„Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ an der Komischen Oper Berlin: Zu dieser Musik tanzt sogar der Teufel

Foto: Schwanda, der Dudelsackpfeifer (Homoki, 2022) – Rezensionsmotiv
© Jaro Suffner

Komische Oper Berlin, 5. März 2022 (PREMIERE)

Jaromir Weinberger    Schwanda, der Dudelsackpfeifer

Musikalische Leitung
Ainārs Rubiķis

Inszenierung
Andreas Homoki

Schwanda
Daniel Schmutzhard

Dorotka
Kiandra Howarth

Babinský
Tilmann Unger

 Königin
Ursula Hesse von den Steinen

Magier
Jens Larsen

Teufel
Philipp Meierhöfer

 von Peter Sommeregger

Diese Oper des böhmischen, 1896 in Prag geborenen Komponisten Jaromir Weinberger hat alles, was eine populäre Volksoper braucht: eingängige, beschwingte Musik, eine märchenhafte, originelle Handlung und interessante Rollen für die Sänger. Nach der Uraufführung 1927 in Prag trat das Werk auch tatsächlich einen Siegeszug durch die Welt an, der das Stück bis an die Metropolitan Opera nach New York brachte. Dann aber brach mit dem Nationalsozialismus eine Zeit an, in der Werke jüdischer Komponisten boykottiert wurden. Weinbergers Erfolgsoper verschwand von den Spielplänen, auf die es sehr zögerlich, aber verstärkt aktuell wieder zurückkehrt.

Die Covid-Pandemie hätte beinahe diese lange geplante Produktion an der Komischen Oper Berlin verhindert, erst nach mehreren Anläufen konnte nun die bereits lange fertig geprobte Aufführung stattfinden. „Jaromir Weinberger, Schwanda, der Dudelsackpfeifer,
Komische Oper Berlin, 5. März 2022, PREMIERE“
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„Orfeo ed Euridice“ an der Komischen Oper Berlin: Gesangskunst triumphiert über Regie-Tristesse

Komische Oper Berlin ©

Komische Oper Berlin, 23. Januar 2022

Christoph Willibald Gluck, Orfeo ed Euridice

Carlo Vistoli (Orfeo)
Nadja Mchantaf (Euridice)
Josefine Mindus (Amore)

Vocalconsort Berlin

Orchester der Komischen Oper Berlin
David Bates Regie
Damiano Michieletto Inszenierung

von Peter Sommeregger

Kaum erklingen die ersten Töne von Glucks unsterblicher Musik aus dem Graben, der optische Schock: eine leere Bühne, tristes Grau und ein Paar, das offenbar im Begriff ist, sich zu trennen. Die Frau öffnet sich die Pulsadern, das nächste Bild zeigt einen Klinikflur, bevölkert von Kranken, deren Besuchern, und Ärzten. Die Frau ist gestorben, und der Witwer Orfeo beginnt seine Klage um die verlorene Euridice. Für die weitere szenische Umsetzung des Stoffes lässt man alle Hoffnung fahren, es bahnt sich einer jener ernüchternden Opernabende an, an denen dieser der Schönheit verpflichteten Kunstform Gewalt angetan wird. „Christoph Willibald Gluck, Orfeo ed Euridice, Orchester der Komischen Oper Berlin,
Komische Oper Berlin, 23. Januar 2022“
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Abrahams Melodien zünden wie das Streichholz im Heu und verbreiten schlagartig gute Laune im Saal

Foto: Blume von Hawai (c) Jan Windszus Photography

Paul Abraham
Die Blume von Hawaii
Conference  Andreja Schneider

Orchester der Komischen Oper Berlin
Lindenquartett Berlin
Koen Schoots Dirigent

Komische Oper Berlin, 19. Dezember 2021 (Halbszenische Premiere)

von Peter Sommeregger

Im  Advent an der Komischen Oper eine Operette halbszenisch zu präsentieren, ist seit 10 Jahren eine von Barrie Kosky eingeführte Tradition. In den vergangenen Jahren wurden vergessene Operetten von Kalman und Paul Abraham zum Teil neu entdeckt.

