Johannes Kreislers, des Kapellmeisters, musikalische Leiden (Kreisleriana I)
Johannes Brahms
16 Variationen über ein Thema von Robert Schumann op. 9 (1854)
Johann Sebastian Bach
Auswahl (Aria mit verschiedenen Veränderungen. Clavier-Übung IV BWV 988 »Goldberg-Variationen«) (1741–1742)
Wiener Konzerthaus, Schubert-Saal, 12. Oktober 2022
Von Kathrin Schuhmann
Ein Stündchen großartiger Unterhaltung bescherten am Mittwochmittag die Pianistin Eloïse Bella Kohn und der Schauspieler Markus Hering dem zahlreichen Publikum, das sich in bester Laune im wohlgefüllten Schubert-Saal des Wiener Konzerthauseses zusammengefunden hatte. Mit einer kurzweiligen Reise in die Vergangenheit lockte ein Programm, in dem sich so manche großen Meister der vergangenen Tage die Hände reichten. „Markus Hering, Lesung – Eloïse Bella Kohn, Klavier Wiener Konzerthaus, Schubertsaal, 12. Oktober 2022“ weiterlesen
Das Kunstlied liegt am Boden. Wer sich schon um die Oper sorgt, der sollte noch mehr um dieses Juwel fürchten. Bariton Andrè Schuen, 38, hat all die Lorbeeren, die er im Vorfeld für seine Einspielung von Schuberts „Die schöne Müllerin“ bekommen hatte, nicht bestätigen können. Dabei gilt doch der junge Südtiroler als große Hoffnung. Seit 2021 hat er einen Exklusivvertag bei der renommierten Deutschen Grammophon in der Tasche. Im Wiener Konzerthaus blieb es lediglich beim Versuch.
Der Untergang des Kunstlieds?
„Die schöne Müllerin“ gilt neben der „Winterreise“ als Schuberts genialer Beitrag zur Gattung des romantischen Kunstlieds. Die Geschichten ähneln einander. In beiden Liederzyklen, die auf Gedichten von Wilhelm Müller basieren, begleitet man einen Wanderer, der hin und hergerissen ist. Zwischen existenziellem Schmerz und Hoffnung, Liebe und Trauer, Angst und unbändigem Lebenswillen. Ein großer Unterschied: Während bei der „Winterreise“ offen bleibt, ob die am Ende in den Tod mündet, steht das bei der schönen Müllerin fest. Am Ende ertränkt sich der junge Müllergesell im Bach. Aus Verzweiflung, weil die schöne Müllerin letztendlich unerreicht bleibt.
Igor Strawinski: L’Oiseau de feu (Der Feuervogel), Ballettsuite (Fassung von 1945)
Maurice Ravel: Daphnis et Chloé, 2. Ballettsuite
La Valse
Utopia Teodor Currentzis, Dirigent
von Herbert Hiess
Ältere Jahrgänge werden sich noch erinnern, wie Lorin Maazel 1983 und 1984 in einem Ballettabend Strawinskis „Feuervogel“ und Ravels „Daphnis“ zu einem fulminanten und unvergesslichen Ereignis gestaltete. Und es sind viele damals in die Staatsoper gepilgert, eher um einem grandiosen Orchestererlebnis beizuwohnen als einem trotz allem superben Tanzereignis.
Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 21. September 2022
Zubin Mehta, Dirigent Martha Argerich, Klavier Wiener Philharmoniker
von Jürgen Pathy
„Komm mit“, fordert sie ihn auf. Zumindest scheint es so, wenn man die Worte von Martha Argerichs Lippen richtig liest. Doch die gebrechlichen Knochen wollen nicht mehr so recht. Deshalb bleibt er lieber sitzen. Zubin Mehta, der die Wiener Philharmoniker gerade eben einfühlsam durch Schumanns Klavierkonzert geleitet hat. In göttlicher Manier. Ebenso wie die „Löwin am Klavier“ selbst.
