Bachs Matthäuspassion in der Mendelssohn’schen Fassung, Ungarische Staatsoper Budapest: Ein unwürdiges Schauspiel

All photos © Valter Berecz / Hungarian State Opera

Mendelssohns Fassung der Matthäuspassion ist so gut wie nie zu hören. Sie ist nämlich musikalisch wirklich kein Gewinn, musikwissenschaftlich jedoch hochinteressant. Dass sie in Budapest nun wieder erklang, war also durchaus spannend, doch musikalisch unbefriedigend. Nicht nur wegen Mendelssohns Änderungen, sondern vielmehr wegen einer musikalisch fragwürdigen Interpretation und permanenter Unsauberkeiten, die für ein solches Haus – vorsichtig formuliert – erklärungsbedürftig sind. Lächerliche Textanimationen ruinieren das Meisterwerk völlig. Insofern wirklich kein überzeugender Abend.

Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Matthäuspassion, BWV 244

Gábor Csiki, Dirigent
Ungarisches Staatsorchester

Ungarische Staatsoper Budapest, 2. April 2023

von Willi Patzelt

Dass die Bach’sche Matthäuspassion zu Lebzeiten Bachs nur einige wenige Male aufgeführt wurde, überhaupt keine Reaktionen überliefert sind und wohl, so nimmt die Forschung an, von Zeitgenossen weitgehend ignoriert wurde, gehört irgendwo zum Unbegreiflichsten der Musikgeschichte. Dass Felix Mendelssohn das Werk – vor allem dank Carl Friedrich Zelter –wiederentdeckte, 1829 wieder aufführte und somit die „Bach-Renaissance“ einleitete, gehört zu den großen Verdiensten des viel zu jung gestorbenen Genies. Dass er die Matthäuspassion um ein Drittel kürzte, vielfach neu instrumentierte sowie die Rezitative veränderte, nach ästhetischen Gesichtspunkten (!) womöglich weniger. „Johann Sebastian Bach (1685-1750) Matthäuspassion, BWV 244
Ungarische Staatsoper Budapest, 2. April 2023“
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Zwei stimmungsvolle Abende in Budapest Teil 2

Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ungarische Staatsoper_Innenraum

Budapest bietet ein facettenreiches Musikvergnügen, Teil II

B. Bartók: Der holzgeschnitzte Prinz,
Tanzspiel auf ein Libretto von J. Újfalussy nach B. Balázs

Ungarisches Nationalballett
László Velekei, Choreographie
Orchester der Ungarischen Staatsoper Budapest
Balázs Kocsár, Dirigent


B. Bartók: Herzog Blaubarts Burg,
Oper in einem Akt, Libretto von B. Balázs

Szilvia Vörös, Judith
Gábor Bretz, Blaubart
Orchester der Ungarischen Staatsoper Budapest
Balázs Kocsár, Dirigent

Ungarische Staatsoper, Budapest, 19. Februar 2023

von Dr. Rudi Frühwirth

Bartóks „Blaubart“ in Budapest! Wo sind die Opernfreunde, deren Herz da nicht höher schlagen würde? Meine Erwartung war groß, und sie wurde – zumindest was den musikalischen Teil betrifft – nicht enttäuscht. Orchester und Dirigent sind mit dem Werk natürlich sehr vertraut, entsprechend präzise und aufwühlend waren die Klänge aus dem Orchestergraben. Der Höhepunkt des Werks, die Öffnung der fünften Tür, hinter der Blaubarts Reich liegt (oder liegen sollte), war überwältigend schön und drohend zugleich. „Budapest bietet ein facettenreiches Musikvergnügen, Teil II
Ungarische Staatsoper, Budapest, 19. Februar 2023“
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Das Finale des neuen „RING“ beeindruckt an der Budapester Staatsoper

Fotos: © Edina Ligeti

Richard Wagner
Götterdämmerung oder „Az Istenek Alkonya“ 

Ungarische Staatsoper, Budapest, 29. November 2022

von Dr. Klaus Billand

Nachdem „Die Walküre“ und „Siegfried“ im Rahmen der beiden zyklischen November-Aufführungen der Neuinszenierung des „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner in der Regie und mit dem visuellen Konzept von Géza M. Tóth sowie im Bühnenbild von Gergely Z Zöldy sehr erfolgreich über die Bühne gegangen waren, erschien es sicher, dass auch die „Götterdämmerung“ viel Neues und Interessantes bieten würde, bei gleichzeitiger Nähe zu Wagners Werkaussage mit den entsprechenden Requisiten. Und so kam es auch. Ein fulminanter 3. Abend schloss diese neue Budapester Tetralogie ab, und die Staatsoper kann stolz darauf sein, sie mit einem so guten Orchester und einem ebenso guten nationalen Sängerensemble spielen zu können. „Richard Wagner, Götterdämmerung oder „Az Istenek Alkonya“ 
Ungarische Staatsoper, Budapest, 29. November 2022“
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Siegfried in Budapest – das ist einnehmende Poesie

