Triumph und Skandal zugleich...

…ein Orff voller Intensität, Weisheit und einem Füllhorn an Lebenslust! Ich kann ihn nur empfehlen!

©  Brinkhoff-Moegenburg

„Das schönste Denkmal für einen Komponisten ist, wenn er im Spielplan bleibt.“ (Carl Orff)

Wenn der Countertenor Jake Arditti Dich ob Deines Komplimentes „You were phantastic!“ begeistert-dankbar auf beide Wangen küsst – gerade wurde er noch als panierter Schwan von Bacchanten angeknabbert – dann träumst Du, oder Du bist auf dem glanzvollen Saisonempfang der fulminanten Eröffnung der Hamburger Staatsoper, die gerade sowas von abgeliefert hat, mit „Trionfi“ von Carl Orff, dass einem noch immer Augen und Ohren übergehen, und man sich des nächsten Morgens erstmal sammeln muss, um sich diese Inszenierung des Calixto Bieito wieder zu vergegenwärtigen, nur soviel vorab: Soviel Nacktheit war noch nie.

PREMIERE

Carl Orff
Trionfi

Musikalische Leitung: Kent Nagano
Inszenierung: Calixto Bieito
Bühnenbild: Rebecca Ringst
Kostüme: Anja Rabes
Licht: Michael Bauer
Video: Sarah Derendinger
Dramaturgie: Bettina Auer

Staatsoper Hamburg, 21. September 2024 Premiere

von Harald Nicolas Stazol

Der erste bühnenreife Koitus wird schon um 18.22 Uhr vollzogen, der nächste Orgasmus kommt um 18.46, da ist das gesamte Ensemble gerade in eine Orgie ausgebrochen („Orgien, Orgien, wir wollen Orgien“ Asterix bei den Schweizern), denn da ist soviel Erotik, soviel Sinneslust, soviel Sex vorne, im gigantisch weiß umrahmten Bühnenbild, soviel Nacktheit, dass, als sich der nächste auszieht, der Basso corifeo, gleich Basso solo Cody Quattelbaum, einer Dame hinter mir nur ein „Schon wieder“ entfährt sie wird auch Buhen, da merke ich, dass Madame nun wirklich GAR NICHTS, nicht das Geringste begriffen hat! „Carl Orff, Trionfi
Staatsoper Hamburg, 21. September 2024 Premiere“
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Demis Volpi, Nachfolger von John Neumeier, gibt erste Einblicke in sein zukünftiges Schaffen

Demis Volpi mit den Tänzerinnen und Tänzern des Hamburg Balletts (Foto: RW)

Es war also die Aufgabe von Jo Ann Endicott gewesen, das Stück, in dem sie vor 50 Jahren auch getanzt hatte, zu rekonstruieren. Das sei ihr möglich, da sie eine innere Verbindung zwischen sich und der Oben weilenden Pina verspüre.

242. Ballett-Werkstatt seit dem 9. September 1973

Ballett-Werkstatt I, The Times Are Racing

Ballettintendant Demis Volpi spricht über die erste Ballettpremiere der Spielzeit

Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 15. September 2024

von Dr. Ralf Wegner

Dass er vom Hamburger Ballett-Publikum nicht mit Wärme und Wohlwollen empfangen worden sei, wird Demis Volpi später nicht sagen können. Vorschusslorbeeren gab es genug und seine jungenhafte lockere Art kam auch gut beim Publikum an. Es war die 242. Ballettwerkstatt seit 1973 und, darauf wies Volpi zweimal hin, seine erste.

Um zu zeigen, dass es damals neben John Neumeier oder John Cranko noch andere Auffassungen über Tanz gab, wolle er mit einem frühen Stück von Pina Bausch beginnen. Deshalb habe er sich für seine erste Premiere ihr Adagio nach Gustav Mahlers 10. Sinfonie ausgesucht. „Ballett-Werkstatt I, The Times Are Racing
Hamburg Ballett, Staatsoper Hamburg, 15. September 2024“
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John Neumeier vertraute bei seiner Abschieds-Gala allein auf die Kraft seiner Werke

Die Ensemblemitglieder legen John Neumeier die Ihnen überreichten Blumensträuße zu Füßen

