Schweitzers Klassikwelt 26: Leonard Cohen – Ein Leben in Gesprächen

Haben wir es bei Leonard Cohen, * 1934, der im November 2016 von uns gegangen ist, in erster Linie mit einem Song-Writer, einem Dichter oder doch auch mit einem Sänger oder gar mit einem Philosophen zu tun? Der Verfasser dieser Rezension hat nur Erfahrungen mit den frühen Alben seiner ersten Songs, die er privat für Musiktherapien empfahl.

von Lothar Schweitzer

In unsrer „Bio“-Serie hatten wir es bis jetzt mit genau und gewissenhaft recherchierten Biografien und mit sehr persönlich gehaltenen Autobiografien zu tun. Um vom Leben eines Künstlers mehr zu erfahren, bietet sich eine dritte Vorgehensweise an, nämlich das Interview als ausschließliche Quelle, also die Darstellung eines Lebens in Gesprächen. In unserem Fall liegen sechs in einem Buch gesammelte Befragungen durch fünf Personen vor, die ebenfalls einen künstlerischen Background aufweisen. Einmal fand eine Wiederbegegnung nach drei Jahren statt. Leonard Cohen gab die Interviews, als er zwischen 54 und 60 Jahren zählte. Beim letzten im Buch abgedruckten Interview war er bereits 75 Jahre alt. „Schweitzers Klassikwelt 26: Leonard Cohen – Ein Leben in Gesprächen“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 25: Sirenenklang

Bild: Ilse Abka-Prandstetter: „Symphonie in vier Sätzen“, Tempera auf Leinwand, inspiriert von „Sirenenklang“ aus „Die lebendige Mitte“

Sirenenklang

Das ausklingende Jahr – war es ein schönes Jahr? War es ein gutes? Ein hilfreiches? Was hat es uns geschenkt? Hat es was zu sagen gehabt? Was gibt es dem neuen Jahr mit auf den Weg?

„Ich wünsche dir nicht, dass alle deine Träume in Erfüllung gehen, das wäre nicht weise, aber ich wünsche dir, dass dein Leben zu einer großen Symphonie wird.“

Gilt dieser einmal ausgesprochene Wunsch nicht auch unserem Leben? Unser Leben – eine Symphonie, nicht ein Divertimento, nicht ein Walzertraum. Das Scherzo darin ein kurzer Satz. „Schweitzers Klassikwelt 25: Sirenenklang“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 4: Opernzitate

Klassik vom Feinsten: Die 25 meistgelesenen Beiträge auf Klassik begeistert (13) 

3600 Beiträge haben wir als größter Klassik-Blog in Deutschland, Österreich und der Schweiz (google-Ranking) in den vergangenen viereinhalb Jahren veröffentlicht. Jetzt präsentieren wir die 25 meistgelesenen Opern- und Konzertberichte, Interviews, Klassikwelten und Rezensionen – jene Beiträge, die Sie seit Juni 2016 am häufigsten angeklickt haben. Wir wünschen viel Freude beim „Nachblättern“.

13 – Schweitzers Klassikwelt 4: Opernzitate

„Oft sind es ganz kurze Sätze, die in unseren Sprachgebrauch eingegangen sind und im Anlassfall automatisch gedacht und ausgesprochen werden. Wenn zum Beispiel das Mobiltelefon in Zeiten der Entspannung Töne von sich gibt. „Wer stört mir den Schlaf?“ Oder wenn Enkelsohn Aeneas gefährlich zu tollen beginnt: „Hast du Übermut?“ Er weiß bereits, dass diese ritualisierte Reaktion aus der Oper „Siegfried“ ist, wenngleich der Komponist ihm noch nichts sagt.“

von Lothar Schweitzer
Foto: „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss am 18. 12.2020 in der Wiener Staatsoper, Günther Groissböck. Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn (c)

Während meiner temporären Kanzleitätigkeit im Rahmen des Präsenzdienstes beim österreichischen Bundesheer hatte ich das Glück und Vergnügen einem Chef unterstellt zu sein, der mir Befehle in Form von Zitaten aus Opern erteilte. Ich genoss das Privileg auch dementsprechend antworten zu dürfen. Vorgesetzter und Untergebener waren Opernnarren.

