Christian Thielemann triumphiert mit „Lohengrin“ in Wien

David Butt Philip (Lohengrin) und Malin Byström (Elsa). Alle Fotos © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Richard Wagner
Lohengrin

Musikalische Leitung: Christian Thielemann

Inszenierung: Jossi Wieler/Sergio Morabito
Bühne und Kostüme: Anna Viebrock
Licht: Sebastian Alphons

Wiener Staatsoper, 5. Mai 2024

von Kirsten Liese

Es gibt keinen Dirigenten, der den Lohengrin subtiler, mystischer, und farbenreicher dirigieren würde als Christian Thielemann. Er ist unter allen Wagnerdirigenten der Klangmagier Nummer eins, auch wenn es inzwischen junge Kollegen gibt, auf die sein filigranes Ziselieren erfreulich abfärbt, wie auf den Briten Alexander Soddy, der unlängst einen exzellenten Lohengrin an der Berliner Staatsoper dirigierte. „Richard Wagner, Lohengrin, Christian Thielemann
Wiener Staatsoper, 5. Mai 2024“
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Jammern hilft: Thielemann hebelt das szenische „Lohengrin"-Desaster aus

Christian Thielemann: © Matthias Creutziger

Wow – es gibt doch ein Glück! Zweiter Anlauf, komplett konträrer Eindruck. Das Bühnenbild von Anna Viebrock widerspricht noch immer den Mindestregeln der Ästhetik. Die Wiener Philharmoniker unter Christian Thielemann präsentieren die „Lohengrin“-Partitur aber in voller Pracht. Hervorragend, wäre die Untertreibung des Jahres. Die Stimmung in der Wiener Staatsoper kocht.

Richard Wagner
Lohengrin


Wiener Staatsoper,
5. Mai 2024

von Jürgen Pathy

So ein Tag, so wunderschön wie heute, der sollte nie vergehen. Diese Parole des Fußballplatzes trifft gleich zweimal den Kern. Der Wiener Traditionsverein SK Rapid schickt den haushohen Favoriten RB Salzburg mit 2:0 nach Hause. An der Wiener Staatsoper rückt Christian Thielemann alles wieder gerade. Die nicht unweit des Hütteldorfer Allianz-Stadions gewonnene Idee, den Gottfried im Wienfluss zu ertränken, gerät fast in Vergessenheit. Anna Viebrock hat beim Rückhaltebecken Auhof, an der westlichen Stadtgrenze Wiens, ihre Inspiration fürs Bühnenbild gefunden.

Ein optisches Desaster, das Thielemann und die Wiener Philharmoniker hinter faszinierendem Schönklang verdrängen.

„Richard Wagner, Lohengrin
Wiener Staatsoper, 5. Mai 2024“
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Christian Thielemann zelebriert Wagner in einer scheußlichen Regie

David Butt Philip (Lohengrin) und Malin Byström (Elsa). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

RICHARD WAGNER

LOHENGRIN
Romantische Oper in drei Akten

mit Georg Zeppenfeld, David Butt Philip, Malin Byström, Martin Gantner, Anja Kampe und anderen

Regie: Jossi Wieler/Sergio Morabito

Wiener Staatsopernchor
Orchester der Wiener Staatsoper (vulgo Wiener Philharmoniker)
Dirigent: Christian Thielemann

Wiener Staatsoper, 2. Mai 2024


von Herbert Hiess

Erinnerungen an Salzburg 2022 werden wieder wach; als man die letzte Vorstellung des „Lohengrin“ bei den Osterfestspielen besuchte (Richard Wagner, Lohengrin, Osterfestspiele Salzburg 2022, Großes Festspielhaus, 18. April 2022 – Klassik begeistert (klassik-begeistert.de)).

Es hat sich nichts geändert; die Regie ist genauso dümmlich und unlogisch wie zu Ostern; nur dass man die Szenerie von der Salzburger 30 m-Breite in die Bühne der Wiener Staatsoper gepresst hatte. Was man damals vielleicht relativieren konnte, fällt mittlerweile in die Kategorie des fast schon Schimpfwort-gleichen „Regietheater“ rein. „Richard Wagner, Lohengrin
Wiener Staatsoper, 2. Mai 2024“
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OP gelungen, Patient tot: Wieler & Morabito radieren jeden Funken Mystik aus dem Wiener „Lohengrin“

David Butt Philip (Lohengrin) und Malin Byström (Elsa). Alle Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn


Das Ende eines Märchens. Jossi Wieler & Sergio Morabito ersticken den „Lohengrin“-Mythos im Keim. Alles grau in grau, während Elsa ihren Bruder im Kanal ertränkt. Christian Thielemann holt die Kohlen nur bedingt aus dem Feuer. Zeppenfeld, Butt Philip & Byström mit Abstrichen. Kampe hebt den Schnitt deutlich in die Höhe.

