Gardiner gelingt es, den Spannungsbogen während der über drei Stunden dauernden Aufführung optimal zu halten. Am Ende großer Applaus und ein begeistertes Publikum.
Blu-ray-Rezension:
Claudio Monteverdi
L’Incoronazione di Poppea
Monteverdi Choir
English Baroque Soloists
John Eliot Gardiner
Unitel Opus Arte OABD 7297D
von Peter Sommeregger
Venedig, in der Geschichte DIE Hauptstadt der Oper schlechthin, war 1642 auch der Ort der Uraufführung von Claudio Monteverdis letzter Oper „L’Incoronazione di Poppea“. Ein Novum war die Tatsache, dass in diesem Werk historische Figuren als Protagonisten erscheinen, nicht mythologische Figuren wie bisher. Dies verleiht der Handlung ihren eigenen Reiz und macht sie lebendig.
Die nun erschienene Aufzeichnung einer Aufführung von 2017 fand im traditionsreichen Teatro La Fenice in Venedig statt, damit ist diese Oper wieder einmal in der Stadt ihrer Uraufführung zu hören. Es ist immer wieder faszinierend, wie verschiedene Spezialisten für Alte Musik aus der Not, dass von Monteverdis Opern keine vollständigen Partituren erhalten sind, eine Tugend machen. Bei Erstellung der Stimmen und eines Aufführungskonzepts ist Kreativität gefordert, und so erlebt man diese Opern in immer leicht veränderter Form.
Einer der herausragenden Experten für die Musik dieser Epoche ist der Brite John Eliot Gardiner, der sich mit der Gründung der English Baroque Soloists ein Ensemble nach seinen Wünschen geschaffen hat, das auch bei dieser Aufführung zum Einsatz kommt, und seine Kompetenz nachhaltig unter Beweis stellt.
Auf eine vollgültige Inszenierung mit Kulissen hatte man verzichtet, und eine halbszenische konzertante Aufführung arrangiert, die aber den Protagonisten ausgiebig Gelegenheit gibt, sich auch darstellerisch in Szene zu setzen. Das gesamte Ensemble entwickelt eine erstaunliche Spielfreude, die keinen Augenblick Langeweile aufkommen lässt, und den roten Faden der Handlung gut nachvollziehbar macht.
Gardiner wählte für die Aufführung ein klug zusammen gestelltes Sänger-Ensemble, das nicht unbedingt von großen Namen dominiert war, sich aber als ausnahmslos auf höchstem Niveau agierend herausstellte. Gardiner hat ein gutes Gespür für den Zusammenklang der einzelnen Stimmen. Der Countertenor Kangmin Justin Kim setzt für den Nero eine in allen Lagen sichere Stimme ein, mit einer sehr sicheren Höhe, die durchaus den Neid von Sopranistinnen erregen könnte. Einen guten Kontrast dazu stellt die lyrische Sopranstimme von Hana Blażiková dar, die sich in den Zwiegesängen des Paares gut behaupten kann. Der unglücklich verliebte Ottone wird vom Counter Carlo Vistoli mit großer Sensibilität interpretiert, der Seneca von Gianluca Buratto sorgt für sonore tiefere Lagen.
Ausgezeichnet auch die Nutrice des Michał Czerniawski. Der Vergleich zwischen den drei Countertenören zeigt deutlich, wie sehr sich die Counter-Szene individualisiert hat. Auch die Soprane Anna Dennis (Drusilla) und Silvia Frigato (Amore) können überzeugen. Lucile Richardot als Arnalta, besonders aber die Ottavia von Marianna Pizzolato mit ihrem satten, runden Mezzosopran tragen zum Gelingen der Aufführung bei.
Gardiner gelingt es, den Spannungsbogen während der über drei Stunden dauernden Aufführung optimal zu halten. Am Ende großer Applaus und ein begeistertes Publikum.
Peter Sommeregger, 20. Juli 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
L’ORFEO Claudio Monteverdi, Wiener Staatsoper, 11. Juni 2022, Premiere
Claudio Monteverdi, L’Orfeo, Konzertante Aufführung Theater an der Wien, 22. Februar 2022