Das hat abgefärbt. Auch heute lassen meine Frau und ich gerne Operntexte in unsere Gespräche einfließen. Bei Gelegenheit auch in familiärem Kreis.  „Geht nur, geht, ich komm gleich nach. – Aus welcher Oper ist das?“ Meine Frage richtete sich an Tochter und Schwiegersohn. Ich flüsterte dem kleinen Enkel (5 Jahre) etwas zu. „Tiefland!“ posaunte Aeneas altklug heraus. Ich hatte bei dem Zitat Paul Schöffler im Ohr. „Klassik vom Feinsten: Die 25 meistgelesenen Beiträge auf Klassik begeistert (13) “ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 24: Heinz Zednik – ein Opernleben

Durch den Jahrhundertring 1976 in Bayreuth zum hundertjährigen Bestehen der Bayreuther Festspiele ist Heinz Zednik mit seinem Loge und seinem Mime weltberühmt geworden.

von Lothar Schweitzer
Foto: Heinz Zednik als Gottesnarr © Foto Fayer

Die Lektüre dieser Biografie unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von der Lektüre anderer einschlägiger Bücher. Ich erlebte den Opernhelden bewusst fast vom Anfang seiner Wiener Zeit, ja ich kann nahezu von einem empathischen Mitgehen sprechen. Ich freute mich über jeden seiner Karriereschritte nach vorne.

Die Wiener Staatsoper kann eine große Tradition an Charaktertenören vorweisen. Ein Programmheft der Wiener Staatsoper brachte in den Fünfzigerjahren ein Porträt über William Wernigk (Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper von 1919 bis 1963). Ich selbst erlebte in meinen „Lehrjahren“ als unverwechselbare Stimme Peter Klein, eingeprägt in meinem Gedächtnis sein Goro – ich habe nie wieder einen Sänger gehört, der ihn in dieser Rolle erreichte – und sein Franz in „Les Contes d ́Hoffmann“, wo er einen dilettantischen Sänger mit dünner Stimme zu mimen hatte, was einer ebenso großen Artistik bedarf wie die eines Clowns am Reck. Monatelang ließ mich beim Vorbeigehen sein Abbild als unheimlicher Zwerg Mime im Schaufenster des Fotostudios Fayer nächst der Oper am Ring immer wieder kurz anhalten. Doch als ersten Mime erlebte ich das Hausdebut von Gerhard Stolze in dieser Rolle am 31. Mai 1960, dessen Stimme eine eigene Charakteristik besaß, die mich auf weitere Partien neugierig machte.

Diese beiden Charaktertenöre spielten in Zedniks Leben eine sehr konträre Rolle. Unser junger Tenor studierte am Konservatorium bei Kammersänger Peter Klein. Die beiden harmonierten ganz und gar nicht. Zednik ist jedoch in seiner Biografie so fair zu sagen, dass Peter Klein für andere Schüler ein guter Lehrer gewesen ist, auch wenn er persönlich ihm kaum etwas verdanke. Zednik scheint überhaupt ein Skeptiker, was Methoden betrifft, zu sein und sein Wahlspruch, der Ausspruch Mephistos in Goethes „Faust“: „Grau, mein Freund ist alle Theorie“.

Während der Mime der Jahre 1942 bis 1969 dem Mime der Siebzigerjahre bis zu den ersten Jahren des neuen Jahrtausends jegliches Talent absprach, war Gerhard Stolze, wie oben schon angedeutet Konkurrent und Nachfolger des „Schaufenstermodels“, Zedniks Protegée für Bayreuth. Mit seinem Mime im „Jahrhundert-Ring“ 1976 wurde Heinz Zednik weltberühmt, obwohl er diesen schon 1974 oder Anfang 1975 zum Beispiel in Nizza gesungen hat, wie ich aus einem Telefonat zwischen einer Bekannten des Tenors und ihm mitbekam.

Heinz Zednik als Loge © Bayreuther Festspiele

Das Schöne an Biografien sind die schicksalshaften Fügungen, von denen man erfährt. Zednik schreibt: „Die Szene spielte in einem Zugabteil irgendwo zwischen Düsseldorf und Köln.“ Der designierte Direktor des Grazer Opernhauses berichtete dem bekannten Operettentenor Erwin Gross, dass er auf der Suche nach einem jungen Tenorbuffo ist, und weil Gross und Zednik beide Schüler von Frau Prof. Wissmann waren, nannte Gross den jüngeren Schüler. Und als bei der Wiederaufnahme der „Meistersinger“ im Grazer Opernhaus der unsrem jungen Tenor versprochene David dem Haustenor überlassen wurde und er den Augustin Moser übernehmen musste, war das ein Glücksfall. Denn im November 1964 erreichte ein panischer Anruf aus dem Betriebsbüro der Wiener Staatsoper Graz: Der Sänger für den Augustin Moser ist ausgefallen! Zednik sprang ein und dieses Einspringen brachte ihm einen Dreijahresvertrag an die Wiener Staatsoper.

