Elīna Garanča (Princesa de Bouillon) © Javier del Real | Teatro Real
Es ist schon erstaunlich, dass man weit fahren muss, um Opern zu erleben, wie sie sein sollen. Während in Wien und im deutschsprachigen Raum Opern oft verunstaltet werden, kann man in Madrid Opern erleben, wo der Regisseur dem Werk und der Geschichte Vorrang gibt und nicht irgendeinen „Seelenmüll“ von irgendwelchen Personen inszeniert.
Francesco Cilea
Adriana Lecouvreur
Mit Ermonela Jaho, Brian Jagde, Elīna Garanča, Maurizio Muraro, Nicola Alaimo u.a.
Regie: David McVicar
Chor und Orchester des Teatro Real
Dirigent: Nicola Luisotti
Teatro Real, Madrid, 23. September 2024
von Herbert Hiess
Es ist heutzutage leider so, dass viele Regisseure dem Publikum irgendwelche unaufgearbeiteten persönliche Probleme zeigen wollen und damit den ursprünglichen Inhalt des Werkes verunstalten. Das Publikum muss diese Inszenierung dann viele Jahre ertragen; oder sie wird wie in Wien durch noch üblere Produktionen ersetzt. Trauriges Beispiel da „Lohengrin“ oder „Parsifal“.
Anlässlich der Inauguration (Anm.: Saisoneröffnung) mit Anwesenheit des spanischen Königspaares Felipe und Letizia wurde als Premiere Francesco Cileas „Adriana Lecouvreur“ in einer internationalen Produktion gebracht. Diese Produktion ist unter anderem auch in Wien zu sehen.
Anwesend bei dieser Aufführung war auch Plácido Domingo, der früher die Rolle des Maurizio mit Bravour gesungen hat.
Der Amerikaner Brian Jagde hat mit seinem wunderschönen und kraftvollen Tenor das Publikum für sich vereinnahmt. Am Anfang war er etwas unsicher und hat die Töne „angeschliffen“, ist dann aber immer besser und sicherer geworden und war am Schluss nicht mehr zu bremsen.
Ganz ehrlich gesagt schwächelt das Werk „Adriana Lecouvreur“ etwas.
Angesiedelt im Verismo und nur sechs Jahre später als „Andrea Chénier“ uraufgeführt, kann die Oper an diesen Klassiker nicht heranreichen. Der größte Hit, Adrianas Arie „Io son l’umile ancella“ steht lange Zeit alleine für sich da; Dramatik und die großen „Reißer“ kommen erst am Schluss des dritten Aktes und dann im vierten Akt.
Und da haben die Hauptdarstellerin Ermonela Jaho und Brian Jagde ein unwiederbringliches Ereignis gestartet. Beide haben sich gegenseitig in der phantastischen Regie so aufgestachelt, dass das ein Finale wurde, das man so schnell nicht vergisst. Der Tenor entwickelte ungeahnte Kräfte und Frau Jaho konnte ihr berührendes Pianissimo einsetzen. Gemeinsam war das ein Schluss, wie man ihn sich in der besten und schönsten „Bohème“ oder „Traviata“ nur wünschen kann.
Elīna Garanča als bösartige Prinzessin Bouillon war hinreißend wie immer und bewies wieder einmal ihre ungetrübte Höhe. Schade, dass ihre Mittellage leider nicht mehr so sonor ist wie früher. Auch Ermonela Jaho hat ein leichtes Flackern und wenig Durchschlagskraft in dieser Lage, bestach aber eben durch ihren traumhaften Pianogesang und berauschende Höhen.
Die anderen Mitstreiter auf der Bühne sangen und spielten hervorragend; allen voran Nicola Alaimo als Inspizient Michonnet und Maurizio Muraro als Prinz von Bouillon.
Die Regie mag vielleicht in mancher Augen „altmodisch“ sein, war jedoch eine Freude anzusehen. David McVicar vermag eine Geschichte zu erzählen; diese Oper basiert ja angeblich auf einer wahren Begebenheit. Vielleicht war für manchen die Bühne überladen (war sie tatsächlich – doch niemals kitschig und aufdringlich). Und lenkte niemals von der Musik ab.
Nicola Luisotti, selbst oft Gast in Wien, brillierte mit dem phantastischen Orchester des Madrider Opernhauses. Sowohl in den lyrischen Stellen als auch in den dramatischen konnte er einen musikalischen Luxus-Klangteppich legen. Richtig berauschend.
Und nicht zu vergessen der superbe Chor und auch die Statisterie. In der David McVicar-Regie war alles wie aus einem Guss.
Eine mehr als phantastische Produktion, die man so schnell nicht vergessen wird. Das Madrider Teatro Real ist eine Reise wert. Hier kann man Opern abseits vom „verrückten“ Opernalltag erleben.
Herbert Hiess, 25. September 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Francesco Cilea, ”Adriana Lecouvreur” OPÉRA ROYAL DE WALLONIE-LIÈGE, 14. April 2023
Francesco Cilea: Adriana Lecouvreur, Deutsche Oper Berlin, 4. September 2019
Guten Morgen, darf ich erinnern, wir hatten in Wien exakt diese Besetzung Oktober/November 2021 in Wien, auch diese Inszenierung die ja wandert.
https://archiv.wiener-staatsoper.at/search/person/9796/role/9101
Friedrich Krammer
Danke für den Hinweis; war mir klar. Und gut, dass diese Inszenierung wandert – sie ist phantastisch.
LG aus Madrid,
Herbert Hiess
… und wozu dann das Wien-„bashing“?
Friedrich Krammer