Auf jeden Fall war dieses Konzert weit mehr als eine Reminiszenz. Da sind eine 81-jährige Pianistin, die den jüngeren Kollegen zeigt, was Weltklasse ist und ein 86-jähriger schwerkranker Dirigent, der bis heute unangefochten an der Weltspitze steht. Man kann froh sein, dieses Konzert zu hören und diese großartigen Menschen beim Musizieren zu erleben.
Wiener Konzerthaus, 21. September 2022
Robert Schumann: Konzert für Klavier und Orchester in a-moll op. 54
Anton Bruckner: Symphonie Nr. 4 in Es-Dur
Solistin: Martha Argerich, Klavier Wiener Philharmoniker Zubin Mehta, Dirigent
von Herbert Hiess
Wenn Martha Argerich und Zubin Mehta, beides Herrschaften in den 80ern, in die U-Bahn einsteigen würden, würde man ihnen sofort einen Platz anbieten – vor allem dem Stardirigenten, der offenbar schwer von seiner Krankheit gezeichnet ist.
Und tatsächlich haben der Dirigent und das Orchester ihre Sache ausgezeichnet gemacht – wenn auch mit gewissen Einschränkungen.
Sibelius-Zyklus im Wiener Konzerthaus vom 21. Mai – 23. Mai 2022
Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 22. Mai 2022
Jean Sibelius: Symphonien 1 – 7
Zugaben: Valse Triste, Finlandia, Heimkehr aus der „Lemminkainen“-Suite
Oslo Philharmonic Klaus Mäkelä, Dirigent
Der Symphonien-Zyklus auf CD: https://www.deccaclassics.com/de/kuenstler/klaus-makela
von Herbert Hiess
Bevor man auf die aktuellen Konzerte zu sprechen kommt, muss man sich ernsthaft fragen, warum sogar echte Klassik-Kenner und -Manager vorbehaltlos ins pubertätshafte Schwärmen kommen, wenn sie den Namen Klaus Mäkelä hören.
Unbenommen, der junge Dirigent ist total sympathisch, freundlich und tatsächlich als Dirigent ein Könner. Wenn man Dirigieren rein als Ausübender der Schlagtechnik sieht, ist er natürlich jetzt schon perfekt. Aber ein Dirigent ist weit mehr als ein Taktschläger. Er ist ein Vermittler zwischen Orchester (und auch Chor) und Publikum. Er soll seine interpretatorischen Ideen dem Orchester vermitteln und sozusagen diese dem Publikum präsentieren.
Wer Sternstunden sucht, muss manchmal geduldig sein. Selbst im Wiener Konzerthaus, wo seit seiner Eröffnung 1913 fast alle auf der Bühne gestanden haben, die von Rang und Namen sind. Mit Yannick Nézet-Séguin und dem BRSO hatte das Warten nun ein Ende.
Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 9. Mai 2022
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) Beatrice Rana, Klavier Yannick Nézet-Séguin, Dirigent
von Jürgen Pathy
Seit Teodor Currentzis und das SWR Symphonieorchester mit Schostakowitschs Siebter hier glorreich einmarschiert waren, hat man nicht mehr in so einen intensiven Klangrausch tauchen dürfen wie Montagabend im Großen Saal. Viel besser geht es nicht, da muss ich dem Resümee einiger Gäste ohne jegliche Widerrede zustimmen. Dabei hatte der Abend gar nicht so vielversprechend begonnen.
Mit großen Vorschusslorbeeren hatte man sie ausgestattet. Beatrice Rana, die zierliche Süditalienerin, die in Copertino, einer Kleinstadt in der Region Apulien, aufgewachsen ist. 2019 debütierte sie in der Carnegie Hall, im Dezember 2021 spielte sie im Herkulessaal im München. Glaubt man der Kritik, alles virtuose Klangerlebnisse der Extraklasse.
