Reizvolles vom Rand des Repertoires: Prokofiew und Schönberg erfüllen alle Ansprüche in Berlin

Berliner Philharmoniker und Lahav Shani  Philharmonie Berlin, 21. September 2024

Lahav Shani © Hans van der Woerd

Sergej Prokofiew (1891-1953)  Symphonisches Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 125
Arnold Schönberg (1874-1951)   Pelleas und Melisande op. 5

Berliner Philharmoniker
Lahav Shani / Dirigent
Alisa Weilerstein / Cello

Philharmonie Berlin, 21. September 2024

von Julian Führer

Sergej Prokofiew ist einer von ganz wenigen Komponisten, die bis heute noch in Kinderzimmern präsent sind. Peter und der Wolf ist ein musikalisches Märchen, das fast spielerisch eine Erzählung mit musikalischer Leitmotivtechnik verbindet, gleichzeitig ist die musikalische Umsetzung im Detail durchaus anspruchsvoll.
Prokofiew hatte einen hohen Anspruch an seine Solisten wie auch an sich selbst, war vielseitig interessiert und schrieb auch kleinere Erzählungen, die in ihrer ins Absurde driftenden Skurrilität in der Tradition Gogols stehen. Seine Solokonzerte sind einerseits wegen ihrer technischen Komplexität gefürchtet, andererseits aber auch Bravourstücke für die wenigen, die sie wirklich beherrschen.

In Berlin wurde das selten zu hörende Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 125 gespielt. Das Werk ist die späte, kurz vor Prokofiews Tod erfolgte Überarbeitung einer ersten Fassung von 1938. Die revidierte Fassung wurde 1952 uraufgeführt, gewidmet war sie dem jungen Mstislaw Rostropowitsch, dem später auch Dmitri Schostakowitsch seine beiden Cellokonzerte zueignen sollte.

Hier war Alisa Weilerstein die Solistin, dirigiert wurde das Konzert von Lahav Shani. Im Vergleich zu Prokofiews zweitem und drittem Klavierkonzert ist das Cellokonzert zunächst viel melodischer.

Der erste Satz (Andante) beginnt mit einem Marschthema, das von der Klarinette übernommen wird; die Streicher setzen erst ein, wenn das Soloinstrument pausiert. Der massive Schlagzeugapparat ist gerade in den immer wieder aufblitzenden Marschpassagen zu hören. Die ihresgleichen suchende technische Qualität der Berliner Philharmoniker wurde in den Bratschenpizzicati am deutlichsten und in der immer wieder beeindruckenden Exaktheit der Striche in den Violinen. Anklänge an Mahler (das Signal der gestopften Trompete) wechselten ab mit insgesamt eher wenigen Tuttipassagen – das Soloinstrument tritt eher in einen Dialog mit einzelnen Instrumentengruppen ein. Im Schlusssatz wird von der Solistin alles gefordert, das Cello bewegt sich in Höhen, die sonst den Violinen überlassen sind.

Alisa Weilerstein © Decca / Harald Hoffmann

Der Schluss ist sehr effektvoll und lässt staunen, wozu ein Violoncello in der Lage ist, wenn eine Solistin wie Alisa Weilerstein sich dieses Stückes annimmt.

Nach der Pause ein weiteres Stück, das nicht zum symphonischen Kernrepertoire gehört. Arnold Schönbergs frühe symphonische Dichtung Pelleas und Melisande op. 5 fordert einen großen Orchesterapparat, in Berlin in diesem Fall acht Kontrabässe und vier Harfen.

Die Bearbeitung von Maurice Maeterlincks Vorlage für die Bühne durch Claude Debussy ist sehr viel bekannter geblieben. Schönbergs Klangdichtung, praktisch zeitgleich (und ohne das Wissen um Debussys Bearbeitung) 1903 vollendet, fristet eher ein Nischendasein auf den Konzertpodien. Symphonische Dichtungen dieser Epoche verbinden wir eher mit Richard Strauss (dessen Klangwelten mitunter aufscheinen). Das ausgreifende Werk ist in mehrere voneinander deutlich abgesetzte Abschnitte gegliedert, über weite Strecken steht es ganz in der spätromantischen Tradition mit einem Mischklang und einem riesigen Orchester, auch mit der spätestens seit Wagner festgelegten Instrumentencharakteristik, die zum Beispiel das Englischhorn fürs Sentimentale vorsieht.

Doch wie Strauss, Engelbert Humperdinck, Siegfried Wagner und andere Komponisten der Jahrhundertwende hat Schönberg hier wohl Anspruchsvolles für die Schublade komponiert und hat sich seinen Lebensunterhalt mit anderem verdienen müssen. Die bis jetzt letzte Aufführung mit den Berliner Philharmonikern fand 2009 unter Christian Thielemann statt, damals insgesamt (wenn die Erinnerung nicht täuscht) etwas weniger üppig und mit mehr Raum für Zwischentöne, vor allem in der Binnengliederung deutlicher strukturiert, so auch am 8. Oktober in einem Konzert unter Thielemann mit der Staatskapelle Berlin, dort teilweise recht wuchtig, aber doch immer klar. Die Berliner Philharmoniker spielten das alles (selbstverständlich, möchte man sagen), als gäbe es keine technischen Probleme.

Julian Führer, 9. Januar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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