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Berliner Philharmoniker, Werke von Sibelius und Schostakowitsch, Philharmonie Berlin, 6. Mai 2018
Berliner Philharmoniker
Paavo Järvi, Dirigent
Lisa Batiashvili, Violine
Jean Sibelius
Nächtlicher Ritt und Sonnenaufgang, Tondichtung für Orchester op. 55
Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47
Dmitri Schostakowitsch
Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 54
von Sebastian Koik
Der Höhepunkt des Abends ist das Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 47 von Jean Sibelius. Was ist das für ein starkes Stück!! Das Werk und die grandiose Umsetzung machen riesigen Spaß! Vom ersten Ton an erzeugen die Berliner Philharmoniker unter dem Dirigenten Paavo Järvi große Spannung. Alle Musiker interpretieren das Stück voller Intensität, Gefühl, Drama und Schönheit. Das Weltklasse-Orchester und die Spitzen-Geigerin kratzen mit ganz feiner Nadel herrlichste Zwischentöne aus der Komposition. Das ist Perfektion! Besser geht es nicht.
Die Berliner Philharmoniker sind auf Zack, spielen mit grandiosem Timing. Lisa Batiashvili zaubert auf ihrer Guarneri del Gesù aus dem Jahre 1739 ein Solo voller schönstem Weltschmerz in den Saal. Die georgische Geigerin, die in diesen zwei Konzerten für die erkrankte Janine Jansen einspringt, erhält einen verdienten Riesenapplaus.
An diesem Violinkonzert, seinem einzigen Instrumentalkonzert, arbeitete Jean Sibelius einige Jahre. Aino Sibelius, die Ehefrau des großen finnischen Komponisten, erinnerte sich später: »Die Nächte hindurch wacht er, spielt wunderbar schön, kann sich nicht von den verzaubernden Tönen losreißen. […] Er hat so viele Ideen, dass es kaum zu glauben ist. Und alle Motive sind so entwicklungsfähig, so voll von Leben.« Genauso verliebt, wie der Komponist in das eigene Werk war, ist es auch das Publikum in der Berliner Philharmonie.
Schwieriger wird es mit dem folgenden Stück. Grundsätzlich gibt es in der Musik von Schostakowitsch viele Abgründe, seine Musik ist selten etwas für schwache Nerven. „Es gibt bei Schostakowitsch enorme Widersprüche. Sie sind unvereinbar. Im Licht dieser Konflikte muss er gesehen werden. Nur dann kann man seine Kunst verstehen“, sagte der russische Schriftsteller Michail Soschtschenko gegenüber seiner Schriftsteller-Kollegin Marietta Schaginjan. Wer sich auf die Widersprüche und das Dunkle und Gefährliche in Schostakowitschs Werken einlassen kann, wird in der Regel belohnt.
… Doch mit dem heute gespielten Schostakowitsch-Stück ist das nicht so einfach! In der zweiten Konzerthälfte des Abends steht Schostakowitschs Symphonie Nr. 6 h-Moll op. 54 auf dem Programm. Ursprünglich sollte diese Symphonie Lenin gewidmet werden, letztendlich wurde sie das doch nicht. Sie gilt neben den vorangehenden und den nachfolgenden Symphonien als schwächeres Werk.
Doch die Musiker lassen sich davon nicht beirren, die Berliner Philharmoniker und Paavo Järvi haben auch hier sichtlich großen Spaß an der Arbeit. Und ihre Spielfreude überträgt sich bei allen eventuellen Vorbehalten gegen die Komposition, auf das dankbar empfangende und begeisterte Publikum. Der Applaus ist groß.
Sebastian Koik, 15. Mai 2018,
für klassik-begeistert.de