Ohne die geringste Ermüdungserscheinung habe sie Notenberge gehoben, die Igor Strawinsky virtuos in drei Sätze aus seinem „Petruschka“-Ballett gebastelt hatte, schreibt da die Süddeutsche anlässlich des Münchner Recitals. Mit ihrer stupenden Technik sei es ihr gelungen, einen Klangrausch nach dem anderen zu produzieren. Ernüchternd hingegen die Reaktionen im Wiener Konzerthaus. „BRSO, Beatrice Rana, Klavier, Yannick Nézet-Séguin, Dirigent Wiener Konzerthaus, 9. Mai 2022“ weiterlesen
Johannes Berauer’s Vienna Chamber Diaries plus Strings feat. Wolfgang Muthspiel: “Re-imagining chamber music / Re-imagining jazz”
Wolfgang Muthspiel, Gitarre Klaus Gesing, Sopransaxophon, Bassklarinette Gwilym Simcock, Klavier Johannes Dickbauer, Violine Christian Bakanic, Akkordeon, Percussion Florian Eggner, Violoncello Yuri Goloubev, Kontrabass Damir Oraščanin, Violine Katharina Henríquez, Violine Miaoyu Luginbühl-Hung, Violine Oliver Pastor, Violine Paul Kropfitsch, Violine Jovana Raljić, Violine Aleksandra Juszczak, Violine Joanna Rusev, Violine Marta Potulska, Viola Cynthia Liao, Viola Giorgia Veneziano, Viola Katharina Steininger, Violoncello
von Julia Lenart
Im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses präsentiert Johannes Berauer sein neues Album „Re-imagining chamber music / Re-imagining jazz” mit den Vienna Chamber Diaries plus Strings feat. Wolfgang Muthspiel.
Wer Wolfgang Muthspiel und Johannes Berauer kennt, für den sind die Vienna Chamber Diaries nichts Neues. Man kennt sie schon aus früheren Projekten, wenn auch mit den unterschiedlichsten Band-Formationen. Vor zehn Jahren veröffentlichten sie ihr Debütalbum mit dem einfachen Titel „The Vienna Chamber Diaries“ (bei Muthspiels Label Material Records), inzwischen liegt mit „Re-imagining chamber music / Re-imagining jazz” bereits das dritte Album vor. Für das neueste Projekt erweiterte Berauer die Band um einen beachtlichen Streichersatz aus acht Violinen, drei Bratschen und einem Violoncello.
Crossover-Projekte laufen gerne Gefahr, in oberflächliche Effekthascherei abzudriften oder an der Flexibilität der Musizierenden zu scheitern. Anders bei „Re-imagining chamber music / Re-imagining jazz”: Berauer gelingt in seiner Komposition die Verschmelzung von auskomponierter, zeitgenössischer Klassik und Jazz-Improvisation. Für das hochkarätige Ensemble holte er sich ausgezeichnete Musikerinnen und Musiker, die Erfahrungen sowohl in der Klassik als auch im Jazz mitbringen. Folglich funktioniert das Zusammenspiel einwandfrei. Der Streichersatz ergänzt die Band ausgesprochen gut, formt einen harmonischen Klangkörper vor dessen Hintergrund sich die Improvisationen entfalten können. „Johannes Berauer, “Re-imagining chamber music / Re-imagining jazz”, Wiener Konzerthaus, 25. April 2022“ weiterlesen
Richard Strauss: Metamorphosen, Studie für 23 Solostreicher AV 142
Peter Iljitsch Tschaikowsky: Symphonie Nr. 6 h-moll op. 74 „Pathéthique“
von Herbert Hiess
Dass einmal ein Botschafter eines anderen Landes Einfluss auf eine Konzertveranstaltung haben wird, hätte sich vor ein paar Monaten niemand vorstellen können. So geschehen aktuell im Wiener Konzerthaus.
Dem Veranstalter, der diese großartigen Konzerte mit dem wunderbaren Orchester durchsetzte, kann man dafür nicht genug danken. Aber ein angesetztes Benefizkonzert für die Ukraine mit diesem Orchester aus St. Petersburg (musicAeterna Orchestra) wurde auf Betreiben des ukrainischen Botschafters einfach abgesetzt. Ob man da der Sache einen guten Dienst erwies, sei dahingestellt.