Nijinsky-Gala XLIX
Konzept und Moderation: John Neumeier

49. Hamburger Ballett-Tage

Staatsoper Hamburg, 14. Juli 2024

von Dr. Ralf Wegner

Es begann um 18 Uhr und endete, wie so häufig, erst deutlich fünf Stunden später. Trotzdem verharrte das Publikum noch fast eine halbe Stunde, um dem Ensemble und vor allem John Neumeier für den Abend und seine ein gutes halbes Jahrhundert währende Treue zu Hamburg zu danken. Anders als sonst hatte er kaum Gäste eingeladen, allein die ihm vertrauten Tänzerinnen und Tänzer der Ballettschule, des Bundesjugendballetts und sein Hamburger Ensemble sollten ihre Kunst zeigen, dazu allerdings auch noch das von Edvin Revazov geleitete Hamburger Kammerballett. „Nijinsky-Gala XLIX, Konzept und Moderation: John Neumeier, 49. Hamburger Ballett-Tage
Staatsoper Hamburg, 14. Juli 2024“
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John Neumeier bricht sein Schweigen und wird emotional

John Neumeier vor den ihm vom Ensemble zu Füßen gelegten Blumen

Ein Essay anlässlich  der 49. Nijinsky-Gala  in der
Staatsoper Hamburg,  14. Juli 2024

 von Dr. Ralf Wegner

John Neumeier moderierte wie immer, diesmal mit melancholischem Unterton. Am Ende wurde er persönlich: „Es bricht mir das Herz“. Demis Volpi, sein Nachfolger, hat es in Zusammenarbeit mit der Kulturbehörde verhindert, dass John Neumeier weiter mit seinem Bundesjugendballett im Ballettzentrum in Hamm wirken darf. Nach Volpi gäbe es dort keinen Platz mehr. „Nijinsky-Gala XLIX
Staatsoper Hamburg, 14. Juli 2024“
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Wohl keines seiner Ballette dringt so tief in die Seelen der Bühnenfiguren vor wie John Neumeiers Glasmenagerie

John Neumeier umarmt seine Muse Alina Cojocaru (Foto: RW)

49. Hamburger Ballett-Tage:

John Neumeier hört bei uns auf, das Publikum tobt immer wilder. Es bleibt ihm nicht mehr möglich, unbemerkt auf seinen Platz in der ersten Reihe rechts zu huschen. Einer fängt mit dem Klatschen an und schließlich erhebt sich das ganze Haus. Das Einfühlungsvermögen von Neumeier in die Bühnenfiguren ist unglaublich, und die Gefühle in Ausdruck und Tanz umzusetzen schlichtweg so genial, dass Neumeier als Ballett-Genie für alle anderen und die meisten früheren Choreographen der Mount Everest unter den Hügeln der westlichen Welt bleibt. Und sie werden ihn nie besteigen können.

Die Glasmenagerie
Ballett von John Neumeier nach Tennessee Williams

Choreographie, Bühnenbild, Licht und Kostüme: John Neumeier
Musik: Charles Ives, Philip Glass, Ned Rorem

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Leitung Luciano Di Martino

27. Vorstellung, Staatsoper Hamburg, 12. Juli 2024

von Dr. Ralf Wegner

In gewisser Weise ist Neumeiers Ballett Die Glasmenagerie eine Schwester seiner Kameliendame. Letztere spielt im großbürgerlichen Milieu der früheren Welthauptstadt Paris, erstere im damals noch eher provinziellen St. Louis im US-Bundesstaat Missouri.

In der Kameliendame verzichtet die Titelfigur aus Liebe auf ihren einer anderen Gesellschaftsschicht angehörenden Geliebten, in der Glasmenagerie erträumt sich die gehbehinderte Laura ein Leben voller Freude und Glückseligkeit, scheitert aber an den Gegebenheiten und zieht sich in ihre Traumwelt zurück. „Die Glasmenagerie, Ballett von John Neumeier nach Tennessee Williams
Staatsoper Hamburg, 12. Juli 2024“
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Fucking Hell! – das Birmingham!! Royal!! Ballet!!!

© Johan Persson | Johan Persson

Ja, in drei Teufels Namen – „Black Sabbath“ in der Oper? Als Ballett? Sie lesen richtig! Und so bin ich natürlich sofort zur Stelle, sehe zum ersten Mal, dass Fan-T-Shirts verkauft werden – und Ohrenstöpsel verteilt, „Ist ja Heavy Metal“ sagen die Saalordner, aber Markus, den ich gerade kennenlerne – ein „Death Metal“ Fan mit langen Haaren (er ist heute nicht allein!), hält mich davon ab, „bloß keine Stöpsel, die brauchts nicht, nein, die dürfen nicht sein!“

Black Sabbath – The Ballet
Gastspiel Birmingham Ballet (Direktor Carlos Acosta)