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Schweitzers Klassikwelt 23: Der Sängerfürst - Gottlob Frick und seine Zeit

Der berühmte Bass war sich in zunehmendem Alter nicht zu schade auch an kleineren Theatern Rollen zu übernehmen. Mit Anerkennung bemerkte er, er habe bei den Proben noch einiges profitieren können.

Foto: Umschlaggestaltung © Elser Druck GmbH. Gottlob Frick im Kostüm des Boris Godunow.

von Lothar Schweitzer

Gottlob Frick ist zumindest im deutschsprachigen Raum dank seines unverkennbaren Timbres zum Idealtypus der tiefsten Männerstimmlage geworden. Wir lesen, welche Bedeutung der Ex-Zar von Bulgarien für die Karriere Fricks gewann, und wir erfahren, was seine Verkörperung des Hagen an Besonderheit bietet.

Die von Klaus Günther verfasste Biografie ist im Jahre 2007 herausgekommen und nach meinen Recherchen nicht mehr im Buchhandel erhältlich. Würde sich eine Neuauflage auszahlen? Auch wenn der legendäre Bass  (*1906 †1994) als „Caruso der Bässe“ bezeichnet wurde, ist das aus vielen Quellen genährte Werk vor allem für Opernliebhaber reizvoll, die über ein halbes Jahrhundert mit dieser schönen Kunstform Erfahrungen gesammelt haben und denen auch die beschriebenen SängerkollegInnen und -partnerInnen zumindest zum Teil akustisch bekannt sind.

Zum Beispiel ist es erstaunlich, dass in einer Gesamtaufnahme des „Don Giovanni“ aus dem Jahr 1943 Gottlob Frick noch den Bauern Masetto übernehmen musste und der leichte Bassbuffo Heinrich Pflanzl, mir als Schweinezüchter Zsupán im Ohr, die mit ruhigem Ernst vorzutragende Partie des Komturs singen durfte.

Für mich als Ohrenzeuge in der Oper nicht mehr überprüfbar die Qualitätsunterschiede zwischen dem sieben Jahre älteren Ludwig Weber und Gottlob Frick. Erlebte ich Ludwig Weber nur mehr als Sechzigjährigen als eindrucksvollen Komtur und zwei Jahre später in der bescheidenen Partie des Boten des Lajos (Orff, Ödipus der Tyrann), so ist mir der Mittfünfziger Frick als Rocco („Gut, Söhnchen, gut, hab immer Mut“) und Daland mit herrlichem tiefem F bei „mir ist nicht bang“ gegenwärtig.

Als Gurnemanz, als welcher Frick Lobeshymnen erhält, kenne ich Kurt Rydl, Matti Salminen (Zürich) und als ersten Eindruck anlässlich eines Gesamtgastspiels der Württembergischen Staatsoper in Wien Otto von Rohr, der für mich durch seine Ausgewogenheit von Wort und Ton der ideale Gurnemanz blieb.

Die klassische Frage lautet: Wie wird das Talent einer Sängerin, eines Sängers entdeckt? Das Quartett des Ölbronner Liederkranzes wurde zu einem Halali eingeladen. Regierungsrat Dr. Paul, Verwaltungschef der Staatsoper in Stuttgart, kannte sich mit Stimmen aus und unter den vier frischen, kräftigen Stimmen stach der schlanke junge Mann mit dem ausdrucksvollen Kopf deutlich hervor.

Der 1918 abgedankte Zar Ferdinand von Bulgarien aus dem Hause Coburg widmete sich fortan den schönen Künsten, war bei vielen Proben des Theaters Coburg anwesend und zeigte besonderes Interesse für den Sängernachwuchs. Gut dass sich Frick, 2. Bass im Chor der Württembergischen Staatsoper, 1934 als Solist für das Theater Coburg beworben hatte!

Seine vorherige Stuttgarter Zeit war eine schicksalhafte Fügung, denn dort begann ebenfalls im Chor Margarete Bayen, die in der Rolle einer Brautjungfer im „Freischütz“ und als Barbarina in Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ ihre ersten Erfolge feierte. Wenige Jahre nach ihrer Eheschließung gab Margarete Frick ihre Gesangskarriere auf, was ihr nicht leicht gefallen war, denn sie hatte gern gesungen. Der Lohn war eine 65 Jahre dauernde Ehe.