Richard Wagner, Lohengrin (Premiere)

Wiener Staatsoper, 29. April 2024


von Jürgen Pathy

„Der Dramaturg gehört entlassen!“ Dem wäre im Grunde nichts hinzuzufügen. Sergio Morabito ist seit 2020 an der Wiener Staatsoper als Chefdramaturg engagiert. Mit der dritten Neuproduktion begeht er gemeinsam mit Jossi Wieler an der Wiener Staatsoper ein schweres Verbrechen: die szenische Entmystifizierung des „Lohengrin“. Während Omer Meir Wellber schon ins Fettnäpfchen getreten ist beim Versuch der musikalischen „Entnazifizierung“, scheitert das Regieduo nun an der Szene.

„Richard Wagner, Lohengrin
Wiener Staatsoper, 29. April 2024 PREMIERE“
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Viel Schatten, wenig Licht: Armiliato & Co lassen im Wiener „Boccanegra“ einige Wünsche offen

Marco Armiliato (Musikalische Leitung) © SF/Marco Borrelli 

Manchmal wünscht man sich „Regietheater“. Vor allem, wenn bei Verdis „Simon Boccanegra“ nichts wirklich zündet. Marco Armiliatos Dirigat verläuft auf Flatline. Die Oldschool-Inszenierung kommt nicht richtig vom Fleck. Der Gesang haut in Summe auch nicht aus den Socken. Fast symbolisch gehen im Orchester-Graben der Wiener Staatsoper die Lichter vorzeitig aus.

Giuseppe Verdi, Simon Boccanegra

Wiener Staatsoper, 11. April 2024

von Jürgen Pathy

Man sieht es, doch man glaubt es kaum. Bei Verdis „Simon Boccanegra“ blättert selbst Marco Armiliato in der Partitur. Sonst dirigiert der 57-jährige Italiener eigentlich alles aus dem Kopf. Ob das ein Grund dafür ist, warum nichts wirklich zündet, wäre reine Spekulation. Armiliato erweist sich zwar als „Advokat der Partitur“, irgendwie fehlt aber jegliches Feuer. Kaum Amplituden nach oben oder unten, alles irgendwie monotoner Gleichklang. Im Krankenhaus wäre der Patient damit tot.

„Giuseppe Verdi, Simon Boccanegra
Wiener Staatsoper, 11. April 2024“
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Wiener Parsifal-Experiment schief gelaufen: Elīna Garanča rettet fast im Alleingang

Elīna Garanča und Daniel Frank © Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Wiener Parsifal-Experiment schief gelaufen: Elīna Garanča rettet fast im Alleingang

Richard Wagner, Parsifal
Wiener Staatsoper, 1. April 2024

Jetzt sprechen wir Mal Tacheles: Alexander Soddys „Parsifal“-Dirigat an der Wiener Staatsoper stimmt mich todunglücklich. Kein Wunder, dass Elīna Garanča während des tosenden Auftrittsapplauses in der zweiten Pause keine Miene verzieht. Dabei ist der Lettin diese Kundry wie auf den Leib geschnitten. In Kirill Serebrennikovs umstrittener Gefängnis-Inszenierung ist sie eine eiskalte Reporterin. Eine der wenigen, die auch genauso zuschlägt.

von Jürgen Pathy

Wenn man bereits bei der Anreise zur Wiener Staatsoper mit der Gänsehaut kämpft, steht Richard Wagner am Spielplan. Das Vorspiel erfüllt noch alle Erwartungen. In Wien hat man es nicht eilig. Alexander Soddy hat die Ruhe, um die Aura des Grals voll zu entfalten. Danach sinkt der Stimmungspegel aber unaufhaltsam nach unten. „Richard Wagner, Parsifal
Wiener Staatsoper, 1. April 2024“
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Drei Frauenstimmen adeln diesen Wiener „Rosenkavalier"

Julia Kleiter als Marschallin © Michael Pöhn

Nachdenklich stimmt es, wenn die Marschallin der Zeit nachweint. Dabei ist die an der Wiener Staatsoper mit Julia Kleiter optisch jung & stimmlich ideal besetzt. Axel Kober am Pult zaubert beim „Rosenkavalier“ von Richard Strauss nicht immer. Das glasklare, von Rührseligkeit befreite Dirigat hat dennoch etwas. Perfektes Handwerk, das dem Staatsopernorchester viele Freiräume verschafft.

Richard Strauss, Der Rosenkavalier 

Musikalische Leitung   Axel Kober
Inszenierung   Otto Schenk
Bühne   Rudolf Heinrich
Kostüme   Erni Kniepert


Wiener Staatsoper,
 30. März 2024

von Jürgen Pathy

„Kaum noch jemand da“. Der Eindruck täuscht. Die hohen Temperaturen in Wien haben dem großgewachsenen Mitarbeiter an der Garderobe viel Arbeit erspart. Die Wiener Staatsoper ist bei frühsommerlichen Temperaturen restlos ausverkauft. Wie die Zahlen an diesem Osterwochenende zustande gekommen sind, interessiert nur am Rande. Mogelpartie oder nicht – dieser Frage muss sich vorerst nur der Ochs des Abends stellen. „Richard Strauss, Der Rosenkavalier
Wiener Staatsoper, 30. März 2024“
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John Osborn stiehlt in Wien allen die Show

John Osborn und Lisette Oropesa © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Es gäbe nur zwei Tenöre, die in der Lage wären, den Arnold in „Guillaume Tell“ zu singen: Juan Diego Flórez und John Osborn, hat mir Mal eine ORF-Kulturlady gesteckt. Letzterer hat das nun eindrucksvoll an der Wiener Staatsoper bewiesen. Nur das Publikum sieht Lisette Oropesa um einen Hauch weiter vorne. Lautstarker Beifall aber für beide.

