An Mahlers Adagio reicht die Moderne nicht heran

SWR Symphonieorchester, Teodor Currentzis (Foto: Moritz Metzger)

Teodor Currentzis und das SWR Symphonieorchester kombinieren den Torso der zehnten Sinfonie mit vier Auftragswerken

Gustav Mahler: Adagio (1. Satz) aus der unvollendeten Sinfonie Nr.10

Alexey Retinsky:  La Commedia für großes Orchester

Philippa Manoury: Rémanences- Palimpseste

Mark André: Echonografie 4

Jay Schwartz:  Theta. Music for Orchestra VIII

SWR Symphonieorchester
Teodor Currentzis, musikalische Leitung

Philharmonie Berlin, 18. Dezember 2023

von Kirsten Liese

Der Versuch, ein Fragment gebliebenes Werk fertigzustellen oder unter Verwendung des musikalischen Materials neu zu komponieren, wurde vielfach unternommen. Allerdings hat sich nicht eine einzige dieser Versionen durchgesetzt. Auf Bruckners Neunte trifft das ebenso zu wie auf Gustav Mahlers Zehnte, aus der der Komponist nur das schmerzvoll-schöne Adagio halbwegs vollenden konnte. Vielmehr hat sich eigentlich immer wieder bestätigt, dass diese Werke als Fragment ihren ganz eigenen Reiz entfalten, wenn nicht sogar in sich eine Vollkommenheit ausstrahlen. „SWR Symphonieorchester, Teodor Currentzis Dirigent, MAHLER unFINISHED
Philharmonie Berlin, 18. Dezember 2023“
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DIE MITTWOCH-PRESSE – 20. DEZEMBER 2023

Für Sie und euch in den Zeitungen gefunden

Foto: Teodor Currentzis © Liliya Olkhovaya

DIE MITTWOCH-PRESSE – 20. DEZEMBER 2023

Die Oper ist am Ende? Auf in die Oper! – (Bezahlartikel)
Der Essayband „Die letzten Tage der Oper“ vereint Diskussionsstoff von wichtigen Regisseuren, Sängerinnen, Intendanten, Musikjournalistinnen und Dirigenten. Ein guter Anlass, sich Gedanken über die Zukunft dieser Kunstform zu machen.
DiePresse.com

Bestleistung im Bockenheimer Depot: Die Oper Frankfurt glänzt mit Mozarts „Ascanio in Alba“
Die in Gegenwartsdesign übertragene Huldigungs-Festa „Ascanio in Alba“ des 15-jährigen Wolfgang Amadeus Mozart wirkt im Bockenheimer Depot nicht ganz so optimistisch wie im Uraufführungsjahr 1771 zur Mailänder Hochzeit von Kaiserin Maria Theresias Sohn Ferdinand Karl mit Maria Beatrice d’Este, der Tochter des Fürsten von Modena. Musiziert und gespielt, vor allem aber gesungen wurde brillant bis beglückend. Einmal mehr bewährt sich Bernd Loebes Ensemble-Strategie an der Oper Frankfurt. Einziges Handicap: Das Ein- und Aussparen der in Aufnahme zugespielten Chorszenen.
NeueMusikzeitung.de „DIE MITTWOCH-PRESSE – 20. DEZEMBER 2023
klassik-begeistert.de“
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Aus tiefster Seele

Foto ©  Olya Runeva Sony Classical

Johannes Brahms: Konzert für Violine und Orchester D-Dur op.77

Peter Tschaikowski: Symphonie Nr. 5 op.64

Barnabás Kelemen, Violine
Utopia
Teodor Currentzis, musikalische Leitung

Philharmonie Berlin, 14. November 2023

von Kirsten Liese

Ein grandioser, einmaliger Abend mit Teodor Currentzis und dem Utopia-Orchester

Die Arme sind weit nach vorne gestreckt, der Kopf leicht nach unten gebeugt, die Augen geschlossen. Teodor Currentzis konzentriert sich auf Tschaikowskys Fünfte. Die meisten Zuschauer sind gebannt, Spannung liegt in der Luft, aber noch nicht jeder teilt die Konzentration. Eine Frau im vorderen Block A hat ihren Platz noch nicht erreicht, irgendwo fällt ein Gegenstand zu Boden, jemand hustet.

Nicht, dass es in der Berliner Philharmonie unruhig wäre – da habe ich schon ganz andere Konzerte erlebt – aber einen Künstler mit so hyperfeinen Antennen stören schon kleinere Anzeichen von Unruhe. Nach mehreren Minuten lässt Currentzis die Arme sinken, wartet mit dem Einsatz, bis die absolute Stille erreicht ist. „Utopia, Teodor Currentzis, Barnabás Kelemen, Violine
Berliner Philharmonie, 14. November 2023“
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Vladimir Jurowskis „Missa Solemnis“ wird zu einem Manifest der Humanität

Vladimir Jurowski © Wilfried Hösl

Was Beethoven seinen Sängern abverlangt ist fast übermenschlich, er behandelt die menschliche Stimme wie ein Instrument aus Holz oder Metall, damit können nur Künstler der ersten Garnitur umgehen. Gegen die Missa sind die Soli der 9. Symphonie fast noch ein Spaziergang.

