Gönnen Sie sich dieses Buch – die dunkle Jahreszeit kommt mit viel Zeit zum Lesen!

Buchbesprechung: Fragen hätte ich noch: Geschichten von unseren Großeltern  6. September 2024

Buchbesprechung:

Dreißig Autoren, mehr oder weniger bekannt, aus der Schweiz, aus Österreich und Deutschland/DDR erzählen Geschichten über ihre Großeltern.

Sollten Sie sich jetzt fragen, was diese Lektüre mit Klassik zu tun hat…

…nun, alles im Leben hängt zusammen!

Tatsächlich kann dieses Buch mit einer Geschichte dienen, in der es um den Cellist Jakob Margoler geht, der leider zu krank für eine internationale Karriere war, aber in vielen Schweizer Orchestern erster Cellist war.

Zu lesen war auch, dass Musik eint.

Gönnen Sie sich das Buch; die dunkle Jahreszeit kommt mit viel Zeit zum Lesen!


Fragen hätte ich noch: Geschichten von unseren Großeltern
Taschenbuch – 6. September 2024

Dieser Tage ist mir ein besonderes Buch in die Hände gefallen.
Dieses, so finde ich, ist ein Werk, das die Welt jetzt braucht.
Gegen das Schweigen und Vergessen in unserer Zeit.
Gegen den beängstigenden Rechtsruck in ganz Europa.
Gegen das Abhandenkommen von Menschlichkeit und Mut.
Es ist ein stilles Plädoyer für Frieden, Freiheit und Toleranz.

Dies alles ohne erhobenen pädagogischen Zeigefinger, ohne Belehrungen, dafür sehr eindrücklich, persönlich und ehrlich.

Dreißig Autoren, mehr oder weniger bekannt, aus der Schweiz, aus Österreich und Deutschland/DDR erzählen Geschichten über ihre Großeltern.

Diese Großeltern lebten oft in anderen Ländern, so dass sich hier Erzählungen u.a. aus Italien, Ungarn, Pakistan, Polen, Frankreich finden.
Egal aus welchem Land, eines eint alle Geschichten: Sie sind ein authentisches, unter die Haut gehendes Zeitzeugnis, fernab jeden Geschichtsbuches.

Inhaltlich sind viele Geschichten von Geschehnissen aus zwei Kriegen geprägt, wie auch nicht?

Aber die stilistische Herangehensweise der einzelnen Erzählenden ist so unterschiedlich, dass dies einen großen Reiz des Buches ausmacht und das Lesen kurzweilig ist.

Stellen Sie sich vor, Ihr Großvater war Kommandant des Sammel- und Durchgangslagers Westerbork in den Niederlanden. Wie gingen Sie damit um?

Oder Sie wären Teil jener Familie, in der die Mutter, überzeugte Nationalsozialistin, Ihren eigenen Sohn, der von der Familie versteckt wurde, verriet. Der Sohn kam um…

Herzerwärmend und Mut machend sind die Erzählungen, in denen Menschen anderen halfen, indem sie sie versteckten, über die Grenze in Sicherheit brachten, oder einfach nur nicht verrieten.

Es sind nicht nur Ereignisse aus den Kriegen, die hier erzählt werden.

Da ist die Großmutter aus dem Westen, die ihren Fritz im Osten heiratet und Heimweh nach Witten hat, weil sie nicht ausreisen darf.
Da ist die Großmutter in Italien, die zwischen „himmelhoch jauchzend“ und  „zu Tode betrübt“ hin und her schwankt, Kino über alles liebt und schon damals fand, ein Film ohne Frauen sei kein richtiger Film.

Der Herausgeber des Buches hat über seinen Großvater geschrieben, der sich im Krieg mutig und menschlich zeigte.

Nicht erst seit ich dieses  Buch gelesen habe, denke ich darüber nach, ob ich wohl damals so furchtlos gewesen wäre, im Angesicht dessen, was einen erwartet, das einzig Humane zu tun und nicht wegzuschauen.
Ich möchte es gern von mir glauben, allein, von der heimischen Couch aus und in relativer Freiheit, ist es leicht, dies anzunehmen.

Ich hoffe inständig, selbst niemals in solch eine Situation zu kommen, darüber entscheiden zu müssen.

Ginge es nach mir, müsste dies kein Mensch!

Leider geht es nicht nach mir.

Kathrin Beyer, 26. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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