Milo Rau malträtiert Mozart für (s)eine politische Botschaft

„La clemenza di Tito“ bei den Wiener Festwochen © Nurith Wagner-Strauss

Es ist schon langsam müßig über Regietheater & Co. zu fabulieren; nur dieses Mal hat Milo Rau, der neue Wiener Festwochenintendant, mehr oder minder „den Vogel abgeschossen“. So verkommt Mozarts geniales letztes Bühnenwerk zu einer Tonspur in einer aktionistischen, teilweise unappetitlichen Performance, die eine fast absurde politische Botschaft enthält.

Wolfgang Amadeus Mozart:
La clemenza di Tito

Mit Jeremy Ovenden, Anna Goryachova, Anna Malesza-Kutny, Maria Warenberg, Sarah Yang u.a.

Arnold Schoenberg Chor
Camerata Salzburg

Dirigent: Thomas Hengelbrock

www.festwochen.at

Museumsquartier Halle E,  24. Mai 2024

von Herbert Hiess

 Mozarts letztes Bühnenwerk, das umgangssprachlich immer bloß als „Titus“ bezeichnet wird, ist ein hochkomplexes und fast mit Todessehnsucht komponiertes Meisterwerk, das nur drei Monate vor seinem Tod uraufgeführt wurde. Hier hört man Feinheiten mit beinahe schon romantischem Touch, die man von dem Salzburger Genie gar nicht gewohnt ist. „Wolfgang Amadeus Mozart: La clemenza di Tito
Wien, Museumsquartier Halle E,  24. Mai 2024 “
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Regisseur Berger erschlägt Salieris Kublai Khan mit der „woken Keule“

© Herwig PRAMMER, Christoph Wagner-Trenkwitz (Salieri)

Dieses Mal erlebte man im Musiktheater an der Wien keine Veranstaltung, sondern eine Verunstaltung – und zwar eine der besonderen Art.

Antonio Salieri,  Kublai Khan                        Dramma eroicomico in zwei Akten
Libretto von Giovanni Battista Casti
Uraufführung der italienischen Originalfassung in einer
Spielfassung von Martin G. Berger und Philipp Amelungsen

Arnold Schoenberg Chor
Les Talens Lyriques
Dirigent: Christophe Rousset

Mit  Carlo Lepore, Lauranne Oliva, Alasdair Kent, Marie Lys, Fabio Capitanucci, Christoph Wagner-Trenkwitz u.a.

Regie: Martin G. Berger

MuseumsQuartier Halle E, 9. April 2024

von Herbert Hiess

Ein offenbar nicht zu Unrecht wenig bekannter Regisseur glaubte, sich an einem Werk Antonio Salieris austoben zu müssen. Der Komponist (und angeblich ewige Rivale Mozarts) hatte vor 236 Jahren mit dem Werk in einer recht banalen Handlung eine Politsatire verpacken wollen; hier sogar gegen den russischen Zarenhof. „Antonio Salieri, Kublai Khan
Wien, MuseumsQuartier Halle E, 9. April 2024“
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Sehen Sie sich diese Oper bitte nur mit einer Gebrauchsanweisung für die Regie an

Roméo et Juliette © Monika Rittershaus

Gesanglich teilweise spitzenmäßig – vor allem Mélissa Petit als Juliette und als Überraschung Svetlina Stoyanova als Stephano, die im dritten Akt mit einem grandiosen Couplet aufwartete. Ihr Mezzo ist für die Zukunft vielversprechend.

CharlesGounod
Roméo et Juliette                                                                                                                  Drame lyrique in fünf Akten
Libretto von Jules Barbier und Michel Carré

Regie: Marie-Eve Signeyrole
Arnold Schoenberg Chor
ORF-Radio-Symphonieorchester Wien
Dirigent: Kirill Karabits

Musiktheater an der Wien,  Museumsquartier, Halle E, 1. März 2024

von Herbert Hiess

Es ist schon verwunderlich, wenn man nach der Vorstellung einer Oper die Intentionen der Regie liest und man dann merkt, dass man selbst offenbar komplett daneben gelegen ist.

Die Regisseurin Marie-Eve Signeyrole wollte ihren Angaben zufolge bei ihrer Arbeit die verfehdeten Familien Capulets und Montagues als Hollywood-Clans darstellen, die sich gegenseitig übertrumpfen wollen. „Charles Gounod, Roméo et Juliette
Musiktheater an der Wien,  Museumsquartier, Halle E, 1. März 2024“
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Diese Inszenierung verleidet dem Publikum den Opernbesuch gründlich

Fotos: Les Martyrs © Werner Kmetits

Museumsquartier Halle E (Theater a. d. Wien), 23. September 2023 

Gaetano Donizetti, Les Martyrs
Grand Opéra in vier Akten

Inszenierung: Cezary Tomaszewski

Besetzung:
Roberta Mantegna, John Osborn, Mattia Olivieri, David Steffens, Nicolò Donini u.a.