Ludwig van Beethoven
Missa solemnis

Miah Persson  Sopran
Samantha Hankey  Alt
Sebastian Kohlhepp  Tenor
Tareq Nazmi  Bass

Rundfunkchor Berlin
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Vladimir Jurowski  Dirigent

Philharmonie Berlin, 12. November 2023

von Peter Sommeregger

Kurz bevor das Konzert beginnt, wendet sich Vladimir Jurowski mit Worten an das Publikum, in denen er auf die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen eingeht und auf Beethovens humanitäre Botschaft in diesem Werk verweist. Schließlich widmet er die Aufführung allen Opfern von Kriegen und Gewalt. „Ludwig van Beethoven, Missa solemnis
Philharmonie Berlin, 12. November 2023“
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Piotr Anderszewski begeistert mit barocken Tänzen und filigranen Klanggebilden

Foto © Simon Fowler, Warner Classics 

Piotr Anderszewski, Klavier 

Johann Sebastian Bach, Partita Nr. 6 e-Moll BWV 830
Karol Szymanowski, Mazurken op. 50 (Auszüge)
Anton Webern, Variationen für Klavier op. 27
Ludwig van Beethoven, Klaviersonate Nr. 31 As-Dur op. 110

Philharmonie, Kammermusiksaal, Berlin, 5. November 2023     

von Lukas Baake

Wenn Piotr Anderszewski, der hochdekorierte polnische Ausnahmepianist, in den namhaften Spielstätten der Klassikwelt gastiert, bleibt in der Regel kein Platz leer. Doch an diesem Sonntagabend war es nicht allein der klangvolle Name des Interpreten, der die Konzertbesucher in den Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie zog, sondern auch ein sorgfältig kuratiertes Programm, das etablierte Repertoirestücke mit ausgewählten, selten zu hörenden Delikatessen der Klavierliteratur vereinte. Surreale Klangkonstruktionen reihten sich an prächtige barocke Kaskaden und fanden ihren Ausklang in den weltumarmenden Tönen des Beethoven’schen Spätwerks. „Piotr Anderszewski, Klavier 
Philharmonie, Kammermusiksaal, Berlin, 5. November 2023    “
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Kirill Petrenko wirbelt durch drei Jahrhunderte der Musikgeschichte

Kirill Petrenko © Monika Rittershaus

Wolfgang Amadeus Mozart
Symphonie Nr. 29

Alban Berg
Drei Orchesterstücke op.6

Johannes Brahms
Symphonie Nr. 4

Kirill Petrenko
Berliner Philharmoniker

Philharmonie Berlin, 3. November 2023

von Peter Sommeregger

Wenn Kirill Petrenko nicht schon längst seine Vielseitigkeit unter Beweis gestellt hätte, mit diesem Konzertprogramm wäre es ihm endgültig gelungen. Mozart, Berg und Brahms an einem Abend auf das Programm zu setzen ist ungewöhnlich, aber mit einem Klangkörper der ersten Garnitur wie den Berliner Philharmonikern gelingt das Wagnis. „Mozart, Berg und Brahms, Kirill Petrenko, Berliner Philharmoniker
Philharmonie Berlin, 3. November 2023“
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Dvořáks „Stabat mater“ wird unter Jakub Hrůša zum spirituellen Trostspender

Jakub Hrůša © Dieter Nagl

Antonín Dvořák
Stabat mater op.58

Corinne Winters  Sopran
Marvic Monreal  Mezzosopran
David Butt Philip  Tenor
Matthew Rose  Bass

Rundfunkchor Berlin
Jakub Hrůša  Dirigent

Philharmonie Berlin, 12. Oktober 2023

von Peter Sommeregger

Am Anfang dieses Konzertabends stand die Bitte an das Publikum, sich im Gedenken an die Opfer der Anschläge in Israel zu einer Schweigeminute zu erheben. Die ernste Stimmung im Saal fand in der Aufführung von Dvořáks geistlichem Oratorium ihre Entsprechung, aber die in dieser Musik ebenso zum Ausdruck kommende Tröstung und Hinwendung zur Erlösung konnte man dankbar annehmen. „Antonín Dvořák, Stabat mater op.58
Philharmonie Berlin, 12. Oktober 2023“
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Elbphilharmonie Hamburg: Eine große Stimme umwogt ein großes Klavier

Elbphilharmonie Hamburg, 24. September 2023, Kleiner Saal

Barno Ismatullaeva, Sopran, & Leon Gurvitch, Klavier
Foto: Jerzy Pruski ©

PROGRAMM

Leon Gurvitch
Songs without tears (Uraufführung)
Variationen über Robert Schumann / Heinrich Heine »Im wunderschönen Monat Mai« für Klavier (Uraufführung)
Heine-Lieder »Träumereien« für Sopran und Klavier

