Ein leidenschaftliches Plädoyer für die moderne Oper

Buch-Rezension, Bernd Feuchtner: Die Oper des 20. Jahrhunderts in 100 Meisterwerken  klassik-begeistert.de

Man würde sich wünschen, dass das Buch den Weg in die Hände aller Opernintendanten und Dramaturgen findet und sie animiert, den allzu eng gewordenen Kanon der regelmäßig aufgeführten Opern aufzubrechen.

Buch-Rezension

Bernd Feuchtner: Die Oper des 20. Jahrhunderts
in 100 Meisterwerken

Wolke-Verlag

von Peter Sommeregger

Es spricht für die Klugheit des Autors, ein Buch über die Oper des 20.Jahrhunderts auf eine Auswahl von hundert Werken zu begrenzen. Dies geschieht sehr zum Nutzen des nun vorgelegten Bandes, der trotz dieser weisen Beschränkung ein in jeder Hinsicht gewichtiges Buch geworden ist.

Es liegt im Wesen einer selektiven Darstellung, dass der eine oder andere Leser ein ihm besonders wichtiges Werk aus diesen hundert Jahren vermissen wird. Ein genauer Blick auf die Liste der behandelten Opern zeigt aber, wie sorgfältig und klug Bernd Feuchtner seine Auswahl getroffen hat. Vielfach wählte er weniger bekannte oder erfolgreiche Werke eines Komponisten, Auswahlkriterium war wohl in erster Linie die Originalität des Werkes. Feuchtner ist ein Mann der Praxis, als Musikkritiker und später auch Operndirektor bringt er praktische Erfahrung mit, sein umfassendes Wissen macht dieses Buch nicht nur zu einer interessanten Lektüre, es fesselt auch durch seinen Detailreichtum.

In einer umfangreichen Einleitung bricht der Autor eine Lanze für die Oper nach 1900, wobei er über deren Wurzeln und Entwicklungen kompetent referiert. Gut vorbereitet nimmt er den Leser mit auf eine Reise durch die unterschiedlichsten Formen der Oper, bzw. des Musiktheaters.

Hans Pfitzners „Rose vom Liebesgarten“ von 1901 eröffnet den Reigen der behandelten Werke, „L’amour de loin“ von Kaija Saariaho aus dem Jahr 2000 setzt den Schlusspunkt. Jeder Oper ist ein umfangreiches Kapitel gewidmet, neben den Informationen über den  Komponisten, Librettisten und einer Liste der handelnden Personen wird außer der Handlung auch noch ausführlich die Rezeptionsgeschichte behandelt. Eine Vielzahl von mehrfarbigen Abbildungen lockert die Texte jeweils auf. Auch auf weitere Werke des Komponisten wird hingewiesen.

Insgesamt vier Mal unterbricht Feuchtner seine Chronologie für einen Exkurs: Der Weg der Veristen in die Arme Mussolinis, Politische Oper in den USA, Oper in Lateinamerika und Berlin, Hauptstadt der DDR.

Die Liste der hundert Werke enthält von weltweit häufig gespielten Opern wie „Elektra“ von Richard Strauss, „Wozzeck“ von Alban Berg  oder „Peter Grimes“ von Benjamin Britten auch nicht wenige ursprünglich erfolgreiche, inzwischen aber von den Spielplänen verschwundene Opern. „Maschinist Hopkins“ von Max Brand, ein publikumswirksames Werk aus der Welt der Industrie, 1929 uraufgeführt, oder „Irrelohe“ von Franz Schreker , eine Novität des Jahres 1924 sind Beispiele für durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten aus den Opernhäusern verbannte Stücke.

Das Buch ist nicht weniger als eine umfassende Kulturgeschichte der Oper im 20. Jahrhundert. Es legt auch deutlich den Finger in die Wunde eines immer stärker ausgedünnten Repertoires vieler Opernhäuser. Man würde sich wünschen, dass das Buch den Weg in die Hände aller Opernintendanten und Dramaturgen findet und sie animiert, den allzu eng gewordenen Kanon der regelmäßig aufgeführten Opern aufzubrechen. Anregungen bietet dieses Buch, das mit einiger Sicherheit zu einem Standardwerk werden wird, in Hülle und Fülle!

Peter Sommeregger, 22. Januar 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik- begeistert.at

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