Komische Oper Berlin : Bei diesem „Hamlet“ stellt sich die Sinnfrage nicht

Ambroise Thomas, Hamlet  Komische Oper Berlin, 6. Mai 2023

Hamlet © Monika Rittershaus

Ambroise Thomas
Hamlet

Hamlet    Huw Montague Rendall
Ophélie    Liv Redpath

Inszenierung:  Nadja Loschky
Bühnenbilder: Étienne Pluss
Dirigent:  Pierre Dumoussaud

Komische Oper Berlin, 6. Mai 2023

von Peter Sommeregger

Die Shakespeare-Vertonung von Ambroise Thomas erfreute sich nach ihrer erfolgreichen Uraufführung 1868 in Paris großer Beliebtheit, geriet im 20. Jahrhundert allerdings in Vergessenheit. Erst in jüngerer Zeit wagen sich wieder Opernhäuser an das Werk, das in Umfang und Struktur der Grand Opera Pariser Prägung zuzuordnen ist.

Thomas stellt die Figuren Hamlets und Ophelias ganz in den Mittelpunkt, die Nebenfiguren bleiben episodenhaft. Ungewöhnlich, dass der Held der Oper keine Tenor- sondern eine Bariton-Partie ist. In dieser Aufführung singt ihn Huw Montague Rendall, und gibt damit in Berlin eine vorzügliche Visitenkarte ab. Sein geschmeidiger hoher Bariton setzt ein schönes Timbre gekonnt ein, hat auch kein Problem mit der hohen Tessitura der Rolle und kann als temperamentvoller Darsteller überzeugen.

 

Liv Redpath als Ophélie besticht mit glasklaren, gestochenen Koloraturen, die ihr in der Wahnsinns-Szene viel stimmliche Artistik abverlangen. Spielfreudig, attraktiv und intensiv im Ausdruck ist sie ihrem Hamlet eine ideale Partnerin. Die restlichen, kleineren Rollen sind mit bewährten Ensemblemitgliedern besetzt.

Hamlet © Monika Rittershaus

Der Dirigent Pierre Dumoussaud, der allerdings nicht die Premiere dirigiert hatte, hielt den Graben sicher zusammen. Erstaunlich, wie gut das Orchester der Komischen Oper mit der ungewohnten Art von Musik zurechtkam, ist doch die französische Grand Opéra hier selten anzutreffen. Anfangs wurde es ein wenig laut, pendelte sich dann aber gut ein.

Die große, positive Überraschung war die Regiearbeit von Nadja Loschky, die zum ersten Mal am Haus inszenierte. In einem klug konzipierten Einheits-Bühnenbild von Étienne Pluss gelang ihr ein ungemein dichtes Kammerspiel, aber auch die großen szenischen Tableaus wurden wirkungsvoll präsentiert.

Eine gute Idee war die Einführung der (fast) stummen Rolle des Narren, von Kjell Brutscheidt temperamentvoll interpretiert. Die Doppelung der Hauptfiguren mit Tänzern, oft ein Ärgernis, gelang in diesem Fall ausgezeichnet und überzeugend. Überhaupt war die gesamte Produktion neben der Freude fürs Ohr auch eine solche für das Auge. Die leidigen Fragen, die aktuelle Inszenierungen zumeist aufwerfen, stellten sich bei dieser stringenten Regiearbeit nicht.

Vielleicht sollten einige prominente Kollegen Nachhilfe-Unterricht bei Frau Loschky nehmen. Sie ist als Dozentin an der Musikhochschule Hans Eisler und der Universität der Künste in Berlin tätig.

Peter Sommeregger, 7. Mai 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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