– Pause –

Leon Gurvitch
Vocalise
Variations on a Theme by Paganini
Liederzyklus nach Anna Akhmatova »König Grauauge« für Sopran und Klavier (Uraufführung)

von Andreas Schmidt

Stellen Sie sich vor, Sie gehen in einen „Kleinen Saal“, es spielt ein begnadeter Pianist auf einem schwarzschönsatten Flügel von C. Bechstein, die Sängerin, der Weltstar Olga Peretyatko, ist krank, Corona, und es gestaltet sich mit der neuen Sängerin Barno Ismatullaeva ein Abend, der von Harmonie und Brillanz zwischen dem Wunderflügelspieler Leon Gurvitch und der begnadeten Sopranistin aus Usbekistan geprägt ist.

Der Klavier-Gott kommt aus Minsk, Weißrußland, er spielt so zärtlich, mit so viel Gefühl, mit Liebe, dass es vielen im Publikum den Atem verschlägt.

Es sind SEINE !!!! Kompositionen, ich höre so viele „neue“ Kompositionen, von denen fast alle keinen Bestand haben werden… aber diese Kompositionen dieses zart-sensiblen, feinen Mannes sind von einer Schönheit, die, na klar, etwas adaptieren, aber sie generieren Neues, Unerhörtes, unerhörtes Schönes.

Das Werk des Leon Gurvitch ist groß. Ich sehe die besten Filme der Welt vor meinen Augen und höre, atemlos, die Musik dieses Leon.

Bei Leon Gurvitch sind allen Gefühls- und Lebenslagen mit „drinne“.

Und dann, wow, diese Stimme: Barno Ismatullaeva ist Ensemblemitglied der Staatsoper Hannover. Ich habe lange schon nicht mehr bei einer Frau knapp über 30 eine so ausgewogene, gefühlvolle, balancierte Stimme gehört.

Barno kann sanft und herzensvoll. Barno kann powern, dass es einen aus den Socken haut.

Barno singt mit Liebe und mit einer unglaublichen Intensität.
Ich empfehle allen Lesern, diese Stimme zu hören.

Beide Künstler haben die Kompositionen binnen zwei Tagen erarbeitet.

Ein Abend der dankbaren Extraklasse.

Andreas Schmidt, 25. September 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-beigestert.at

Portrait: Leon Gurvitch klassik-begeistert.de, 22. November 2022

Interview: Leon Gurvitch klassik-begeistert.de, 15. September 2023

 

 

Hoch in den Jahren und kein bisschen müde: Herbert Blomstedt dirigierte die Berliner Philharmoniker

Foto: Martin U.K. Lengemann

Richard Strauss: Metamorphosen

Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 3 „Eroica“

Berliner Philharmoniker
Musikalische Leitung: Herbert Blomstedt

Philharmonie Berlin, 22. September 2023

von Kirsten Liese

Die Auftritte des dienstältesten Dirigenten bescheren immer wieder Konzerterlebnisse der besonderen Art. Nach dem Sturz im vergangenen Jahr, der einen Beinbruch nach sich zog, dirigiert Herbert Blomstedt nun nicht mehr im Stehen, aber das muss ein 96-Jähriger nun wahrlich auch nicht.

In seinem Erleben von Musik finden sich – und das ist das eigentlich Phänomenale – nicht die geringsten Anzeichen von Altersmüdigkeit, im Gegenteil: Sein jüngstes Konzert mit den Berliner Philharmonikern ist einmal mehr bestimmt von einer sagenhaften Präsenz und Wachheit. „Berliner Philharmoniker, Herbert Blomstedt, Strauss & Beethoven
Philharmonie Berlin, 22. September 2023“
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Diese h-Moll-Messe fordert heraus, fordert dazu auf, zu explorieren, drängt sich nicht auf und offenbart sich nicht von selbst.

Autograph der Messe h-Moll mit Eintragungen von C.P.E. Bach (Foto: public domain via Staatsbibliothek zu Berlin)

Johann Sebastian Bach
Messe h-Moll BWV 232

Collegium Vocale Gent
Ensemble des Collegium Vocale Gent
Philippe Herreweghe  Dirigent

Philharmonie Berlin, 13. September 2023

von Nikolai Röckrath

Die h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach. Das Werk, für das einem schnell einmal die Superlative ausgehen. Das „größte musikalische Kunstwerk aller Zeiten und Völker“ (Hans-Georg Nägeli, Musikforscher), der „Mont Blanc der Kirchenmusik“ (Franz Liszt). Ein musikalisches Vermächtnis der gesamten Schaffenszeit des Komponisten mit einer Entstehungsgeschichte von insgesamt rund 35 Jahren. Eines der drei Dinge, von denen mein Vater sagt, dass er sie auf eine einsame Insel mitnehmen würde – womöglich neben einem CD Player und einer Stereoanlage. „Johann Sebastian Bach, Messe h-Moll BWV 232
Philharmonie Berlin, 13. September 2023“
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