Jonas Kaufmann in Hochform: Dieser Otello entführt in die dunkelsten Abgründe der menschlichen Seele

Jonas Kaufmann, Rachel Willis-Sørensen © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Otello, Giuseppe Verdi

Wiener Staatsoper, 28. Oktober 2023

von Jürgen Pathy

Jetzt plagt mich ein schlechtes Gewissen. Kurz nachdem ich die zwei ungarischen Damen auf die andere Seite „vertrieben“ habe, huscht Jonas Kaufmann durch die Tür. Zum Leidwesen der Fans nicht durchs „Bühnentürl“ am Herbert-von-Karajan-Platz, wo die Autogrammjäger in Massen warten. Künstler verlassen in der Regel das Haus dort. Nein, sondern genau vis-à-vis, rund 100 Meter gerade durch die Wiener Staatsoper, ein langer Gang verbindet diese beiden Ausgänge. Der „Fluchtweg“ sozusagen, den Künstler primär nutzen, um der Meute zu entkommen. Christian Thielemann sucht meistens hier das Weite. Jonas Kaufmann an diesem Abend auch.

„Otello, Giuseppe Verdi
Wiener Staatsoper, 28. Oktober 2023“
weiterlesen

Christian Thielemann dirigiert "Die Frau ohne Schatten" in den musikalischen Olymp

Tanja Ariane Baumgartner (Amme), Andreas Schager (Kaiser) © Michael Pöhn, Wiener Staatsoper

Richard Strauss
Die Frau ohne Schatten

Inszenierung: Vincent Huguet

Besetzung:
Andreas Schager, Elza van den Heever, Tanja Ariane Baumgartner, Clemens Unterreiner, Tomasz Konieczny, Elena Pankratova u.a.

Wiener Staatsopernchor
Orchester der Wiener Staatsoper
Dirigent: Christian Thielemann

Wiener Staatsoper, 24. Oktober 2023 

von Herbert Hiess

Anlässlich der Dernière der aktuellen Aufführungsserie von Richard Strauss Monsteroper „Die Frau ohne Schatten“ müsste man wieder die Plattitüden „Sternstunde“ usw. verwenden – da aber diese Serie schon vielfach in diversen Medien besprochen wurde, wird das tunlichst hier unterlassen. „Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten
Wiener Staatsoper, 24. Oktober 2023 “
weiterlesen

Christian Thielemann zeigt einmal wieder, wo der Hammer hängt

Christian Thielemann mit der Urkunde. Foto: Michael Pöhn

Er kann es ja doch noch. Der Gedanke, die Wiener Staatsoper vielleicht nach der ersten Pause verlassen zu müssen, hat sich bereits nach dem ersten Takt in Luft aufgelöst. Da hatte Christian Thielemann noch gar nicht viel gemacht, außer den Auftakt gegeben. An manchen Tagen spürt man aber bereits da – heute, da könnte das was werden, da liegt etwas Großes in der Luft. Spätestens nach ein paar Takten, nachdem die Streicher einsetzen, steht es endgültig fest: Endlich, endlich, hat der Herr „Kapellmeister“ wieder das Geheimnis gelüftet, wie man aus einer Partitur mehr herausholt als nur saubere Noten.

Richard Strauss
Die Frau ohne Schatten

Wiener Staatsoper, 21. Oktober 2023

von Jürgen Pathy

Spannung, Genuss und Leidenschaft bis zum Ende, wo das Haus am Ring wieder Kopf steht. Bei Thielemann ja sowieso schon so sicher wie das Amen im Gebet – und somit alles andere als ein Beweis für eine hervorragende Vorstellung. An diesem Abend aber, da muss ich vor dem „Maestro“ den Hut ziehen, der den „Kapellmeister“ nicht ganz so in den Vordergrund gedrängt hat: Spitzenklasse! So stelle ich mir das vor, wenn Thielemann am Pult steht. Keine Notwendigkeit also, das Haus vorzeitig zu verlassen, um sich den Frust in spanischem Rotwein zu ertränken. „Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten
Wiener Staatsoper, 21. Oktober 2023“
weiterlesen

Anna Netrebko singt sich in der Wiener Staatsoper mit russischen Liedern in den Himmel

Foto © Michael Pöhn, Wiener Staatsoper

Ergreifendere Töne der Resignation und Klage habe ich noch nicht gehört… Der „Traum einer Sommernacht“, ein erotischer Traum eines jungen Mädchens, überwältigte mich mit der Intensität und Wahrhaftigkeit der Interpretation… Ein wahrhaft großer Abend mit einer großen Diva.

Anna Netrebko, Sopran
Pavel Nebolsin, Klavier

Wiener Staatsoper, 19. Oktober 2023

von Dr. Rudi Frühwirth (Text) und Andreas Schmidt (Fotos)

Anna Netrebko hat in der Wiener Staatsoper das Publikum in ein mir – und vermutlich vielen anderen auch – nur wenig bekanntes Land geführt: das russische Liedschaffen der Romantik. Und kann es für eine solche Reise eine bessere Führerin geben als Anna Netrebko? Die Antwort ist klar: Nein, natürlich nicht.