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Schweitzers Klassikwelt 22: Renée Fleming – Die Biografie meiner Stimme (2. Teil)

Foto: © Decca / Timothy White

Fleming beginnt jetzt im zweiten Teil bei uns Zuhörern mit dem Klischeebild von SängerInnen aufzuräumen, von Vögeln, die auf einem Blütenzweig trillern und von Körnern leben, wie sie es humorvoll ausdrückt.

von Lothar Schweitzer

Sie erzählt im Kapitel „Geschäftliches“ von den schwierigen Aufgaben einer Agentur. Den richtigen Zeitpunkt für eine Presseaussendung zu bestimmen. Soll man Schwerpunkte wählen oder nicht? Die moderne Musik streichen? Nicht zu viele neue Rollen einstudieren. Die heilsame Lehre, nicht alles für alle sein zu können. Musikalische Entdeckungsreisen gestatten nicht, sich als eine Mozart- oder Strauss-Expertin zu bezeichnen. Und die Schwierigkeiten der Terminplanung: Was fünf Jahre im Voraus geplant werden muss, kann zwei Jahre vorher eng wirken und zwar durch dazugekommene Interviews, Fernsehauftritte, Reiterwettbewerbe der eigenen Kinder, Krankheiten. „Schweitzers Klassikwelt 22: Renée Fleming – Die Biografie meiner Stimme (2. Teil)“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 21: Renée Fleming – Die Biografie meiner Stimme (1. Teil)

Was für ein Unterschied zwischen der Autobiografie der Ira Malaniuk und jetzt Flemings (Geburtsjahrgang 1959) ebenfalls selbstverfasster Lebensbeschreibung! Im ersteren Fall lasen wir über die sicher mit gerechtfertigtem Stolz vorgebrachte Aneinanderreihung erfolgreicher Opernabende, hier staunen wir über die bezwingende Art von Ehrlichkeit ihre zu überbrückenden Schwierigkeiten im Kunstgesang nicht zu verheimlichen. In so manchen Absätzen und Zeilen steckt obendrein ein Hauch von Poesie.

von Lothar Schweitzer

Das Porträtfoto auf der Vorderseite der Schutzhülle zeigt ausdrucksvolle blaue Augen. Nach meinen Vorstellungen verrät das Gesicht die typische Amerikanerin. Die Künstlerin selbst beschreibt sich mit vererbten slawischen Gesichtszügen, die das Gesicht nicht zu schmal erscheinen lassen, was auf der Bühne von Vorteil sein soll. „Schweitzers Klassikwelt 21: Renée Fleming – Die Biografie meiner Stimme (1. Teil)“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 20 – Ira Malaniuk: Stimme des Herzens - Autobiographie einer Sängerin, Teil 2

von Lothar Schweitzer

Der erste Teil schloss mit ihrem Entschluss nach Wien zu gehen. In der Beschreibung ihrer Wiener Zeit las ich dann eine überraschende Bemerkung, die ich ein wenig ausführen werde. Reisen von Wien aus nach Graz, wohin sie engagiert wurde, gerieten zum Abenteuer.

Im Geist war sie oft in Wien gewesen – dank den lebendigen Erzählungen ihrer Großmutter. Nun betrat sie erstmals die fremd-vertraute Stadt. Die Brieffreundin ihrer Mutter Lily Hoffmann verschaffte ihr eine Audition bei der legendären, noch in der Hofoper aufgetretenen Anna Bahr-Mildenburg. Die erste Partie, die sie bei der Mildenburg studierte, war der Orpheus, gefolgt von Carmen, dann kam der Ring. Inzwischen waren ihre Eltern nachgekommen. „Ira Malaniuk: Stimme des Herzens – Autobiographie einer Sängerin, Teil 2“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 19 – Ira Malaniuk -  Stimme des Herzens: Autobiographie einer Sängerin, Teil 1

von Lothar Schweitzer

Ira Malaniuks Lebenslauf in Anschluss an die Biografie von Ljubomir Pantscheff (siehe Schweitzers Klassikwelt 16, 17 und 18) ist wegen der Kontraste besonders reizvoll. Sie sind zwar beide Kinder der gleichen Generation, doch genoss Pantscheff als Bulgare während der Wirren des Zweiten Weltkriegs in Wien einen Sonderstatus, hingegen war Malaniuk als Ukrainerin nicht nur während des Krieges, sondern auch noch in der Nachkriegszeit ständig auf der Flucht. Die Altistin war am Wiederaufbau der Bayreuther Festspiele beteiligt.

