Die psychologische Konnotation, die der Regisseur dadurch dem Stück verleiht, macht diesen Mittsommernachtstraum greifbarer. Sie wird weniger phantastisch und kurios, dafür umso stringenter in den Handlungsverzweigungen.

Großartig ist Maresi Riegner als Puck. Ihr Schauspiel und ihre enorme Bühnenpräsenz lassen vergessen, dass dort auf der Bühne eine erwachsene Frau steht. Sie verkörpert die Sprechrolle des kleinen Schuljungen so authentisch, dass sie sich perfekt in die Reihen der St. Florianer Sängerknaben einfügt. Sehr feinfühlig zeigt sie die Gefühlsregungen eines Buben, der seine Eltern in einem traumatischen Autounfall verloren hat.

Eine einfühlsame Mutter spielt die Sopranistin Daniela Fally als Tytania. Melancholisch klingt ihre Stimme, die dennoch weit in den Saal hineinträgt. Sie singt ihre Partie klar und rein aus. Der Countertenor Bejun Mehta übernimmt die Rolle des Oberon. Sein Gesang ist durchdringend und schwächelt selbst in hohen Lagen nicht.

Von den zwei Liebespaaren ist besonders Natalia Kawalek (Mezzosopran) als Hermia hervorzuheben. Sie setzt das Vibrato in ihrer Stimme gezielt ein und verleiht der Partie dadurch einen affektvollen Klang. Die Sopranistin Mirella Hagen in der Rolle der Helena ist eine pubertierende Schülerin par excellence. Es wirkt so, als sei sie direkt von der Schulbank auf die Opernbühne gehopst. Doch auch ihre direkten Spielpartner Rupert Charlesworth (Tenor) als Lysander und Tobias Greenhalgh (Bariton) als Demetrius liefern sich unterhaltsame Hahnenkämpfe. Alle vier Liebenden stechen durch ihre unbeschwerte Spielweise und ihren jugendlichen Klang hervor. Es ist ein Vergnügen, bei ihren hormongesteuerten Abenteuern zuzusehen.

Zudem schafft es das Theater an der Wien immer wieder, grandiose Bassisten zu engagieren. Nach Stefan Cerny in „Maria Stuarda“ Anfang dieses Jahres ist das nun Tareq Nazmi in der Rolle des Nick Bottom. Seine Stimme klingt voll und kraftvoll. Die tiefen Töne muss er nicht angestrengt aus sich herauspressen, sondern kann sie klar und melodisch präsentieren. Sein komödiantisches Talent trägt zu der unterhaltenden Vorstellung bei. Herrlich komisch sind auch seine Kumpanen, die von Lukas Jakobski (Bass), Michael Laurenz (Tenor), Dumitru Mădărășan (Bass), Andrew Owens (Tenor) und Kristján Jóhannesson (Bariton) gespielt werden.

Für die musikalische Gestaltung ist der italienische Dirigent Antonello Manacorda verantwortlich. Die Stärke der Wiener Symphoniker unter seiner Leitung liegt darin, selbst im Piano noch unzählige Abstufungen in der Dynamik zu schaffen. Feingliedrig fügen sich die Instrumente zu einem zarten Klanggerüst zusammen. Die lauten Passagen macht Manacorda nicht zu ohrenbetäubendem Getöse, sondern lässt sie grazil vom Orchester spielen. Er hebt den phantastischen und märchenhaften Charakter der Musik hervor. Die Magie, die sich in der Inszenierung nur in Pucks Kopf abspielt, macht der Dirigent dadurch für das Publikum hörbar.

Mirjana Plath, 18. April 2018, für
klassik-begeistert.de

Antonello Manacorda, Musikalische Leitung
Damiano Michieletto, Inszenierung
Paolo Fantin, Bühne
Klaus Bruns, Kostüme
Alessandro Carletti, Licht
Landsmann+Landsmann Videoproduktion, Video
Bejun Mehta, Oberon
Daniela Fally, Tytania
Maresi Riegner, Puck
Güneş Gürle, Theseus
Ann-Beth Solvang, Hippolyta
Rupert Charlesworth, Lysander
Tobias Greenhalgh, Demetrius
Natalia Kawalek, Hermia
Mirella Hagen, Helena
Tareq Nazmi, Nick Bottom
Lukas Jakobski, Peter Quince
Michael Laurenz, Francis Flute
Dumitru Mădărășan, Snug
Andrew Owens, Tom Snout
Kristján Jóhannesson, Robin Starveling
Moritz Strutzenberger, Cobweb
Johannes Jehetner, Peaseblossom
Fabian Winkelmaier, Mustardseed
Christian Ziemski, Moth
St. Florianer Sängerknaben
Wiener Symphoniker

Copyright: Werner Kmetitsch/Theater an der Wien

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