49. Hamburger Ballett-Tage am 9. Juli 2024

Originalmusik: Black Sabbath

Choreographie: 1. Akt (Heavy Metal Ballet) Raúl Reinoso, 2. Akt (The Band) Cassi Abranches, 3. Akt (Everybody is a Fan) Pontus Lidberg

Designer: Alexandre Arrechea

Royal Ballet Sinfonia, musikalische Leitung Paul Murphy

Staatsoper Hamburg, 10. Juli 2024

 von Harald Nicolas Stazol

…und so biete ich meine der Dame neben mir an, die auch verzichtet, Angelika aus Baden, und ich kann ja im Zweifelsfall meine iPods in die Ohren hauen – aber kein Grund! Hat mich die Direktion doch sorgsam in Reihe 18 verlegt, dafür bin ich sehr dankbar, den das Total Volume der riesigen Boxen beiderseits der Bühne ist schon beachtlich, zum Glück aller sind ja die Logen in unserem wundervollen Haus fest verankert seit den 50ern, ich schwör, die kämen sonst runter! „Black Sabbath – The Ballet, Gastspiel Birmingham Ballet
Staatsoper Hamburg, 10. Juli 2024“
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Mit etwas mehr Pomp und weniger klassischem Können könnte es sich auch um eine Show in Las Vegas gehandelt haben

Das Birminghamer Black Sabbath-Ensemble mit dem Dirigenten Paul Murphy (gleich rechts hinter dem Blumenstrauß) und dem Ballettdirektor Jona Acosta (rechts davon mit der dunkelblauen Jacke). Bei dem Hintergrund handelt es sich nicht um die Bühnendekoration, sondern um das (bei schräger Sicht aus der Loge) am rechten Bühnenrand aufgebaute Gewirr von Scheinwerfern (Foto: RW)

Die musikalische Darbietung fand ich bemerkenswert, vor allem im ersten Teil. Wenn man einen guten Platz in der Mitte des Parketts hat, beeindruckt wohl auch die Bühne. Und in Las Vegas könnte die Birminghamer Truppe mit Black Sabbath – The Ballet in der riesigen Sphere wohl über Monate ein begeistertes Publikum zufriedenstellen.

Das Birmingham Royal Ballett mit dem Stück Black Sabbath – The Ballet bei den 49. Hamburger Ballett-Tagen

Black Sabbath – The Ballet
Gastspiel Birmingham Ballet (Direktor Carlos Acosta)

49. Hamburger Ballett-Tage am 9. Juli 2024

Originalmusik: Black Sabbath

Choreographie: 1. Akt (Heavy Metal Ballet) Raúl Reinoso, 2. Akt (The Band) Cassi Abranches, 3. Akt (Everybody is a Fan) Pontus Lidberg

Designer: Alexandre Arrechea

Royal Ballet Sinfonia, musikalische Leitung Paul Murphy

Staatsoper Hamburg, 9. Juli 2024

von Dr. Ralf Wegner

Der Blick in den Orchestergraben war interessanter als das Bühnengeschehen. Das lag auch an den direkt vor der ersten Loge im ersten Rang aufgebauten mächtigen Lautsprechern, denn damit waren aus der Loge große Teile des linksseitigen Geschehens nicht mehr einsehbar. Außerdem wagten sich die Tänzerinnen und Tänzer kaum nach vorn zur Bühnenrampe hin, sondern tanzten weitgehend im Hintergrund. Eigentlich hätte der Einrichter des Stücks sich auf die Hamburger Gegebenheiten mit zahlreichen, bis nach vorn zum Bühnenrand reichenden, sehr seitlich gelegenen Logen anpassen sollen. „Black Sabbath – The Ballet, Gastspiel Birmingham Ballet (Direktor Carlos Acosta)
Staatsoper Hamburg, 9. Juli 2024“
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Eine Drag-Queen steckt in jedem Charakter

Yeonjoo Katharina Jang, Mateusz Ługowski, Aaron Godfrey-Mayes, Grzegorz Pelutis © Jörg Landsberg

Reynaldo Hahn, „Ciboulette“ 
Staatsoper Hamburg, Opera Stabile,
7. Juli 2024

Musikalische Leitung: Nicolas André
Inszenierung: Sascha-Alexander Todtner
Bühne und Kostüme: Christoph Fischer
Musikalisches Arrangement: Johannes Harneit
Dramaturgie: Angela Beuerle

von Jolanta Łada-Zielke

Die Stimmung ist typisch Französisch: leicht, frivol, witzig und mit einer Prise faire l’amour.  In erster Linie gibt es dort hervorragende Anhänger der Gesangkunst, die sich mit jugendlichem Elan auf der Bühne agieren. Ihre in Meisterkursen sowie im örtlichen Studio ausgebildeten Stimmen klingen ziemlich reif.

