Blu-ray Rezension:
Alfredo Catalani
La Wally
Wiener Symphoniker
Andrés Orozco-Estrada
Theater an der Wien
Unitel 806404
von Peter Sommeregger
Diesseits der Alpen, in denen die Handlung angesiedelt ist, begegnet man Catalanis Erfolgsoper eher selten. Das ist schwer nachvollziehbar, weil das Werk eine Fülle schöner Musik und dankbarer Rollen enthält.
Wallys Arie „Ebben! Ne andrò lontana“ ist ein absoluter Ohrwurm und ist auch auf vielen Recitals enthalten. Diese schwermütige Melodie zieht sich durch die ganze Oper, die auf den Roman „Die Geierwally“ zurückgeht. Ein durch und durch alpines Drama also, aber der Regisseurin Barbora Horáková Joly fällt dazu leider rein gar nichts ein, die Bühnenbilder und Kostüme von Eva-Maria van Acker erschöpfen sich auch in schwer bespielbaren Kulissen und mäßig kleidsamen, den Stil der Trachten ängstlich vermeidenden Kostümen. Auch diesem Team scheint nicht mehr klar zu sein, dass die Kunstform Oper sehr viel mit Schönheit und Ästhetik zu tun hat. In diesem Fall wurde sogar an der Beleuchtung gespart, wodurch sich die szenische Tristesse noch erhöht.
Leidtragende sind neben dem Publikum auch die Sänger, die speziell im dritten und vierten Akt durch eine abstrakte Metallkonstruktion turnen müssen, Schwindelfreiheit vorausgesetzt. Aber das stark besetzte Ensemble trotzt all diesen Widrigkeiten erfolgreich und macht die Aufführung zumindest musikalisch zu einer erfreulichen Veranstaltung.
Die Partie des grimmigen alten Stromminger ist mit Alastair Miles geradezu luxuriös besetzt, die Hosenrolle des Walter stattet Ilona Revolskaya mit einem klangvollen Mezzosopran aus. Die Nebenrollen der Afra und des Pedone sind mit Sofia Vinnik und Zoltán Nagy sehr stimmig besetzt.
Die drei, ein verhängnisvolles Dreieck bildenden Hauptfiguren trotzen der Inszenierung erfolgreich und machen ihr eigenes Ding. Dem unterlegenen Rivalen Gellner verleiht Jacques Imbrailo mit sehr differenziertem baritonalen Timbre glaubwürdig den Leidenston des ernsthaft Liebenden. Sein Gegenspieler Hagenbach findet in Leonardo Capalbo seinen temperamentvollen tenoralen Widerpart. Ihm gelingen großartige Momente, die den schwierigen Charakter dieser Figur verständlich machen. In der Titelrolle der Wally liefert Izabela Matula eine eindrucksvolle Leistung. Ihr schöner, mit reichen Farben ausgestatteter Sopran verfügt über die erforderliche Fülle und Durchschlagskraft, ohne dabei an ihre Grenzen zu stoßen. Obwohl von der Regie weitgehend allein gelassen, gelingt es diesen drei Sängern, das hoch emotionale Drama glaubwürdig über die Rampe zu bringen.
Der Arnold Schoenberg Chor beweist wieder einmal seine Kompetenz. Dafür, dass die Chorsolisten lediglich permanent von einem Bein auf das andere wechseln, kann man nur die Regie verantwortlich machen.
Die Wiener Symphoniker unter Andrés Orozco-Estrada werden dieser süffigen, schon auf den Verismo weisenden Musik bestens gerecht und geben den Sängern sicheren Halt.
Man könnte meinen, ein so schwaches Regieteam wäre international chancenlos. Weit gefehlt, dem Portal „Operabase“ kann man entnehmen, dass sie bereits von ersten Häusern gebucht sind. Rätselhaft!
Peter Sommeregger, 6. Juli 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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