Arnold Schoenberg-Chor
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Dirigent: Jérémie Rhorer

von Herbert Hiess

Es ist erst gute zwei Monate her, da hat sich der bekannte Dirigent Alberto Veronesi beim Puccini-Festival in Torre del Lago aus Protest gegen eine „spezielle“ Inszenierung während des Dirigates die Augen verbunden. Das ist einem sogleich nach den ersten paar Minuten nach Beginn dieser Aufführung im Museumsquartier eingefallen. „Gaetano Donizetti, Les Martyrs
Museumsquartier Halle E (Theater a. d. Wien), 23. September 2023“
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Wenn eine Regie ein Kunstwerk fast zerstört

Foto: Lulu 2023 © Monika Rittershaus

Wiener Festwochen 2023

Museumsquartier Halle E, 6. Juni 2023 

Alban Berg  Lulu
Oper nach den Tragödien Erdgeist und die Büchse der Pandora von Frank Wedekind

Inklusive der Sätze Variationen und Adagio aus der Lulu-Suite

Regie, Choreographie, Kostüm: Marlene Monteiro Freitas

Mit Vera-Lotte Boecker, Bo Skovhus, Edgaras Montvidas, Anne Sofie von Otter, Kurt Rydl u.a.

ORF Radio Symphonieorchester Wien
Dirigent: Maxime Pascal

von Herbert Hiess

Manchmal sind doch die Erinnerungen inklusive der Archive die allergrößten Feinde manch aktueller Anlässe. Es war genau zu den Wiener Festwochen 2010, wo das Team Peter Stein als Regisseur und Daniele Gatti als genialer Dirigent eine denkwürdige Aufführung des Wedekind-Sujets zum Alban Berg-Jahr zelebrierten (evolver.at || Lulu). Genauso unvergesslich waren die Aufführungen unter Lorin Maazel im Jahre 1983. „Alban Berg, Lulu
Wiener Festwochen 2023, Museumsquartier Halle E, 6. Juni 2023“
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Wenn ein Regisseur eine Offenbach-Operette zum Polit-Kabarett verzerrt

Foto: La Périchole © Werner Kmetitsch

Nikolaus Habjan ist ja eine bekannte Personalunion als Regisseur/Puppenspieler/Kunstpfeifer; in dieser Produktion ließ er das Pfeifen aus – demonstrierte sich aber in den Rollen Puppenspieler und Regisseur. Beides gekonnt; jedoch ohne besonderen Tiefgang. Dazu aber später.

Jaques Offenbach
La Périchole

Mit: Anna Lucia Richter, David Fischer, Alexander Strömer, Boris Eder, Gerhard Ernst

ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Arnold Schoenberg Chor

Jordan de Sousa, Dirigent
Nikolaus Habjan, Regie

Museumsquartier Halle E, 20. Jänner 2023


von Herbert Hiess

Offenbachs opéra-bouffe (also Operette) wurde von niemand Geringerem als vom Librettistenduo Henri Meilhac und Ludovic Halévy verfasst, die ja auch Bizets geniale Oper „Carmen“ geschrieben haben. Sie schrieben eine recht unterhaltsame Geschichte über die „Straßensängerin“ (als freie Übersetzung von „Périchole“) mit einer einfachen, sogar fast trivialen Handlung. Da geht es um das Straßensängerpärchen Périchole/Piquillo, die irgendwie in die Fänge des Vizekönigs geraten, der letztlich die Sängerin als Mätresse angeln will. Um die junge Frau in diese Rolle zu stecken, muss sie vorher offiziell verheiratet sein mit Piquillo. Nach einigen Verirrungen und Verwirrungen geht die Show schließlich mit einem „Happy End“ aus; Piquillo und die Sängerin finden nicht nur wieder zueinander, sondern steigen noch dazu mit einem beträchtlichen Vermögen aus. „Jaques Offenbach, La Périchole
Museumsquartier Halle E, 20. Jänner 2023“
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Stefan Herheim brilliert zu seinem Einstand mit Janáčeks Schlauem Füchslein

Foto: Das schlaue Füchslein © Monika und Karl Forster
Ya-Chung Huang (Schulmeister/ Mücke/ Dackel/ Hahn/ Specht), Mélissa Petit (Füchsin Schlaukopf)

Ein wunderbarer Einstand für Stefan Herheim, der nicht besser hätte gelingen können. Und das wirft die Frage auf, warum das Werk allzu selten gespielt wird.