Das mehr als ein Jahrhundert alte „Ciboulette“ ist eine Satire auf Rückständigkeit und kleinbürgerliche Moral. Der Regisseur Sascha-Alexander Todtner hat sie noch weiter geschärft: In seiner Interpretation hat jede Figur ihr Alter Ego in Form einer Drag-Queen.     „Reynaldo Hahn, Ciboulette
Staatsoper Hamburg, Opera Stabile, 7. Juli 2024 “
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John Neumeiers Ballett Romeo und Julia ist unvergänglich

Artem Prokopchuk (Tybalt), Azul Ardizzone (Julia), Louis Musin (Romeo) und Alessandro Frola (Mercutio) (Foto: RW)

Und sie tanzten mit solcher Energie, Spielfreude und Überzeugungskraft, dass man meinen könnte, so gut hätte man dieses Ballett noch nie gesehen. So sollten gute Aufführungen sein: Die Vergangenheit und auch kleine Fehler verblassen angesichts solch einer hinreißenden, aus dem Feuer der Jugend schöpfenden und das Publikum emotional ergreifenden Darbietung.

49. Hamburger Ballett-Tage

Romeo und Julia, Ballett von John Neumeier
Musik: Sergej Prokofjew

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg,
Leitung: Simon Hewett

Bühnenbild und Kostüme: Jürgen Rose

195. Vorstellung seit der Hamburger Premiere am 6. Januar 1974

Hamburg Ballett,  3. Juli 2024


von Dr. Ralf Wegner

Es gibt Stücke, die könnte man jedes Jahr wieder sehen und erneut darüber berichten. Dazu gehört John Neumeiers nunmehr seit mehr als einem halben Jahrhundert (Uraufführung 1971 in Frankfurt) immer wieder aufgeführte Ballett-Version von Romeo und Julia nach der Komposition von Prokofjew. „John Neumeiers Ballett Romeo und Julia
49. Hamburger-Ballett-Tage, Ballett Hamburg, 3. Juli 2024“
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Selten, eigentlich nie, habe ich das Abschiedsterzett so schön gesungen gehört wie von Adriana González, Chao Deng und Jana Kuruková

Chao Deng (Don Alfonso), Nicholas Mogg (Guglielmo), Adriana González (Fiordiligi), William Kelley (Dirigent), Martin Mitterrutzer (Ferrando), Jana Kurucová (Dorabella), Kangmin Justin Kim (Despina) (Foto: RW)

Adriana González Sopran ist etwas weicher, runder als Jana Kurucovás tiefengrundierter Mezzo. Das passt zur Seelenlage beider Frauen, zu Fiordiligi als der empfindsameren und zu Dorabella als der entscheidungsfreudigeren der beiden Ferrara-Schwestern. Und im Gleichklang singen sie perfekt mit genügend Schalldruck, bezaubernder Stimmschönheit, aber unterschiedlichem, sich ergänzenden Stimmklang.

Così fan tutte
Text von Lorenzo da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
musikalische Leitung: William Kelley

Inszenierung und Bühnenbild: Herbert Fritsch, Kostüme: Victoria Behr

Staatsoper Hamburg, letzte Vorstellung dieser Serie, 26. Juni 2024

von Dr. Ralf Wegner

Carmen oder Così fan tutte, beide Oper standen jetzt vor den Ballett-Tagen noch auf dem Spielplan der Hamburgischen Staatsoper. Wir mussten Abo-Tauschkarten einsetzen, und entschieden uns ob der mehrfach guten Besprechungen in diesem Blog für die Mozart-Oper.

Und es hat sich gelohnt. Die mehr als 3 Stunden Nettospielzeit vergingen dank eines herausragenden Ensemblespiels wie im Fluge. Auch musikalisch wurde meisterlich gesungen und vom Orchester gespielt. Einzig der Sänger des Ferrando (Martin Mitterrutzer) drang nicht durch. Sein durchaus schön klingender und beseelt eingesetzter Tenor (Arie Un’aura amorosa) hatte nicht genügend Kraft, um den Klang seiner Stimme in die Weiten des Saals zu tragen. „Così fan tutte, Text von Lorenzo da Ponte, Musik von Wolfgang Amadeus Mozart
Staatsoper Hamburg, 26. Juni 2024“
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