Foto: © Maxim Schulz
Elbphilharmonie Hamburg, 9. März 2019
Branford Marsalis Quartet
Branford Marsalis, saxophone
Joey Calderazzo, piano
Eric Revis, bass
Justin Faulkner, drums
von Sebastian Koik
Vom Start weg brennen sie ein musikalisches Feuerwerk ab. Branford Marsalis, Joey Calderazzo, Eric Revis und Justin Faulkner spielen sich schon zu Beginn eines Jazz-Konzertes der Superlative in einen Rausch.
In den ersten Minuten – und später immer mal wieder – kann man als Zuschauer kaum seinen Augen trauen. Geradezu unwirklich schnell agieren Eric Revis am Bass und Justin Faulkner am Schlagzeug, es sieht aus als liefe das Geschehen nicht in Realzeit ab, sondern als betrachtete man ihr Musizieren im Fast-Forward-, beziehungsweise Vorspul-Modus eines Videos. Wahnsinn!
Im nächsten Stück ist das Augenmerk auf Joey Calderazzo am Piano. Sein brillantes Spiel ist hier virtuos und wirkt sehr perkussiv mit überaus hartem Anschlag. Kurz darauf steigern sich Revis und Faulkner an Bass und Schlagzeug wieder in den nächsten wahnwitzigen Rausch hinein.
Marsalis gründete das Quartett 1986. Mit Revis und Calderazzo spielt er schon 22 und 20 Jahre zusammen – und Justin Faulkner ist auch schon seit zehn Jahren dabei. Die vier Herren verstehen einander blind, bereicherten einander über die Jahre und ziehen jetzt mit einem großen gemeinsamen künstlerischen Erfahrungs-Schatz und verbrüderten musikalischen Seelen an einem Strang.
Das Branford Marsalis Quartet muss niemandem mehr etwas beweisen. Und doch tun sie das an diesem Abend in Hamburg auf derart mitreißende Weise, dass sie ihren legendären Ruf noch einmal untermauern.
Plötzlich spielt Calderazzo herrlich zart und lyrisch – Branford Marsalis macht es ihm unfassbar weich und sanft am Saxofon nach.
Joey Calderazzo lässt seinen Flügel erzählen; in seinem extrem ausdrucksstarken Spiel voller Intensität kann er die verschiedensten Gefühle und Stimmungen lebendig werden lassen. Joey Calderazzo spielt brillant. Besser als er das in diesem Konzert spektakulär demonstriert, kann man nicht Jazz-Piano spielen! Calderazzo baut schönste Traumschlösser, malt genial innere Welten.
Der Weltklasse-Pianist erzählt mit seinem Instrument – und die auch dem breiteren Publikum bekannte lebende Jazz-Legende Branford Marsalis lässt sein Saxofon singen, voller Seele singen. Wie Calderazzo musiziert Branford Marsalis ebenfalls unfassbar ausdrucksstark und vielseitig: mal frech, mal trotzig, mal verträumt, mal zärtlich, mal wild, mal feurig, fiebrig, mal abenteuerlustig, mal spitzbübisch, mal melancholisch, mal fragend, voller Leidenschaft, mit Witz und Esprit oder auch mal geheimnisvoll.
Jeder Einzelne der vier Musiker ist technisch und musikalisch jeweils einer der Allerbesten seiner Zunft – und ihr Zusammenspiel ist voller Harmonie, voller Groove und schlichtweg perfekt.
Mit eigenen Stücken der Quartett-Mitglieder vom aktuellen Album und Klassikern des allgemeinen Jazz-Repertoires grooven sich die vier Herren in einen kollektiven Flow und haben Spaß, lachen auch immer wieder gemeinsam und laut.
Und sie reißen das Publikum mit. Alle! Es ist ein Konzert, das absoluten Jazz-Neulingen mit bekannten Melodie-Fetzen und atemberaubenden Soli genauso gut gefällt wie Fortgeschrittenen und absoluten Nerds mit feinen Anspielungen und Varianten – und das obwohl jeder im Quartett – laut Branford Marsalis – in erster Linie nicht für das Publikum, sondern für sich selbst und seine Mit-Musiker spielt. Es ist Jazz für alle, die Quadratur des Kreises.
Das abwechslungsreiche Gesamt-Paket ist aber auch unwiderstehlich! Teilweise geht die Musik tief und tiefer, voller Soul.
Immer wieder raubt es einem fast den Verstand zu sehen, zu hören und zu spüren, was für eine Energie Justin Faulkner am Schlagzeug in den Saal transportiert. Man kann nicht verstehen, dass er alleine am Schlagzeug ist. Oft an diesem Abend klingt Faulkner wie eine vielköpfige Perkussionstruppe, teilweise fünfzehn Mann stark und mehr. Ein Erlebnis!
So leidenschaftlich sich die Jazz-Legenden des Branford Marsalis Quartets von Anfang bis Ende präsentieren, so frenetisch ist auch der ewig lange Jubel des Publikums am Ende des grandiosen Abends. Standing Ovations und glückstrunken-dankbares Pfeifkonzert eines überwältigten Publikums.
Das Branford Marsalis Quartet beweist sich in der Elbphilharmonie als der Goldstandard des Jazz.
Sebastian Koik, 10. März 2019, für
klassik-begeistert.de