Elīna Garanča singt eine unvergleichliche Santuzza – Jonas Kaufmann begeistert auch als Tonio

Cavalleria Rusticana/Pagliacci  Wiener Staatsoper, 22. Jänner 2025

Cavalleria rusticana © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Selbst in Wien waren die zwei berühmten Einakter in der phantastischen Regie von Jean-Piere Ponnelle noch nie so luxuriös besetzt wie in dieser Aufführungsserie. Und irgendwie war beim Dirigenten, orchestral und beim Chor der Wurm drinnen. Auf der Bühne hörte man sängerisch Weltklasseniveau, während Chor/Orchester und Dirigent fast „Provinzniveau“ lieferten.

Pietro Mascagni: Cavalleria Rusticana

mit Elīna Garanča, Jonathan Tetelman, Adam Plachetka, Elena Zaremba, Anita Montserrat

Ruggero Leoncavallo: Pagliacci

Mit Maria Agresta, Jonas Kaufmann, Adam Plachetka u.a.

Chor und Orchester der Wiener Staatsoper
Dirigent: Nicola Luisotti

Wiener Staatsoper, 22. Jänner 2025

von Herbert Hiess

Genau vor vier Monaten konnte man im Teatro Real zu Madrid eine fulminante Opernaufführung mit dem ersten Gastdirigenten Nicola Luisotti erleben, die einen begeistert zurückließ (Francesco Cilea, Adriana Lecouvreur Teatro Real, Madrid, 23. September 2024 – Klassik begeistert).

Bei der Aufführung am 22. Jänner 2025 an der Wiener Staatsoper  war man leider vom Dirigenten und Chor/Orchester mehr als enttäuscht.

„Cavalleria“ begann beim Vorspiel recht entspannt und doch da waren schon keinerlei Nuancen zu hören. Der Eingangschor war schlichtweg katastrophal. Rhythmisch und tonal auseinander, dauerte es einige Zeit, bis die Choristen zueinander fanden. Und dann würzten noch einige Falscheinsätze und Intonationsprobleme den Rest der Oper. Als wäre das noch nicht schlimm genug, war es musikalisch mehr als beiläufig.

Keinerlei Akzente und intelligente Rubati waren zu vernehmen; die Belanglosigkeit setzte sich bis zum Schluss fort – so hat man beispielsweise noch nie ein so langweiliges „Intermezzo sinfonico“ gehört, das eigentlich Wunschkonzertcharakter hat. Auch dramatische Ausbrüche suchte man vergeblich; das Schlagwerk übte sich hier in (unverständlicher) Zurückhaltung – langweilig wäre da eher der richtige Ausdruck.

Cavalleria rusticana © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Dafür erlebte man auf der Bühne ein vokales Weltklasseniveau.

Elīna Garanča
, die übrigens auch in Madrid zu sehen war, war eine unvergleichliche Santuzza. Sie sang diese Partie, als ob es das Einfachste auf der Welt wäre. Dabei ist diese Rolle gerade extrem komponiert. Unzählige Höhen und Lagewechsel machen daraus einen Parforceakt, den der lettische Mezzo meisterhaft bewältigte. Und darüber hinaus war sie eine phantastische Interpretin. Sie ließ die Trauer und Verzweiflung an der verschmähten Liebe Turiddus fast körperlich spüren.

Dieser wurde vom chilenisch-amerikanischen Tenor Jonathan Tetelman gesungen, der nach seiner Erkrankung diese letzte Aufführung der Serie singen konnte. Mit einer strahlenden Erscheinung und Stimme begeisterte er bis zum Schluss. Beeindruckend, wie er körperlich und stimmlich den betrunkenen Turiddu am Schluss spielte.

Cavalleria rusticana © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Und ebenso Weltklasseniveau hat der tschechische Bassbariton Adam Plachetka, der mit seiner sonoren und in allen Lagen sicheren Stimme als Alfio den eifersüchtigen Ehemann Lolas beeindruckend interpretierte.

Nach der Pause hörte man stimmlich ebenso auf Weltklasseniveau Leoncavallos „Pagliacci“, der vom Chor und Orchester weit besser war; wenngleich auch nicht wirklich inspiriert und inspirierend.

Der Tonio zugedachten Prolog wurde von Jonas Kaufmann wiedergegeben.

Und hier konnte man sich Gedanken machen, warum wohl der Startenor plötzlich diese Baritonpartie singen wollte und vor allem, wie er sie sang. Vielleicht ist es – ähnlich wie bei Plácido Domingo eine Art „Vorbereitung“ auf die Zeit nach seinen tenoralen Auftritten?

Pagliacci © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Während Domingo als Bariton oft wie ein „Tenor ohne Höhe“ klingt, war man von Kaufmann vollends überrascht. In diesem Prolog hörte man ihn als veritablen Bariton mit fast einer Bass-Färbung; interpretatorisch natürlich, wie immer bei ihm, vollendet.

Pagliacci © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Und in der Oper als eifersüchtiger Canio war er trotz einiger kurzer angestrengt klingender Passagen vollendet. Er spielte und sang seine Rollen immer mit Ganzkörper-Aktion; so auch den Canio. Das „Vesti la giubba“ war mit dem vom Domingo damals eine der allerbesten Interpretationen.

Gesanglich war auch hier Adam Plachetka als intriganter und verräterischer Tonio grandios; Maria Agresta war als Nedda ebenso ausgezeichnet; konnte jedoch mit dem Niveau von Kaufmann und Plachetka nicht ganz mithalten. Ihre Stimme ist zwar schön, aber etwas „eng“. Während sie physisch beeindruckend spielte, war ihr Gesang etwas linear – man hörte da kaum irgendeine Modulation.

Pagliacci © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Vor 40 Jahren, also 1985, gab es die Premiere der Ponnelle-Inszenierung dieser „Opernzwillinge“ im Haus am Ring. Ebenso in einer Weltklassebesetzung konnte man diese farbenfrohe und intelligente (und auch authentische) Regie erleben.

Man kann den Intendanten Bogdan Roščić nur dazu beglückwünschen, dass er diese phantastische Regie reaktivierte und zu dem „heimlichen“ Jubiläum der Premiere diese großartige Besetzung aufstellte.

Schade, dass es orchestral und chormäßig nicht so funktionierte – mit einem echten Weltklassedirigenten (und vielleicht?) ausreichend Proben hätte man eine absolute Sternstunde erleben können.

Aber hier zählt eben das „Momentum“. Leider ist so was nicht immer möglich. Aber man kann froh sein, dieses Sängerfest in der traumhaften Regie erlebt haben zu können.

Herbert Hiess, 23. Jänner 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

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