Leoš Janáček: Das schlaue Füchslein

Besetzung: Mélissa Petit, Milan Siljanov, Jana Kurucová, Ya-Chung Huang 

Wiener Symphoniker
Arnold Schoenberg Chor
Giedrė Šlekytė, Dirigentin

Stefan Herheim, Regie

Museumsquartier Halle E, 20. Oktober 2022

von Herbert Hiess

Wenn man sich bei der tschechischen Oper eine Wald- und Naturszenerie vorstellt, wird man bei der aktuellen Regie im Theater an der Wien nicht enttäuscht. Der neue Intendant des Theaters an der Wien Stefan Herheim zaubert tatsächlich mit Schiebekulissen einen Wald auf die Bühne, der vordergründig sogar manchmal romantische Empfindungen auslöst.

Natürlich wäre es keine moderne Regie, wenn dann doch nicht ein paar ungewöhnliche Sachen passierten. So taucht schon vor Beginn der Aufführung die Figur des Schulmeisters (Huang) als Janáček auf und inspiziert das Publikum und straft es gelegentlich mit irritierten Blicken. „Leoš Janáček, Das schlaue Füchslein
Museumsquartier Halle E, 20. Oktober 2022“
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Iannis Xenaxis' hervorragende musikalische Gesellschaftskritik zum 100. Geburtstag

Foto: © Kraanerg Nurith Wagner-Strauss

Museumsquartier Halle G, 7. Juni 2022

Kraanerg
Iannis Xenaxis 
Ballett-Performance

Regie, Choreographie: Emmanuelle Huynh

Klangforum Wien
Sylvain Cambreling, Dirigent

von Herbert Hiess

Die Wiener Festwochen 2022 nützen ihren Veranstaltungsreigen zum ausgiebigen Jubiläum anlässlich des 100. Geburtstages des griechischstämmigen Komponisten Iannis Xenaxis, der am 29. Mai seinen runden Geburtstag begangen hätte.

Der Komponist, der nebenbei auch noch Architekt und Mathematiker war, war ein unerbittlicher Erneuerer in der modernen Musik. Weiters war er in einer kommunistischen Widerstandsbewegung im zweiten Weltkrieg und engagierte sich auch politisch mit großem Einsatz.

Im Werk „Kraanerg“ setzt sich die Bezeichnung aus den zwei Wörtern „Kraan“ und „Erg“ zusammen und bedeutet soviel wie erreichtes Ziel. Das ist bei Xenaxis durchaus politisch gemeint; in dem Ballett zeigt er gesellschaftskritische junge und zornige Menschen, die verkrustete Strukturen aufbrechen sollen. „Iannis Xenaxis: Kraanerg Ballett-Performance
Museumsquartier Halle G, 7. Juni 2022 “
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Der Tod als ständiger Begleiter

Requiem, (c) Pascal Victor ArtComPress-Festival-dAix-en-Provence

Museumsquartier Halle E,  1. April 2022

Wiener Festwochen 2022

Requiem
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart; Gregorianische Gesänge

Solisten:
Sandrine Piau, Sopran
Sara Mingardo, Alt
Anicio Zorzi Giustiniani, Tenor
Nahuel di Pierro, Bass

Chor und Orchester Pygmalion
Raphaël Pichon Dirigent

Romeo Castellucci Regie, Bühne, Kostüme, Licht

von Herbert Hiess

Romeo Castellucci ist ja hinlänglich bekannt als Vermittler von anspruchsvollen Sujets in starken Bildern. Im Rahmen der Festwochen 2014 inszenierte er in den gleichen Räumen Glucks „Orpheus und Eurydike“ mittels einer filmischen Begleitung der am apallischen Syndrom leidenden Karin (https://www.evolver.at/musik/Wiener_Festwochen_2014_24614/).

Acht Jahre später konnte man im Rahmen der Koproduktion mit dem Festival d’Aix-en-Provence Castelluccis Gedanken zum Thema Sterben und Tod verfolgen. Hinterlegt mit der genialen Musik Mozarts und einigen gregorianischen Gesängen tauchte der Regisseur das jedes Lebewesen begleitende Thema in extrem starke Bilder. „Wiener Festwochen 2022, Musik von Wolfgang Amadeus Mozart; Gregorianische Gesänge,
Museumsquartier Halle E, 1. April 2022“
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Wiener Festwochen wieder im Aufwind

Foto: Theater an der Wien © Rupert Steiner
Wiener Festwochen, 10. Mai – 16. Juni 2019

Nach einigen Jahren der selbstauferlegten Abstinenz (dank des Intendanten-Desasters) machen zwei hervorragende Produktionen wieder Hoffnung, dass die Wiener Festwochen ihr ursprüngliches Niveau zurückfinden. Da waren sowohl der gewaltige und unvergessliche Monolog der grandiosen Isabelle Huppert als auch das Tanzensemble von Anne Teresa de Keersmaeker ein deutliches Indiz dafür, dass sich das Wiener Festival wieder erholt. „Wiener Festwochen, 10. Mai – 16. Juni 2019
klassik-begeistert.de“
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