La clemenza di Tito 2024 © SF Marco Borrelli
Ein Opernhighlight erquickt mich an diesem Abend. Stimmlich und orchestral produzieren alle Beteiligten an diesem Abend höchste Qualität. Mozartklang par excellence. Die Inszenierung überrascht mit einem Clou am Ende, macht einen gesellschaftlich relevanten Punkt. Chapeau.
Wolfgang Amadeus Mozart La clemenza di Tito
Musikalische Leitung Gianluca Capuano
Regie und Licht Robert Carsen
Bühne und Kostüme Gideon Davey
Licht Peter Van Praet
Video Thomas Achitz
Choreografie Ramses Sigl
Il Canto di Orfeo
Jacopo Facchini Choreinstudierung
Les Musiciens du Prince — Monaco
Haus für Mozart, Salzburg, 17. Mai 2024
von Frank Heublein
In Haus für Mozart in Salzburg wird an diesem Abend La clemenza di Tito von Wolfgang Amadeus Mozart auf die Bühne gebracht. 1791 komponierte Mozart diese Oper kurz nach der Zauberflöte.
Das Stimmenensemble ist großartig. Ildebrando D’Arcangelos Publio ist raumflutend sonor. Servilias Duett mit Annio im ersten Akt ein Highlight, voller Schmelz und Zärtlichkeit singen Sopran Mélissa Petit Servilia und Mezzo Anna Tetruashvili Annio das Liebesduett „Ah, perdona al primo affetto“ (Verzeih mir meine Zuneigung). Auch sonst singt Mélissa Petit die Sevilia sehr geschmeidig. Anna Tetruashvili verleiht ihrem Annio besonders in ihrer Arie im zweiten Akt aufrichtige emotionale Differenzierung mit ihrer elastisch leichten Stimme mit einem warmen Timbre.
Sopran Alexandra Marcellier singt Vitellia überdreht, eifersüchtig, zickig, fies und machtgeil. Streng, grell strahlend klingt ihre Stimme. Tenor Daniel Behle als Tito ist ein Souverän, er singt genauso souverän. Schwierigkeiten gibt es für ihn nicht. Klar, locker, präzise, dynamisch mit enormen Kraftreserven. Damit lässt Behle seine lange gesanglich anspruchsvolle Arie „Se all’impero, amici Dei“ (Wenn für das Reich, Ihr freundliche Götter) im zweiten Akt wunderbar leicht erscheinen.

Fehlt noch der emotionale Kern des Abends. Mezzo Cecilia Bartoli als Sesto. Sie-Er ist derjenige, der die Handlung ins Laufen bringt, am Laufen hält. Eine Paraderolle für die Bartoli. Emotional, voller Energie und mit starker Bühnenpräsenz bindet Cecilia Bartoli magnetisch jedes Ohr im Haus an ihre Stimme. Bartolis Stimme ist flexibel, die Noten flutschen ihr aus ihren Stimmbändern wie Perlen auf die Kette. Technisch brillant und akzentuiert, tief emotional, warm geschmeidig. Ihre Arie im ersten Akt „Parto, ma tu ben mio“ (Ich gehe, aber Du, meine Liebe), in der sie Vitellia ihre völlige Ergebenheit vorsingt – ich erlebe die Verschmelzung von Stimme und Klarinette zu einer grandiosen Einheit. Ein rarer großer Opernmoment in meiner Hörerfahrung.

In der Schlussszene des ersten Aktes erzeugt der Chor eine wuchtige düstere Stimmung und schickt mich voller Spannung und Neugier auf den zweiten Akt in die Pause. Das musikalisch eigentlich gute Ende, das Jubilieren des Chors am Ende des zweiten Aktes bleibt mir durch den inszenatorischen Kniff in der Magengrube stecken.
Gianluca Capuano mit den Les Musiciens du Prince – Monaco sind hellwach und aktiv in jeder Note. Sie akzentuieren einen Mozartklang, der historisch informiert, leicht und voll zugleich ist. Brillant! Eine Besonderheit ist die Kombination des Continuo, der hier von Cembalo und Hammerklavier ausgeführt wird. Ein interessantes Detail, dass mein konzentriertes Zuhören zum absoluten Genuss werden lässt.

Zwei starke klare Positionen macht Robert Carsen in seiner Inszenierung: am Ende erster zu Beginn des zweiten Aktes wird die Handlung der Oper – Brand und Aufruhr – optisch mit Videoeinblendung der Erstürmung des Capitols verbunden. Das Ende der Oper konterkariert das Handlungsende des Librettos. Die Gnade Titos wird musikalisch stimmlich gepriesen, währenddessen reißt Vitellia die Macht an sich und lässt Tito ermorden. Welch düstere – und zutreffende?! – Interpretation zeitgenössischer Machtinteressen, die über Leichen gehen. Stark.
Ein Opernhighlight erquickt mich an diesem Abend. Stimmlich und orchestral produzieren alle Beteiligten an diesem Abend höchste Qualität. Mozartklang par excellence. Die Inszenierung überrascht mit einem Clou am Ende, macht einen gesellschaftlich relevanten Punkt. Chapeau.
Frank Heublein, 18. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung
Tito Vespasiano Daniel Behle
Vitellia Alexandra Marcellier
Sesto Cecilia Bartoli
Servilia Mélissa Petit
Annio Anna Tetruashvili
Publio Ildebrando D’Arcangelo
W. A. Mozart, La clemenza di Tito Gluck-Festspiele, Bayreuth, 11. Mai 2024
Wolfgang Amadeus Mozart, La clemenza di Tito Staatsoper Hamburg, 28. April 2024 PREMIERE
Wolfgang Amadeus Mozart, LA CLEMENZA DI TITO WA Wiener Staatsoper, 4. September 2023