Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ungarische Staatsoper_Innenraum
Budapest bietet ein facettenreiches Musikvergnügen, Teil II
B. Bartók: Der holzgeschnitzte Prinz,
Tanzspiel auf ein Libretto von J. Újfalussy nach B. Balázs
Ungarisches Nationalballett
László Velekei, Choreographie
Orchester der Ungarischen Staatsoper Budapest
Balázs Kocsár, Dirigent
B. Bartók: Herzog Blaubarts Burg,
Oper in einem Akt, Libretto von B. Balázs
Szilvia Vörös, Judith
Gábor Bretz, Blaubart
Orchester der Ungarischen Staatsoper Budapest
Balázs Kocsár, Dirigent
Ungarische Staatsoper, Budapest, 19. Februar 2023
von Dr. Rudi Frühwirth
Bartóks „Blaubart“ in Budapest! Wo sind die Opernfreunde, deren Herz da nicht höher schlagen würde? Meine Erwartung war groß, und sie wurde – zumindest was den musikalischen Teil betrifft – nicht enttäuscht. Orchester und Dirigent sind mit dem Werk natürlich sehr vertraut, entsprechend präzise und aufwühlend waren die Klänge aus dem Orchestergraben. Der Höhepunkt des Werks, die Öffnung der fünften Tür, hinter der Blaubarts Reich liegt (oder liegen sollte), war überwältigend schön und drohend zugleich.
Die sängerische wie auch die darstellerische Leistung der Protagonisten waren auf höchstem Niveau. Szilvia Vörös begeisterte mich durch ausdrucksvollen, auch in der Höhe nicht forcierten Stimmeinsatz. Gábor Bretz ist eine Idealbesetzung für die Rolle des Blaubart, sein mächtiger Bass konnte sowohl die Gefährlichkeit als auch die Verletzlichkeit der Figur überzeugend ausdrücken.
Die Inszenierung des dänischen Regisseurs Kasper Holten hat mich etwas befremdet. Sie geht von Anfang an auf Kollisionskurs mit dem Text. Und der ist nicht irgendein belangloser Operntext – in seinem literarischen Wert ist er durchaus vergleichbar mit den Textbüchern von „Salome“ und „Lulu“. Und wie diese beiden Opern beschreibt ja auch „Blaubart“ die Geschichte einer Frau, die von Männern zerstört wird. Ob die Inszenierung den Zuschauern und Zuhörern die Deutung des Dramas erleichtert, was ja ihre Aufgabe sein sollte, wage ich zu bezweifeln.
In Holtens Deutung ist Blaubart ein nicht unbedingt erfolgreicher Maler, die Burg ist sein Atelier, das von einer schweren Betondecke überwölbt wird. Zu beginn liegt Blaubart noch im zerwühlten Bett, während Judith – in einem leider sehr unvorteilhaften Kostüm – das Atelier erkundet. Offenbar haben sie ihre erste Nacht schon hinter sich. Oder sind sie schon länger zusammen? Dafür spräche, dass Blaubart, sobald er sich angezogen hat, öfters zur Schnapsflasche greift. Da das Atelier keine sieben Türen hat, muss Blaubart die Neugierde Judiths auf andere Weise zufriedenstellen. Die Folterkammer und die Waffenkammer sind Bilder auf Blaubarts Staffelei, dem Blick des Zuschauers leider entzogen. Die Schatzkammer besteht aus den aufgestapelten Bildern Blaubarts. Der Garten wird durch ein mit Blumen bedrucktes Kleid symbolisiert. Zur Musik der fünften Tür zeigt Blaubart seine Macht dadurch, dass er seine Bilder auf offener Bühne verbrennt, was nicht nur Judith, sondern auch mir Schrecken eingejagt hat. Sehr stark ist der Tränensee hinter der sechsten Tür gestaltet: Judith hält Blaubart einen Spiegel vor. Die Frauen, die Blaubart vor ihr geliebt hat, findet Judith schließlich auf seinem Smartphone; offenbar hat er sie fotografiert und nicht gemalt. Nun hält Blaubart Judith den Spiegel vor und erklärt ihr ihre endgültige Bestimmung, seine Gefährtin zu sein in ewiger Nacht. Judith läuft zuerst verzweifelt davon, kehrt aber dann zurück und sieht Blaubart flehend an, während er seine letzten Worte singt: „Und von nun an bleibt immer Nacht, Nacht… Nacht…“.
Glücklicherweise wurden die zahlreichen Widersprüche zwischen Inszenierung und Text durch eine spannende Personenführung gemildert, die die wechselnden Emotionen der Protagonisten auch szenisch deutlich machte. Am Ende blieb mir daher, nicht zuletzt dank der unvergleichlichen Musik, ein sehr eindrucksvolles Gesamtbild.
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Die Neuproduktion des „Holzgeschnitzten Prinz“ vor der Pause war ein ungetrübter Genuss. Das Bühnenbild bestand aus ein paar Baumstämmen unter einem dichten Blätterdach, das mit raffinierter Beleuchtung in wechselnden Farben erstrahlte. Darüber war schon das Betongewölbe der folgenden Oper zu sehen. Die Choreographie kam mir – zugegebenermaßen kein Ballettexperte – außergewöhnlich einfallsreich vor. Das Bewegungsrepertoire war sehr individuell den Rollen angepasst: die Fee geschmeidig und schlangenhaft; die zum Leben erweckte hölzerne Puppe akrobatisch, abrupt, fast automatenhaft; die Prinzessin klassisch lieblich; der Prinz eher verhalten und konventionell. Die technische Souveränität und Präzision der Protagonisten und des Corps de Ballet vereinigte sich perfekt mit der ausdrucksstarken, manchmal impressionistisch angehauchten, dann wieder rhythmisch faszinierenden Musik zu einem gelungenen Kunstwerk.
Ich danke Bernadett Nagy für ihre anregenden Bemerkungen zur Inszenierung des „Herzog Blaubart“.
Dr. Rudolf Frühwirth, 25. Februar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Zwei stimmungsvolle Abende in Budapest Teil 1 klassik-begeistert.de, 23. Februar 2023
Béla Bartók, Herzog Blaubarts Burg Luzerner Theater, 16. September 2022