„Anna Netrebko, Sopran, Pavel Nebolsin, Klavier
Wiener Staatsoper, 19. Oktober 2023“
weiterlesen

Theatralische Mängel konzeptioneller Analyse und Regie

Fotos © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn


IL TRITTICO
Giacomo Puccini

»DIE HÖLLE, DAS SIND DIE ANDEREN.«
 JEAN-PAUL SARTRE

Wiener Staatsoper, 4. Oktober 2023, PREMIERE

von Dr. Klaus Billand

Die Wiener Staatsoper begann ihren Opern-Premierenreigen der Saison 2023-24 mit dem vorletzten Musiktheaterwerk von Giacomo Puccini, dem Dreiteiler „Il Trittico“, bestehend aus „Il tabarro“, „Suor Angelica“ und „Gianni Schicchi“. Die Regie-Debutantin an der Wiener Staatsoper, Tatjana Gürbaca, erläutert in einem Gespräch mit Dramaturg Nikolaus Stenitzer, dass sie nach eingehendem Studium der drei Einakter eine inhaltliche Verbindung gefunden habe – was ja immer bei Inszenierungen des Trittico die große Frage an die Regie ist. Und zwar macht sie den Ausspruch von Giorgetta in „Il tabarro“: „Wie schwer es ist, glücklich zu sein!“ zur Grundlage ihres Regiekonzepts. „Giacomo Puccini, Il Trittico,
Wiener Staatsoper, 4. Oktober 2023, Premiere“
weiterlesen

Vittorio Grigolo brilliert als der italienischste Cavaradossi überhaupt!

Vittorio Grigolo © Michael Pöhn 

Italienischer, authentischer geht’s gar nicht mehr. Wer gedacht hat, neben Piotr Beczała gäbe es keinen adäquaten Cavaradossi mehr, der hat sich gewaltig getäuscht. An der Wiener Staatsoper bringt Vittorio Grigolo den alten Glanz zurück. Neben einigen Trash-Produktionen, die sich da mittlerweile auch eingenistet haben, ist Margarethe Wallmanns Uralt-Inszenierung (1958) noch dazu eine wohltuende Abwechslung für das Auge. Klassisch, opulent, an den Ursprungsort von Puccinis „Tosca“ zurückversetzt. Kirche, Engelsburg, traditionelle Kostüme – alles in warmen Farbtönen, die von braun, blau und bordeauxrot dominiert sind. Oldschool-Oper vom Feinsten. Die Stimme von Grigolo setzt dem ganzen dann die Krone auf.

Giacomo Puccini
Tosca

Wiener Staatsoper, 8. Oktober 2023

von Jürgen Pathy

„Hello, is it me you’re looking for?“ Yes, genau nach Vittorio Grigolo habe ich lange schon Ausschau gehalten. Der Straßenmusiker auf dem Weg zur Wiener Staatsoper hatte schon den richtigen Song angestimmt, mit dem Lionel Richie zu Weltruhm gelangt ist. Grigolo, der italienische Sunnyboy, ist schon seit langem ein großer Name – nun bestätigt er auch wieder weshalb: Einen besseren Cavaradossi habe ich seit Piotr Beczała 2019 hier nicht mehr gehört.

„Giacomo Puccini, Tosca
Wiener Staatsoper, 8. Oktober 2023“
weiterlesen

DIE DIENSTAG-PRESSE – 3. OKTOBER 2023

 

Für Sie und Euch in den Zeitungen gefunden

DIE DIENSTAG-PRESSE – 3. OKTOBER 2023

Wien/Staatsoper
„La traviata“: Weiße Kamelien soll es regnen!
Giuseppe Verdis „La traviata“ hat derzeit ihren ganz großen Auftritt in der Wiener Staatsoper. Nicht weil Simon Stone die Liebesgeschichte ganz modisch ins Zeitalter von It-Girls und Smartphones verlegt hat, sondern weil Lisette Oropesa mit ihrer ersten Wiener Violetta Valéry in allen Lebens- und Liebeslagen überwältigt.
KronenZeitung.at

Eine umjubelte „La Traviata“ an der Staatsoper
In der kühl-kuriosen Instagram-Inszenierung von Simon Stone gab Lisette Oropesa eine stimmlich kräftige Titelpartie. Was gibt es im Herbst sonst zu sehen?
DerStandard.at-story

„La Traviata“: Verdi, die Influencerin und zu viel Phlegma
In der Staatsoper stirbt die „Traviata“ wieder an Krebs: Jubel für Lisette Oropesa, die in Simon Stones forcierter Regie neben Juan Diego Flórez und Ludovic Tézier glänzt.
Die Presse.com

„DIE DIENSTAG-PRESSE – 3. OKTOBER 2023“ weiterlesen

Die Wiener Staatsoper überrascht  mit einem innovativen „Barbiere“

Foto: Kate Lindsey (Rosina) © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Glückliche Stadt, in der man an zwei direkt aufeinander folgenden Abenden zwei der drei Hauptwerke Rossinis – den „Barbier“ und die „Cenerentola“ in hervorragenden Aufführungen erleben darf: „Il Barbiere“ in einer farbenprächtigen (und nicht unumstrittenen), unkonventionellen Inszenierung von Herbert Fritsch und in der Volksoper „La Cenerentola“, das fast schon legendäre Werk und  nach wie vor erfrischende Werk von Achim Freyer. Musikalisch und schauspielerisch hatten beide Produktionen viel zu bieten – Rossini, Belcanto und Commedia dell’Arte in bester Operntradition.

