„Aus diesen 35 Einzeldarstellungen profunden Charakters schält sich mehr und mehr eine Gesamtsicht auf die Oper von Monteverdi bis Rolf Riehm heraus, eine Reise, zu der der Autor mit seinem flüssigen Stil und seiner unaufdringlichen Wissensvermittlung animiert.“
Buch-Rezension:
Hans-Klaus Jungheinrich, Eine kurze Geschichte der Oper in 35 Bildern
Wolke Verlag
von Peter Sommeregger
Was der Opernfreund mit diesem Buch in Händen hält, ist bereits die zweite, ergänzte Ausgabe eines Opernführers der besonderen Art. Der Musikpublizist Hans-Klaus Jungheinrich wollte nach dem nur bescheidenen Erfolg der ersten Ausgabe das Buch in erweiterter Form neu herausbringen. Sein unerwarteter Tod im Dezember 2018 verzögerte das Projekt, verhinderte es aber dankenswerterweise nicht.
Jungheinrichs Betrachtungen über die Kunstform Oper zeugen von höchster Fachkenntnis bis in die kleinsten Details dieser vielschichtigen Materie. Was den Autor aber darüber hinaus auszeichnet, ist seine spürbar tiefe Liebe zur Oper, seine ungebrochene Neugier auf aktuelle Entwicklungen. Selbst den exponierten Auswüchsen des aktuellen Regietheaters bringt er noch Verständnis entgegen.
Bei der Auswahl der von ihm ausführlich behandelten Opern ging er ohne erkennbares System vor, sehr Populäres steht hier gleichberechtigt neben kaum bekannten Werken, gerade das macht aber den Reiz von Jungheinrichs Betrachtungen aus.
In einigen Fällen weitet der Autor seine Ausführungen auch auf das Gesamtwerk des jeweiligen Komponisten aus. In keinem Fall versäumt er es, historischen Hintergrund, Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte des jeweiligen Werkes vor dem Leser auszubreiten. So schält sich aus diesen 35 Einzeldarstellungen profunden Charakters mehr und mehr eine Gesamtsicht auf die Oper von Monteverdi bis Rolf Riehm heraus, eine Reise, zu der der Autor mit seinem flüssigen Stil und seiner unaufdringlichen Wissensvermittlung animiert.
Mit besonderem Gewinn liest man die Ausführungen über die weniger bekannten Opern, schon mit ihrer Auswahl setzt Jungheinrich interessante Akzente. Quer durch Epochen und Stile geht die Reise, immer wieder ist man erstaunt und beeindruckt vom Detailwissen des Autors und seiner Fähigkeit, den Leser daran teilhaben zu lassen. Fern aller akademischen Überheblichkeit vermittelt er eine tiefe Liebe zur Kunstform Oper.
Mühelos gelingt es Jungheinrich, so konträre musikalische Welten wie Bergs „Wozzeck“, Puccinis „Tosca“, Schönbergs „Moses und Aron“ kongenial abzubilden. Wichtig ist ihm jeweils auch die aufführungsgeschichtliche Einordnung eines Werkes, was er bei Weinbergers „Schwanda“ zu hoch interessanten historischen Exkursen nutzt.
Das Buch stellt im Gegensatz zum Titel eine keineswegs kurze Geschichte der Oper dar, durch die komplexen Ausführungen des Autors verknüpfen sich die 35 Einzelkapitel unmerklich zu einer Gesamtschau dieser Kunstform, deren zeitgenössischen Entwicklungen Jungheinrich bis zu seinem Tod interessiert folgte.
Was den Leser am Ende der lohnenswerten Lektüre traurig stimmt, ist die Tatsache, dass der Autor leider bereits im Jahr 2018 verstorben ist und sein profundes Wissen mit ins Grab nahm. Dankbar kann man dagegen dafür sein, dass er es verstand, das Füllhorn seines Wissens in Form dieses Buches zu dokumentieren. Man möchte ihm eine weite Verbreitung, speziell auch unter jüngeren Freunden der Oper, wünschen.
Peter Sommeregger, 6. Mai 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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