Gioachino Rossini, Guillaume Tell
Wiener Staatsoper, 13. März 2024

von Jürgen Pathy

„Das ist net meine Oper, da ist keine Spannung drin – aber die Inszenierung ist schön“. Die Regietheater-Gegner haben mit der Inszenierung von David Pountney sicherlich ihre Freude. Klassisch, eine Menge Trachten, mit einigen genialen Einfällen aufgepeppt und modernisiert. Hätte der Herr mit seinem Urteil bis nach der ersten Pause gewartet, wäre sein Resümee auch musikalisch weniger vernichtend ausgefallen. Rossinis letztes Meisterwerk auf den Punkt gebracht: Wenn Mozart bei der Partitur ansetzt und den Füller an Beethoven weiterreicht.

„Gioachino Rossini, Guillaume Tell,
Wiener Staatsoper, 13. März 2024“
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Animal Farm: Was uns die Tiere erzählen...

Fotos © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Die Menschen sind die Teufel der Erde und die Tiere die geplagten Seelen (Arthur Schopenhauer)

Nach kurzer Pause der Betroffenheit zeigte sich das Publikum begeistert. Den stärksten Applaus erhielten, völlig berechtigt, Dirigent und Orchester, und auch Chor, Solistinnen und Solisten wurden mit herzlichem Beifall bedacht. Einen Besuch lohnt die Produktion auf jeden Fall!

Alexander Raskatov
“Animal Farm”

Text: Ian Burton & Alexander Raskatov

Musikalische Leitung: Alexander Soddy
Inszenierung: Damiano Michieletto
Bühne: Paolo Fantin
Kostüme: Klaus Bruns
Licht: Alessandro Carletti
Choreographie: Thomas Wilhelm
Choreinstudierung: Martin Schebesta & Davorin Mori

Orchester der Wiener Staatsoper
Projektchor Animal Farm & Chorakademie der Wiener Staatsoper
Jugendchor der Opernschule  der Wiener Staatsoper

Wiener Staatsoper, 2. März 2024

von Dr. Rudi Frühwirth

Was uns die Tiere erzählen… Nein, ich schreibe nicht über den 3. Satz von Mahlers Dritter Symphonie, sondern über die faszinierende Oper “Animal Farm” von Alexander Raskatov, die jetzt in der Staatsoper zu sehen und hören ist. Gemeinsam mit Ian Burton ist Raskatov auch für das Libretto verantwortlich. Die Vorlage ist natürlich George Orwells gleichnamige Fabel, Parabel, Dystopie, wie immer man sie nennen mag.

Zu Beginn erzählen uns die Tiere von der Knechtschaft und Unterdrückung, dann von der Revolution, und schließlich vom Umschlagen der zunächst befreienden Revolution in eine anders geartete, raffiniertere, aber nicht weniger bedrückende Unterwerfung unter eine neue Klasse von Mächtigen. „Alexander Raskatov, Animal Farm
Wiener Staatsoper, 2. März 2024“
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Politisch hochbrisant, musikalisch austauschbar: Auf dieser „Animal Farm" leiden nicht nur die Tiere

Fotos © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Die Begeisterung hält sich in Grenzen. George Orwells „Animal Farm“ ist zwar hochaktuell – Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut. Wenn Oper allerdings zu sehr auf Intellekt setzt, leidet die musikalische Substanz. Ein paar Fetzen vom Tristan-Akkord, der Salome und Schostakowitsch reißen das Ruder nicht herum. Höflicher Applaus für den russischen Komponisten Alexander Raskatov nach der Premiere an der Wiener Staatsoper.

Animal Farm

Musik     Alexander Raskatov
Text        Ian Burton & Alexander Raskatov  nach George Orwell
Oper in zwei Akten, neun Szenen & einem Epilog

Wiener Staatsoper, 28. Februar 2024 Premiere  

von Jürgen Pathy

Erster Gedanke, nachdem der Vorhang das Bühnenbild lüftet: Da kriegt der Wolfgang Bankl endlich eine Hauptrolle, dann versteckt man sein Gesicht hinter einer Maske – und was für einer: einem Saukopf. Doch der landet schnell wieder in der Requisite. Das Sujet von George Orwells Fabel ist bekannt: Nachdem die Tiere sich von der ausbeuterischen Führung der Menschen befreien, übernehmen die Schweine die Macht auf einem Bauernhof. Alles unter der anfänglichen Prämisse: Alle Tiere sind gleich. Doch rasch vollzieht sich der Wandel. Es dauert nicht lange, bis die neue Führung ebenso Blut geleckt hat. Und am Ende steht der Zusatz: Aber manche Tiere sind gleicher.

„Alexander Raskatov, Animal Farm
Wiener Staatsoper, 28. Februar 2024 Premiere“
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