Fotos: © Valter Berecz / Hungarian State Opera

Richard Wagner
Siegfried
Generalprobe der Wiederaufnahme von 2019

Ungarische Staatsoper, Budapest, 17. November 2022

von Dr. Klaus Billand

Am Tag nach der „Walküre“ folgte an der Budapester Staatsoper die Generalprobe der Wiederaufnahme des „Siegfried“ aus dem Jahre 2019, also keine normale Aufführung. Da aber nicht markiert wurde und die GP wie eine normale Aufführung ablief, nur vor weniger Publikum, erteilte der Int. Kommunikations-Manager der Staatsoper die Freistellung zur Rezension. „Richard Wagner, Siegfried, Generalprobe der Wiederaufnahme von 2019
Ungarische Staatsoper, Budapest, 17. November 2022“
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Wagners Ring in Budapest: Überbordende Videophantasien gelingen gut

Fotos: Die Walküre, Budapest 2022 ©Edina Ligeti

 

Richard Wagner
DIE WALKÜRE 

Ungarische Staatsoper, Budapest, 16. November 2022

von Dr. Klaus Billand

Bereits im Jahre 2017 begann die Budapester Staatsoper einen neuen „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner in der Regie und mit dem visuellen Konzept von Géza M. Tóth und dem Bühnenbild von Gergely Z Zöldy und kam damit bis zum „Siegfried“ 2019. Dann musste sie aber den Abschluss der Tetralogie mit der „Götterdämmerung“ bis auf den Mai 2022 verschieben, weil einerseits die Corona-Pandemie dazwischen kam, andererseits aber auch die Staatsoper total renoviert wurde.

Das geschah gerade mal in 4,5 Jahren, was man als außergewöhnlich bezeichnen kann, wenn man an die an kleine Ewigkeiten grenzenden Renovierungszeiten beispielsweise der Berliner Staatsoper, der Kölner Oper sowie der Oper Augsburg denkt. Das Budapester Haus erstrahlt nun in einem betörend erfrischten goldenen Glanz. Man kann sich gar nicht satt sehen an den feinen Goldziselierungen der Wände und Decken sowie den vielen aufgefrischten Wand- und Deckenmalereien. Wehmütig kommt der Gedanke auf, dass die Wiener Staatsoper vor ihrer Zerstörung Ende des II. Weltkriegs auch einmal so ausgesehen hat bzw. haben könnte. Dabei ist die Budapester Staatsoper wesentlich kleiner – gemäß eines ausdrücklichen Befehls von Kaiser Franz Joseph, dem Bauherrn beider Häuser. Aber die neue Parkett-Bestuhlung ist nun wohl die bequemste, ja fast gemütlichste aller europäischen Opernhäuser. Man kommt sich wie im eigenen Wohnzimmer vor, wenn man sich im Sessel niederlässt. Chapeau also für diese phantasievolle gestalterische Meisterleistung! Und das in so kurzer Zeit, wo auch noch die Bühnenmaschinerie renoviert wurde… „Richard Wagner, DIE WALKÜRE 
Ungarische Staatsoper, Budapest, 16. November 2022“
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Götterdämmerung in Budapest – ein Regiespektakel zwischen Genie und Klamauk

Foto: © Daily News Hungary    
Siegfried (István Kovácsházi) und die Rheintöchter

Was kann man über eine Inszenierung sagen, die derart farbenfroh, überbordend und facettenreich ist, dass man als Zuschauer nur schwer zwischen Faszination und Abneigung zu unterscheiden weiß? Die Inszenierung von Wagners Götterdämmerung des ungarischen Regisseurs Géza M. Tóth, die in diesem Monat im Budapester Opernhaus ihre Premiere gefeiert hat, stellt eine solche Herausforderung dar. Über einen Opernabend zwischen Genie und Klamauk.

Ungarische Staatsoper, Budapest, 23. Mai 2022

Richard Wagner, Götterdämmerung

Orchester der ungarischen Staatsoper
Balázs Kocsár, Dirigent

Géza M. Tóth, Inszenierung

von Lukas Baake

Die Götterdämmerung steht am Ende von Richard Wagners groß angelegten, vierteiligen Zyklus über den Ring des Nibelungen. Die Widersprüche und Spannungen, die mit Alberichs Raub des Rheingolds und Wotans Vertragsbruch ansetzen, lösen sich hier im Tod von Siegfried, dem Fall der Götter und dem finalen Weltenbrand auf. Ursprünglich unter dem Titel „Siegfrieds Tod“ konzipiert, stellt der letzte Teil des Rings somit den Kern von Wagners philosophisch-musikalischer Mediation über ein Heldenleben in Form eines Gesamtkunstwerk dar.