Barrie Kosky, dessen Intendanz im nächsten Jahr endet, bringt als letztes Stück Paul Abrahams „Blume von Hawaii“. Einige der Lieder daraus haben einen hohen Bekanntheitsgrad, neu ist die Erkenntnis, wie stark Abraham Jazz-Elemente und Swing in die Musik eingebaut hat. Er war damit ganz nahe am Zeitgeist, ehe ihn ein Wandel desselben in die Emigration zwang. „Paul Abraham, Die Blume von Hawaii, Conference  Andreja Schneider,
Komische Oper Berlin, 19. Dezember 2021“
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„Orpheus in der Unterwelt“ an der Komischen Oper Berlin: Sorgenbrecher Offenbach

Am Ende tobt das Publikum vor Begeisterung. Die Aufführung vermittelt Lebensfreude im Überschwang, genau das, was am Beginn des zweiten Corona-Winters heilend auf die strapazierten Seelen wirkt.
Unbedingt ansehen!

Komische Oper Berlin, 7. Dezember 2021 (PREMIERE)

Jacques Offenbach
Orpheus in der Unterwelt


Adrien Perruchon
 Musikalische Leitung
Barrie Kosky Inszenierung
Otto Pichler Choreographie
Rufus Didwiszus Bühnenbild
Victoria Behr Kostüme

Orchester der Komischen Oper Berlin
Chorsolisten der Komischen Oper

von Peter Sommeregger

Bereits im Jahr 2019 hatte diese Produktion ihre Premiere bei den Salzburger Festspielen. Schon bald danach sollte sie ihre Berliner Aufführung an der Behrenstraße erleben, was durch die Corona-Pandemie, wie so vieles, verhindert wurde.

Mit einiger Verspätung konnte nun endlich der Vorhang auch in Berlin für diese geradezu unbändige Lebensfreude versprühende Aufführung hoch gehen.

Was der Regisseur und Intendant Barrie Kosky hier mit Hilfe des Choreographen Otto Pichler auf die Bretter stellt, ist famos. Über zwei Stunden netto reine Spielfreude, Witz und Einfälle am Fließband. Offenbachs ironische Behandlung des Stoffes fällt so kurzweilig aus, dass man am Ende erstaunt ist, wie schnell die Zeit verflogen ist. „Jacques Offenbach, Orpheus in der Unterwelt,
Komische Oper Berlin, 7. Dezember 2021 (PREMIERE)“
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„Katja Kabanowa“ an der Komischen Oper Berlin: Ein Haus aus Eis

Fotos: Katja Kabanowa, KOB, © Jaro Suffner

Nach solchen Abenden kann man beruhigt feststellen: Die Oper lebt!

Komische Oper Berlin, Premiere am 27. November 2021

Giedrė Šlekytė, Dirigentin
Orchester der Komischen Oper Berlin
Chorsolisten der Komischen Oper Berlin

Jetske Mijnssen, Inszenierung
Katja 
Annette Dasch
Kabanicha  Doris Lamprecht
Boris  Magnus Vigilius
Tichon  Stephan Rügamer
Kudrjasch  Timothy Oliver
Dikoj  Jens Larsen
Varvara  Karolina Gumos

von Peter Sommeregger

Am Ende dieses bemerkenswerten Premierenabends bricht Jubel aus in dem Haus an der Behrenstraße. An einem Novembertag mit Schneeregen, der in seiner Tristesse kaum zu überbieten scheint, wurde das Publikum Zeuge einer Orgie der Gefühlskälte, die durch ihre Perfektion und Radikalität aber Begeisterung statt Depression auslöst.

Die knapp zweistündige Oper Janáčeks ist eher arm an äußerer Handlung, das Geschehen spielt sich hauptsächlich in den Seelen der Protagonisten ab, vor allem in jener der unglücklichen Titelfigur, die ihr Leben zwischen einem schwachen und tumben Ehemann und einer bösartig herrschsüchtigen Schwiegermutter nicht erträgt, und sich schließlich auf eine verhängnisvolle Affäre einlässt. „Leoš Janáček, Katja Kabanowa,
Komische Oper Berlin, 27. November 2021 (PREMIERE)“
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„Katja Kabanowa“ in Berlin: Wir hören gemeinsam, wir sehen gemeinsam – wir leiden gemeinsam, wir feiern gemeinsam.