Gioachino Rossini, Il Barbiere di Siviglia
Text: Cesare Sterbini

Wiener Staatsoper, 26. September 2023

Musikalische Leitung: Gianluca Capuano
Inszenierung und Bühne: Herbert Fritsch
Kostüme: Victoria Behr
Licht: Carsten Sander

Graf Almaviva: Lawrence Brownlee
Bartolo: Marco Filippo Romano
Rosina: Kate Lindsey
Don Basilio: Peter Kellner
Figaro: Davide Luciano

Orchester und Chor der Wiener Staatsoper

von Dr. Charles E. Ritterband

Nach mehr als einem halben Jahrhundert wagt sich die traditionsbewusste Wiener Staatsoper an eine ziemlich kühne Neuinszenierung, welche die gewohnten Konventionen der „Barbiere“-Aufführungen – das Haus des Doktor Bartolo mit Drehbühne und die Musiker, die ganz am  Anfang des Stückes möglichst geräuschlos („piano pianissimo“) auftreten sollten und dies natürlich nicht tun – weit hinter sich lässt. „Gioachino Rossini, Il Barbiere di Siviglia
Wiener Staatsoper, 26. September 2023“
weiterlesen

Eine große Stimme füllt das Haus am Ring

Lise Davidsen © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Alles in allem: ein großer Abend mit einer großartigen Sängerin und einem hervorragenden Begleiter am Klavier. Nur ein Wunsch blieb offen: Lise Davidsen einmal als Elisabeth, als Desdemona, als Marschallin, als Leonora oder als Leonore auf der Bühne unserer Staatsoper zu hören und zu sehen!

Solistenkonzert

Lise Davidsen, Sopran

James Baillieu, Klavier


Wiener Staatsoper, 28. September 2023

von Dr. Rudi Frühwirth

Das Programm des Lieder- und Arienabends von Lise Davidsen, begleitet von James Baillieu am Klavier, war so interessant wie vielfältig. Die Sängerin begann mit Werken aus ihrer norwegischen Heimat, drei Liedern aus dem Opus 69 von Edvard Grieg. Komponiert im Jahr 1900, sprechen die Lieder eine spätromantische Tonsprache mit ungewöhnlichen Modulationen und Tonartrückungen. Die Nummer 1 handelt von einem schönen Mädchen in einem Boot auf dem See. Von diesem Lied gibt es eine Aufzeichnung mit Kirsten Flagstad, die einen Vergleich der beiden Stimmen erlaubt. Davidsens Timbre ist deutlich heller, mit etwas stärker ausgeprägtem Vibrato. Die Nummer 2 beschreibt die mütterlichen Gefühle einer Frau für ihren kleinen Sohn, die Nummer 6 eine Traumvision. Die Interpretation war den Texten feinsinnig angepasst; im letzten der drei Lieder beeindruckte mich das makellose Piano der Sängerin. „Solistenkonzert, Lise Davidsen, Sopran, James Baillieu, Klavier
Wiener Staatsoper, 28. September 2023“
weiterlesen

Imperiale Dissonanz verdrängt Harmonie

Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wolfgang Amadeus Mozart
LA CLEMENZA DI TITO 

Wiederaufnahme

Wiener Staatsoper,  4. September 2023


von Dr. Klaus Billand

Zu den Feierlichkeiten zur Krönung Kaiser Leopolds II. zum König von Böhmen wurde Wolfgang Amadeus Mozart beauftragt, eine Oper zu schreiben. Er hatte dafür nur sehr wenig Zeit. Mozart schuf mit seinem Librettisten Caterino Tommaso Mazzolà  auf der Basis des schon mehrmals vertonten Librettos von Pietro Metastasio eine zweiaktige Opera seria. Auf den ersten Blick hatte diese neue Oper aufgrund des Anlasses also den Charakter einer Huldigungsoper – eine Huldigung des nunmehr gekrönten Königs von Böhmen. Mit ihrem Sujet, der Clemenza des römischen Kaisers Tito, wurde Leopold II. somit in den ultimativen Adelsstand des guten Herrschers erhoben. Heute würde man das als „Good Gouvernance“ bezeichnen, auf die die internationale Entwicklungszusammenarbeit so sehr für die Vergabe ihrer Mittel pocht… „Wolfgang Amadeus Mozart, LA CLEMENZA DI TITO
WA Wiener Staatsoper, 4. September 2023“
weiterlesen