Die Handlung folgt dem schicksalsträchtigen Muster von List, Verrat und Mord und verleitet Regisseure nicht selten dazu, ein statisches Bild mit düsteren Farben zu malen. Die Budapester Inszenierung von Géza M. Tóth bricht jedoch radikal mit diesen Erwartungen. Inmitten des prächtigen, von habsburgischem Pomp geprägten Opernsaals, zündete der ungarische Filmkünstler und Regisseurs ein farbenfrohes Feuerwerk aus Kostüm, Licht und Video, das bereits nach dem ersten Akt einige Besucher dazu veranlasste, das Weite zu suchen. Anlass dazu gab es genug: Das von Tóth gewählte Kostüm und Bühnenbild wirkte überfrachtet und zusammenhangslos. Bei weiten Teilen des Werkes war außer Travestie und Neonfarben als Versatzstücke der zeitgenössischen Regie nur schwer eine Idee oder ein Konzept erkennbar, das als gedankliche Klammer der mehr als fünf Stunden dauernden Inszenierung diente. Stattdessen konnte man Hagen als pragmatischen Anzugträger, Siegfried als einen mit Dreadlocks dekorierten Hippie oder eine Gutrune in schriller Comicfilm-Kostümierung sehen. Das war nicht nur uninspiriert, sondern auch unansehnlich. „Richard Wagner, Götterdämmerung
Ungarische Staatsoper, Budapest 23. Mai 2022    “
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„Lucia“ mit schottischem Sprühnebel in der Budapester Oper

Fotos: © Attila Nagy, Péter Rákossy
Gaetano Donizetti, Lucia di Lammermoor, Erkel Theater, Budapest,
3. März 2018

Regie, Szabo Mate
Dirigent, Kocsar Balazs
Bühnenbild, Cziegler Balazs
Kostüme, Tihanyi Ildi
Choreographie, Sebestyen Csaba
Orchester und Chor der Ungarischen Staatsoper

Enrico, Szegedi Csaba
Lucia, Kolonits Klara
Edgardo, Giordano Lucá
Arturo, Szappanos Tibor
Raimondo, Fried Peter
Alisa, Kun Agnes Anna
Normanno, Ujvari Gergely

von Charles E. Ritterband

Diese „Lucia“, aufgeführt im Budapester Erkel-Theater, das als Provisorium während des Umbaus der historischen Staatsoper dient – spielt in einem Art-Déco-Palast aus grünem Marmor, dessen Einzelelemente aus unerfindlichen Gründen und ohne ersichtlichen Anlass gelegentlich vor- und zurückgeschoben werden – vielleicht, um etwas Bewegung in eine doch arg statische Inszenierung zu bringen. Merkwürdig sind auch die an der Decke angebrachten und von Lucia mit einer Fernsteuerung, wie man sie für den Programmwechsel beim häuslichen Fernseher benutzt, in Betrieb gesetzten Sprühdüsen, die üppige schottische Nebelschwaden über der Bühne verbreiten: Der Nebel soll angeblich schon bei Sir Walter Scott vorkommen, auf dessen „Romantisches Gemälde“ „The Bride of Lammermoor“ (Edinburgh 1819) Donizetti als literarische Vorlage zurückgegriffen hatte. „Gaetano Donizetti, Lucia di Lammermoor, Erkel Theater, Budapest, 3. März 2018“ weiterlesen

Eine temperamentvolle „Italiana“ begeistert in Budapest

Foto: © Szilvia Csibi, Péter Rákossy
Neuinszenierung der Rossini-Oper „L’Italiana in Algeri“
im Erkel-Theater, 18. bis 26. November 2017

von Charles E. Ritterband

Das ungarische Temperament passt hervorragend zum italienischen Temperament Gioachino Rossinis – so geriet die Neuinszenierung von „L’Italiana in Algeri“ (an dritter Stelle der meistgespielten Opern Rossinis) am Budapester Erkel-Theater, Ausweichquartier für die in Restaurierung befindliche Ungarische Staatsoper, zu einem quirlig-spritzigen Opernabend. Das Opernorchester unter dem jungen italienischen Dirigenten Francesco Lanzillotta brillierte geradezu überschäumend und unterstützte adäquat die glänzenden Leistungen der Sängerinnen und Sänger. „Gioachino Rossini, L’Italiana in Algeri,
Erkel-Theater, Budapest“
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„Santa Aria“ und ein Riesen-Teddybär in der Ungarischen Staatsoper in Budapest

Foto © Dudas Erno
Suor Angelica und Gianni Schicchi in Budapest

von Charles E. Ritterband

Bis 2019 finden die Vorstellungen der Ungarischen Staatsoper (Magyar Állami Operaház) wegen Renovierungssarbeiten nicht im prachtvollen, historischen Opernhaus am Andrasi-Boulevard, sondern in der „Volksoper“, dem vom Budapester Stadtzentrum etwas weiter entfernten Erkel-Theater (Erkel Szinhas), statt. Dieses größte Theater Ungarns wird regelmäßig für Vorstellungen der Staatsoper eingesetzt; 1953 erbaut, hat es den Charme der vom Kommunismus geprägten 1950er-Jahre-Architektur. „Suor Angelica und Gianni Schicchi in Budapest,“ weiterlesen