Knapp zwei Stunden ohne Pause hat uns dieses Gesamtkunstwerk in den Bann geschlagen. Dann schließt der Vorhang nicht richtig und kaum einer traut sich anfangs zu klatschen – bis Jubel losbricht über diesen fesselnden Abend. Im Theater, sagt Kosky, ist so viel Liebe. Man mag das kitschig finden. Aber es stimmt. Oh, Barrie. We love you, too.

Komische Oper Berlin, 27. November 2021 (PREMIERE)

Fotos: Katja Kabanowa, KOB, © Jaro Suffner

Leoš Janáček, Katja Kabanowa

von Sandra Grohmann

Berlins neue „Katja Kabanowa“ an der Komischen Oper Berlin hat das Publikum so in den Bann geschlagen, dass der Jubel über diesen in jeder Hinsicht (und jedem Hinhorch) gelungenen Abend sich erst nach und nach einstellen will. Barrie Kosky, der seine Premierenrede in diesen Zeiten nicht im Foyer halten kann, sagt es am Ende von der Bühne sprechend so: „In the Theater, it’s a Wir.“ Besser kann man nicht zusammenfassen, was an Abenden wie diesem mit uns allen geschieht, die wir vor, auf und mutmaßlich auch hinter der Bühne gepackt werden. Wir hören gemeinsam, wir sehen gemeinsam. Wir leiden gemeinsam, wir feiern gemeinsam. Fast hätte ich geschrieben: Wir fiebern gemeinsam mit, aber das lassen wir mal lieber. „Leoš Janáček, Katja Kabanowa
Komische Oper Berlin, 27. November 2021 (PREMIERE)“
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Bedrohlich und düster: Kosky inszeniert Brecht/Weills „Mahagonny“ an der Komischen Oper Berlin

Foto: Iko Freese / drama-berlin.de

Diese Oper ist absolut kein Wohlfühlstück, wie es vielleicht ein Teil des Publikums erwartet hat. In Koskys spannender, atmosphärisch dichter Inszenierung wirkt es wie ein Menetekel für das heraufziehende Unheil in der Entstehungszeit.

Kurt Weill/Bertolt Brecht
Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny

Nadine Weissmann   Witwe Begbick
Allan Clayton   Jim Mahoney
Alma Sade   Jenny Hill
Barrie Kosky   Regie
Ainārs Rubiķis   Dirigent

Komische Oper Berlin. Besuchte Aufführung 9. Oktober 2021

von Peter Sommeregger

Weills Oper ist aus dem  erweiterten „Songspiel Mahagonny“ hervorgegangen, das der Komponist noch vor der „Dreigroschenoper“ auf Texte von Bertolt Brecht vertonte. Beide Werke stehen für die Zeit der Depression, der politischen Krisen und der moralischen Orientierungslosigkeit der Zwischenkriegszeit. Mahagonny nimmt auch erschreckend deutlich eine Vorahnung des heraufziehenden Dritten Reiches in seinen teilweise menschenverachtenden Texten vorweg. Drei Jahre nach der Uraufführung kamen die Nazis an die Macht und Kurt Weill verließ Deutschland in Richtung USA.

Barrie Kosky legt seine Regie stark stilisiert an, die Handlung lässt er zwischen Spiegelwänden spielen, was sehr eindrückliche Bilder schafft. Der Verzicht auf Requisiten verdichtet noch die Intensität der Abläufe, die wie immer bestens disponierten Chorsolisten des Hauses werden diesmal auch als Darsteller stark gefordert, so verschwimmt eindrucksvoll die Grenze zwischen Chorist und Solist einmal mehr.