Das Buch beginnt mit einem patriotischen Bekenntnis zu ihrer ukrainischen Herkunft. So sehr hatte sie sich auf die Ausstrahlung ihres Künstlergesprächs im österreichischen Rundfunk gefreut und dann verkündete der Programmtrailer: „Die polnische Mezzosopranistin Ira Malaniuk …“   Nur, weil ihre Geburtsstadt Stanislau (heute nach einem ukrainischen Dichter Iwano-Frankiwsk benannt) zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg Polen zugesprochen wurde. Das sollte einer österreichischen Institution eigentlich nicht passieren, gehörte doch die Stadt von 1772 bis 1918 zu Österreich.

Daher beinhaltet das erste Kapitel „Ein gesegnetes, geschundenes Land“ einen leicht gefärbten Geschichtsunterricht, was ich beurteilen kann, weil mein Vater ebenfalls in der heute ukrainischen Stadt Czernowitz geboren ist, worauf ich noch einmal zurückkommen werde. Diese Städte waren in der Monarchie mehrsprachig, weder rein polnisch, noch rein ukrainisch.  Malaniuks Großeltern mütterlicherseits haben wiederum in der Ukrainisch-katholischen Kirche St. Barbara in Wien, Innere Stadt den Bund fürs Leben geschlossen. Von den Urgroßeltern  anfangs kritisch beäugt, dass Alexander Marian Zukovskyj als  Sohn eines griechisch-katholischen Priesters eine Wienerin heiratete, den Inbegriff einer mondänen, unmoralischen Großstädterin.

Das Kapitel die Jahre 1939 bis 1945 betreffend liest sich  wie ein Flüchtlingsdrama. Auf der einen Seite die lebensbedrohenden Sowjetrussen mit ihren Verschleppungen der ukrainischen Intelligenz – bei Ärzten wie ihrem Vater war ein gewisser Respekt vorhanden -,  auf der anderen Seite die Deutschen, sowohl Bombardierer Warschaus und später Lembergs als auch Schutzmacht der Ukrainer gegen die Russen, aber die Mörder der jüdischen Mitbürger und Nachbarn.

Ira Malaniuks Karriere begann schon früh. Mit sechzehn Jahren setzte sie sich zum ersten Mal in ihrer Familie durch und trat ins Konservatorium von Stanislau ein. Schon ein Jahr darauf 1936 erhielt sie  ihre erste Erwähnung in einer Zeitungskritik anlässlich eines sogenannten Fragment-Abends, an dem sie u.a. als Siebzehnjährige Tatjanas Kinderfrau Filipjewna aus „Eugen Onegin“ zu singen hatte.

Nach der Matura erfüllte sie sich ihren Traum und studierte in Lemberg am Konservatorium bei dem berühmten Bassisten Adam Didur. Wir lesen über seine unkonventionellen Methoden: Er gab Gruppenstunden. Die Studenten saßen den ganzen Tag zusammen, jeder lernte von den Anweisungen des Professors und den Fehlern der anderen. Er scheuchte sie in ein Schallplattengeschäft, zwängte sie zu dritt oder zu viert in die engen Abhörkabinen und befahl: „Hört auf die Artikulation, die Tonproduktion!“ Um seine SchülerInnen an die Situation des Vorsingens zu gewöhnen, lud er arrivierte Musiker ein. Man sollte Auftreten und sich präsentieren lernen. „Ira Malaniuk –  Stimme des Herzens: Autobiographie einer Sängerin, Teil 1“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 18: Ljubomir Pantscheff, der Mensch – Teil 3

In den zwei bisherigen Folgen konnten wir staunen, welch interessantes künstlerisches Leben ein einfaches Ensemblemitglied  haben kann.  Im letzten Teil arbeiten wir neben den Aufbaujahren der Wiener Staatsoper nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg den Menschen Ljubomir Pantscheff und seine Wesenszüge markanter heraus.

von Lothar Schweitzer

Foto: Georgi Zlatew mit seinem Schüler Ljubomir Pantscheff als Philipp II. © Pantscheff-Archiv, Wien

Ljubomir Pantscheff von seiner anderen Seite gesehen

Zum Leidwesen seiner Mutter bahnte sich nichts zwischen Ljuba (Welitsch) und Ljubo an. Die Sängerkollegin war auch sehr kapriziös – und arm wie eine Kirchenmaus. Unser am Anfang nach Beschreibungen noch dürrer junger Mann wurde immer fescher und hatte das „Ideal“ eine reiche Frau mit einer Liebesheirat zu verbinden. „Ljubomir Pantscheff, der Mensch
Wiener Staatsoper“
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