„Rezension: Kurt Weill/Bertolt Brecht, Mahagonny
klassik-begeistert.de“
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Enescus „Œdipe“ an der Komischen Oper Berlin: Tragödie am Beckenrand

 

Foto: Monika Rittershaus

Komische Oper Berlin, Premiere 29. August 2021
von Peter Sommeregger

Gut 25 Jahre arbeitete der rumänische Allroundmusiker George Enescu an seiner Oper „Œdipe“, ehe das vieraktige Werk 1936 in Paris uraufgeführt wurde. Ein Repertoirestück ist die Oper nicht geworden, dazu ist sie zu anspruchsvoll für Ausführende und Publikum. Einig ist sich die Fachwelt allerdings in ihrer Einschätzung des Werkes als bedeutende Komposition.

Nach längerer Abstinenz von Berliner Bühnen stellt die Komische Oper das Werk eindrucksvoll auf die Bretter. Das Einheitsbühnenbild für die pausenlose Aufführung stellt einen abstrakten steinernen Saal da, in dessen Mitte sich ein großes Becken befindet. Die Aktionen der Darsteller finden hauptsächlich am Rand des Beckens statt. Der russische Regisseur Evgeny Titov entwickelt in diesem geometrischen, strengen Raum ein intensives Kammerspiel, wobei er die klaustrophobische Unentrinnbarkeit des Raumes geschickt nutzt.

„George Enescu, Œdipe,
Komische Oper Berlin, 29. August 2021“
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Die Komische Oper Berlin spielt einen politisch korrekten „Zigeuner“baron

Foto: © Monika Rittershaus

Komische Oper Berlin, 26. Juni 2021

Johann Strauß, „Der Zigeunerbaron“

„Warum man dieses Stück überhaupt noch spielt, beantwortet Johann Strauß’ geniale Musik. Jede Nummer ist ein Schlager und das darin erzeugte Temperament peppt den ansonsten etwas drögen Spielfluss gehörig auf.“

von Peter Sommeregger

Die lange erwartete und angekündigte Premiere von Johann Strauß’ „Zigeunerbaron“ an der Komischen Oper stand unter keinem glücklichen Stern. Am Anfang stand die Debatte, ob man den heute als rassistisch konnotierten Begriff „Zigeuner“ überhaupt noch verwenden dürfe. Nun, man tut es, allerdings in einer etwas verdrucksten Form: das Wort des Anstoßes wird mit Anführungszeichen versehen. Auch in der vom Regisseur Tobias Kratzer neu erstellten Dialogfassung wird zu Erklärungen angesetzt, welche „die Kuh vom Eis holen“ wollen, letztlich aber wenig zur Sache beitragen. „Johann Strauß, „Der Zigeunerbaron“,
Komische Oper Berlin, 26. Juni 2021“
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Barrie Kosky und die Komische Oper Berlin: Aufbruch und Rückblick

Foto: © Jan Windszus

Als Barrie Kosky an diesem Montag die neue Saison der Komischen Oper Berlin vorstellt, ist dies seine letzte Jahres-Pressekonferenz. Mit der Spielzeit 2021/22 geht für das Haus an der Behrenstraße eine zehnjährige, fruchtbare Ära zu Ende. Erleichtert wird der Abschied von Kosky dadurch, dass er dem Haus auch über das nächste Jahr hinaus als Hausregisseur verbunden bleiben wird.

von Peter Sommeregger

Nicht ohne Stolz kann der scheidende Intendant darauf hinweisen, dass in den zehn Jahren seiner Intendanz sein Haus im Ranking der Berliner Opernhäuser stark aufgeholt hat, für nicht wenige Berliner steht es inzwischen an erster Stelle der Publikumsgunst. Die Corona-Pandemie hat auch dieses Haus praktisch eine gesamte Spielzeit gekostet, einem geschickten Management und Timing ist es aber zu verdanken, dass nahezu alle wegen Corona gestrichenen Produktionen in der kommenden Spielzeit nachgeholt werden können. Das bedeutet, dass diese Spielzeit prall gefüllt mit Premieren und Wiederaufnahmen sein wird. „Spielzeit 2020/21 Komische Oper Berlin, Barrie Kosky“ weiterlesen